Doctor

[577] Doctor, ein dem Lateinischen entlehnter Ausdruck, ist eigentlich jeder Lehrer, wurde aber im 12. Jahrh. zuerst bei den Rechtsgelehrten auf der Universität Bologna (s.d.) Ehrentitel und eine Würde, zu welcher nur das Collegium der Lehrer erheben oder promoviren konnte. Bald nachher wurde die Doctorwürde auch bei den Theologen zu Paris, dann bei den Medicinern, zuletzt bei den Philosophen üblich; die engl. Universität Oxford und die preuß. Universität Halle ernennen auch Doctoren der Musik. In Deutschland ertheilte der Kaiser die Befugniß, Doctoren der Theologie und der Rechte zu ernennen, daher die Stiftung einer neuen Universität der kais. Erlaubniß bedurfte; auch ertheilten die Kaiser durch ihre Hofpfalzgrafen selbst die Doctorwürde und die deutschen Reichsgesetze wiesen den Doctoren ihren Rang über den bloßen Adeligen an und stellten sie den Rittern gleich. Die regelmäßige Ertheilung der Doctorwürde auf Universitäten findet auf feierliche Weise öffentlich statt; nachdem nämlich der sich darum Bewerbende, der vorher schon eine Prüfung bestanden, eine von ihm verfaßte gelehrte Abhandlung in lat. Sprache vertheidigt hat (s. Disputation), wird er vom Dekan der betreffenden Facultät feierlich mit der Doctorwürde bekleidet, wobei ihm ehedem allgemein der sogenannte Doctorhut, purpurroth und von viereckiger Gestalt, aufgesetzt wurde. Später empfängt derselbe noch von der Facultät eine Urkunde über seine neue Würde, das Doctordiplom. Auf außergewöhnliche Weise wird die Doctorwürde von Universitäten auch ohne die Erfüllung der obigen Formen an entfernte, sowie als bloße Ehrenbezeigung manchmal an hochgestellte und durch besondere Verdienste ausgezeichnete Personen verliehen; auch ist sie schon Frauen zu Theil geworden. So erhielt 1817 von der medicinischen Facultät zu Gießen Mariane Theodora Charlotte v. Siebold, geb. 1792, die, berühmt durch geschickte Ausübung der Geburtshülfe in Darmstadt lebt, die Doctorwürde in der Entbindungskunst.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 577.
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