Bewässerung

[242] Bewässerung (die) gehört zu den wichtigsten Gegenständen der Landwirthschaft, indem Feuchtigkeit eine nothwendige Bedingung alles Pflanzenwachsthums ist und die Fruchtbarkeit des Bodens großentheils in der Fähigkeit desselben, Feuchtigkeit zu bewahren, ihren Grund hat. Selbst der unfruchtbarste Sandboden kann innerhalb 10–15 Jahren blos durch fortgesetzte Bewässerung in vortreffliche Wiese umgeschaffen werden, wozu das Flußwasser wegen der Schlammtheile, welche es bei sich führt, geeigneter ist als das Quellwasser. Allein auch diesem sind meist den Pflanzen höchst zuträgliche Düngungsmittel, wie Kalk und Gyps, beigemischt und die höhere Temperatur desselben erwärmt zugleich den damit bewässerten Boden, der schon herrlich grünt, wenn an andern Orten noch Alles weit zurück ist. Überhaupt wird durch künstliche Bewässerung der schädliche Einfluß des Reises und der Nachtfröste im Frühjahre vermindert und im Sommer kann man vermöge derselben lange Zeit des Regens entbehren. Die Bewässerung der Ländereien im Großen war schon seit uralter Zeit unter wärmern Himmelsstrichen als wesentliches Beförderungsmittel des Gedeihens von Feld- und Gartenfrüchten bekannt. Noch heute ist, wie im Alterthume, die Fruchtbarkeit Ägyptens von der durch Kanäle beföderten Nilüberschwemmung abhängig und in Asien sind große Landstrecken, die ehedem eine fast unglaubliche Fruchtbarkeit besaßen, zu Wüsteneien geworden, weil die Kanäle und Wasserleitungen verfielen, von denen ihre Bewässerung abhängig war. In Persien haben durch Kriege und innere Unruhen die Anlagen zu künstlicher Bewässerung des Landes zwar sehr gelitten, allein trotz dem sind sie noch von großem Umfange und in jeder Provinz wachen besondere [242] Beamte über ihre Erhaltung und Benutzung. Auch die Römer bewässerten Feld und Garten, wie es in Italien, Portugal und Spanien noch geschieht, wo über die gemeinnützige Verwendung des Wassers dazu ebenfalls sorgfältige gesetzliche Bestimmungen gelten. In Deutschland bedürfen für gewöhnlich der Bewässerung nur Wiesen, deren Ertrag aber dadurch auch am zuverlässigsten erhöht wird.

Wo Bewässerungsanlagen beabsichtigt werden, muß der Boden zuerst von jeder etwa vorhandenen, in der Tiefe stockenden Feuchtigkeit befreit und durch die sorgfältigste Nivellirung (s.d.) ausgemittelt werden, welche Höhen und Senkungen er darbietet. Die Herbeischaffung des Wassers wird am leichtesten durch Ableitungen aus einem Flusse, Bache, See oder durch Auffangen einer Quelle bewirkt und das Ergebniß der Nivellirung bestimmt, ob das natürliche Gefälle des Wassers dazu hinreicht. Es muß ferner ermittelt werden, über welche Quantität Wasser man auch in der trockensten Jahreszeit verfügen kann und ob die Nachbarn ober- und unterhalb kein Recht haben, gegen die Anlage Einspruch zu thun. Alle diese und andere in der Ortlichkeit weiter etwa begründeten Verhältnisse bedingen Art und Umfang einer Bewässerungsanlage, wobei es immer ein Hauptvortheil ist, den Zuleitungskanal so hoch als möglich anzulegen, denn Anhöhen bewässern ist allemal die beste Benutzung des Wassers. Bewässerungsarten gibt es dreierlei: Die Überstauung, wobei das herbeigeleitete Wasser über einer Fläche stehen bleibt; die Berieselung, wenn es langsam und in nicht zu großer Menge darüber fließt, und die Anstauung, wobei es nur durch Verstopfung des Abflusses in den ein Grundstück durchziehenden Gräben bis zu einer gewissen Höhe angesammelt wird, ohne jedoch zum Überfließen zu kommen. Dieser letztern Art der Bewässerung bedient man sich hauptsächlich auf moorigem und schwammigem Boden, der geeignet ist, das Wasser seitwärts anzuziehen, und in warmen Ländern, wo das Wasser auf diese Weise in die zwischen den Feldern befindlichen Gräben gedrängt und aus diesen von Menschen mittels Schaufeln über die Beete geschleudert wird. Die Überstauung, die nur im Herbst, Winter, Frühjahr und etwa nach der ersten Heuernte anwendbar ist, macht ähnliche Sperrung des Abflusses nöthig, allein die zu bewässernde Fläche muß außerdem wenigstens auf drei Seiten mit dammartigen, das Wasser zurückhaltenden Erhöhungen eingefaßt sein. Die Berieselung, welche des Nachts so oft angewendet werden kann, als man es für nöthig hält, wird bewirkt, indem man das Wasser aus dem oberhalb des zu bewässernden Grundstücks hinlaufenden Zuleitungsgraben, in mit demselben parallel laufende flache Gräben, sogenannte Wassergrippen leitet, von denen aus es sich gleichmäßig über den von da abhängigen Boden verbreitet. Ist derselbe aber nicht gleichmäßig abhängig, so werden diese Grippen auch in jeder andern Richtung angelegt, welche die verschiedenen höchsten Partien des Bodens vorschreiben und das Wasser vertheilt sich aus denselben nach ebenso vielen Richtungen.

Ist die einfache Herzuleitung des Wassers nicht möglich, so wird die Hebung desselben durch Wasserräder, die der Fluß selbst treibt, durch mittels Windmühlen oder auf andere Weise bewegte Pumpen und Maschinen nöthig, die es in Behälter bringen, aus denen es an Ort und Stelle fließt, aber dann auch viel kostspieliger ist. Bei allen Bewässerungen ist endlich unerlaßliche Bedingung, daß man die schnelle und vollständige Entwässerung der Fluren gänzlich in seiner Gewalt hat, weil leicht Fäulniß der Pflanzen eintritt, wenn sie zu lange im Wasser stehen. Diese Entwässerung wird durch ähnliche Gräben wie die Bewässerung bewirkt, die man aber in der Tiefe des Grundstücks anlegt. Ob bei solchen Anlagen der Bau von Schleusen, von erhöhten Wasserleitungen über tiefe Stellen und Schluchten, sowie andere kostspielige Bauten nöthig sind, hängt einzig und allein von der Örtlichkeit ab.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 242-243.
Lizenz:
Faksimiles:
242 | 243
Kategorien: