[384] Carlos (Don), Infant von Spanien und Sohn König Philipp II., geb. 1545 zu Valladolid, der Held des Schiller'schen berühmten Trauerspiels und mehrer tragischer Dichtungen anderer Nationen, in denen aber Charakter und Lebensgeschichte des Prinzen, die erst in der neuesten Zeit zuverlässig aufgeklärt wurden, durchgängig unrichtig aufgefaßt sind. Wegen des frühen Todes seiner Mutter, Maria von Portugal, wurde der mit einem schwächlichen und selbst gebrechlichen Körper begabte C., an dem vorzüglich ein kurzes Bein und der übermäßig große Kopf auffielen, von der Infantin Johanna, Philipp's Schwester, erzogen, die durch zu weit getriebene Nachsicht die Entwickelung seines zu bösartiger Leidenschaftlichkeit geneigten Charakters nur zu sehr beförderte. Obgleich ihm daher Philipp II. im 15. Jahre von den Ständen des Reichs als Thronfolger die Huldigung leisten ließ, erkannte er doch dessen Untauglichkeit zu öffentlichen Geschäften und schickte ihn zu besserer Ausbildung auf die Universität Alcala de Henarez. Des Königs Wunsch scheint aber so wenig in Erfüllung gegangen zu sein, als ein hitziges Fieber, daß sich C. durch seine unbändigen Leidenschaften dort zuzog, bessernden Einfluß auf den Charakter desselben zu äußern vermochte. Er blieb vielmehr nach wie vor ein Spielball seiner Begierden, und trachtete, vielleicht von Schmeichlern und durch die Anerkennung als Thronfolger irre geleitet, nur nach Auszeichnung und Gewalt, ohne die Einsichten zu besitzen, um sie zu erwerben und zu handhaben. Sein Vater sah täglich mehr die Unfähigkeit C.'s zur Regierung ein, und ließ deshalb seine Neffen, die Erzherzoge Ernst und Rudolf, nach Spanien kommen, um diesen die Erbfolge zu sichern, was jenen nur noch unzufriedener machte. So wurden Vater und Sohn einander immer fremder, und letzterer hing abenteuerlichen Plänen nach, wollte sich zu den empörten Niederländern und zu den misvergnügten Italienern begeben, und warf endlich einen so bittern Haß auf Philipp, daß ihm in seiner zuweilen an Wahnsinn grenzenden Leidenschaftlichkeit drohende Äußerungen entschlüpft sein mögen. In Folge derselben wurde C. im Jan. 1568 des Nachts, in Gegenwart des Königs, in seinen Schlafzimmer verhaftet, aus dem vorher Graf Lerma alle Waffen entfernt hatte. »Ich bin des Todes«, rief C., als er aus tiefem Schlaf erwachend seinen Vater erblickte, der ihm versicherte, er komme nur, ihn als Vater zu züchtigen und zu seiner Pflicht zurückzuführen. In der strengen Abgeschlossenheit, die nun über C. verhängt wurde, betrug sich dieser ganz seinem Charakter gemäß, tobte, suchte sich durch Hunger, dann indem er sich ins Kaminfeuer stürzte, durch Verschlucken eines großen Diamants, durch den unmäßigen Genuß von Eiswasser u.s.w. ums Leben zu bringen, während die bei ihm gefundenen Papiere, welche Aufschlüsse über seine oben erwähnten Pläne enthielten, Gegenstand einer gerichtlichen Untersuchung wurden, in Folge deren C. des Majestätsverbrechens für überführt gehalten wurde. Bevor jedoch ein Urtheil gesprochen war, starb der Prinz an einer Krankheit, die ihm sein Benehmen zugezogen hatte, nach mehrtägigem Todeskampfe am 27. Jul. 1568. Er ließ schon am 21. durch seinen Beichtvater Philipp II. um Verzeihung und seinen Segen bitten, den ihm dieser noch in der letzten Nacht persönlich, jedoch unerkannt ertheilte und sich dann weinend entfernte. C. wurde seinem Range gemäß, doch ohne Leichenrede, im Dominikanernonnenkloster El Real zu Madrid bestattet, und für eine gewaltsame Todesart desselben sind bisher so wenig, wie für irgend ein zärtliches Verhältniß zwischen ihm und der Königin Elisabeth, seiner im October desselben Jahres an einer zu frühzeitigen Entbindung verstorbenen Stiefmutter, Beweise aufgefunden worden.