Bandwurm

Bandwurm

[177] Bandwurm (der), ein Thier, das gewöhnlich im Dünndarme des thierischen Körpers sich entwickelt und lebt, höchst selten im Magen und Dickdarme vorkommt und noch nie außer dem thierischen Körper angetroffen wurde, hat seinen Namen von dem bandartigen Ansehen seines Körpers erhalten.

Menschen und Thiere werden oft Jahre lang von ihm gequält, und einmal damit behaftet, nur schwer von ihm befreit. Unter den verschiedenen Gattungen und Arten der Bandwürmer, die man im menschlichen Körper beobachtet hat, nennen wir den einsamen oder langgliederigen Kettenwurm (s. Abbild. Nr. 1), der in Deutschland der gewöhnlichste ist, und den eigentlichen oder breitgliederigen Bandwurm (s. Abbild. Nr. 2), der besonders in Rußland, Polen, in der Schweiz und Frankreich vorkommt. Der Körper beider Arten besteht aus einer großen Anzahl bandartig miteinander verbundener Glieder, hat eine schmale, dünne, plattgedrückte Gestalt, eine graulichweiße Farbe und erreicht zuweilen eine Länge von 10–50 Ellen. Der kleine, meist viereckige, höckrige (hier im vergrößerten Maßstabe abgebildete Kopf beider Arten, Nr. 3 und 4) ist im Allgemeinen bei den zwei erwähnten Arten nur wenig verschieden, mit vier sogenannten Saugern (a) besetzt, mit denen sich das Thier an den Darmwänden festzusaugen pflegt und überdies mit einem Munde, in Form eines Sternes (b) versehen; der Schwanz (c) bildet ein abgestumpftes Ende. Beide Arten Bandwürmer gehen zuweilen stückweise ab, wachsen aber, so lange das Kopfende zurückbleibt, immer von Neuem. Sie kommen seltener bei Kindern als bei Erwachsenen vor, veranlassen eine Menge Beschwerden, trotzen oft jeder ärztlichen Behandlung und peinigen den Menschen zuweilen das ganze Leben hindurch. Die krankhaften Erscheinungen, aus denen auf die Gegenwart des Bandwurms mit großer Wahrscheinlichkeit zu schließen ist, sind: ein eigenthümlicher stechender Schmerz wie von einer Nadel in der Oberbauch- und Magengegend; Kneipen um den Nabel oder hier und da in dem gewöhnlich aufgetriebenen Unterleibe; wellenförmige Bewegungen und Gefühl von Schwere in demselben; [177] ungleiche, bald gänzlich fehlende, bald übermäßige Eßlust; Verlangen nach festen, mehligen Speisen; vermehrter Durst, besonders des Morgens; öfteres Zusammenfließen von Speichel im Munde; süßlich-fader oder auch säuerlicher Geruch aus demselben; weißlich belegte Zunge, Aufstoßen, Übelkeiten bei leerem Magen, Erbrechen einer wasserhellen Flüssigkeit, besonders nach dem Genusse von Knoblauch, Zwiebeln, Meerrettig, Essig u.s.w.; mit Durchfall und Stuhlzwang abwechselnde Leibesverstopfung; Herzklopfen, Angst, Brustbeklemmung, Schwindel, Doppeltsehen, Ohrensausen, Kopfschmerz, blasse, erdfahle, oft wechselnde Gesichtsfarbe, bräunliche, geschwollene Augenlider, blaue Ringe um die Augen, unruhiger, durch schreckhafte Träume gestörter Schlaf, üble Laune, zuweilen Anwandlungen von Ohnmacht, Zähneknirschen, Zuckungen, Krämpfe aller Art u.s.w. Da jedoch alle diese Zufälle auch durch andere Krankheitszustände hervorgebracht werden können, so bleibt der Abgang einzelner Glieder des Bandwurms immer das einzige zuverlässige Zeichen seines Vorhandenseins. Die Erzeugung desselben wird vorzüglich durch Schwäche der Verdauungskraft, Verschleimung, sitzende Lebensweise, anhaltenden Genuß schwerverdaulicher, sehr fetter, mehliger und vieler Milchspeisen u.s.w. begünstigt. Kaum gibt es eine Krankheit, gegen welche man mehr Geheimmittel empfohlen hat, als gegen diese; die berühmtesten derselben sind das Herrenschwand'sche, Nuffer'sche und Matthieu'sche, die alle nach bestimmten Vorschriften gebraucht werden müssen. Im Allgemeinen ist die Befreiung des Menschen vom Bandwurm eine schwere Aufgabe für den Arzt, weil es nicht blos darauf ankommt, ihn zu tödten und abzutreiben, sondern auch die Anlage zu seiner Wiedererzeugung zu tilgen. Als den ärgsten Feind des Bandwurms kann man den Hunger ansehen, weshalb eine karge, gering nährende Kost die erste Bedingung ist, wenn die sogenannten wurmwidrigen und abführenden Mittel, von denen man hier die stärksten anwenden muß, den gewünschten Erfolg haben sollen. Beide aber greifen mitunter den Kranken mehr an als das Übel, von dem sie ihn befreien sollen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 177-178.
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