Eulen

Eulen

[702] Eulen (die) sind nächtliche Raubvögel, haben gekrümmte Schnäbel, hinten mit vorwärtsstehenden Borsten und einer unvollständigen Wachshaut versehen, große, von steifen Federn kreisförmig eingefaßte Augen und bis an die Klauen befiederte Füße, deren äußere Vorderzehen sie beliebig hinter und vor bewegen können.

Die meisten gehen nur Abends oder in der Morgendämmerung und bei Mondschein auf Raub aus, indem ihr seines Gehör, im Zwielicht sehr scharfes Auge und ihr geräuschloser Flug sie befähigen, ihre Beute in der Ferne zu bemerken und auch zu überraschen. Ihr weiter Schlund erlaubt ihnen, kleine Thiere ganz zu verschlingen, die unverdaulichen Knochen, Federn und Haare brechen sie dann nach einiger Zeit wieder aus. Bei Nacht die gefährlichsten Feinde der Vögel, werden sie dagegen bei Tage, wo die Eulen meist in hohlen Bäumen, Felsenspalten, in altem Gemäuer und andern dunkeln Schlupfwinkeln schlafen, weil ihnen das ungewohnte Sonnenlicht zuwider ist, von andern Raubvögeln, von Krähen und selbst von Singvögeln mit lautem Geschrei verfolgt und geneckt und dadurch häufig den Jägern verrathen, die sich auch gezähmter Eulen bedienen, um Raubvögel und Krähen herbeizulocken und aus einem Versteck zu erlegen. Alle Eulen, die an den Seiten des Kopfs Federbüsche haben, heißen Ohreulen, die ohne Federbüsche glattköpfige Eulen. Zu den Ohreulen gehört auch die in Europa einheimische größte Art, der Uhu, welcher gegen zwei F. hoch wird und dann sechs F. mit ausgespannten Flügeln mißt. Sein Gefieder sieht an Kopf und Rücken rostbraun und schwarz geflammt, an der Brust heller und mit gezackten braunen Querstreifen geziert. Er nistet in Felsenklüften, bauet sich ein Nest von Reißig, dürren Blättern und Moos, raubt außer allem möglichen Geflügel auch junge Rehe, Hafen und kleine Säugethiere und hat seinen Namen von dem wie »Uhu, Buhu« lautenden Geschrei, das nebst der Gewohnheit der Eulen, mit den Schnäbeln zu knackern, zu dem Märchen vom wilden Jäger Veranlassung gegeben hat. Dem Uhu ähnlich, aber viel kleiner, ist die hier abgebildete südamerik. Ohreule; zu den glattköpfigen Eulen gehören dagegen die etwa einem Huhn an Größe gleichkommenden Schleiereulen, deren Name von den großen, haarähnlichen, weißlich und braungefleckten Federkreisen herrührt, welche die Augen schleierartig verhüllen und deren Gefieder bei gelblicher und grauer Grundfarbe sehr schön und regelmäßig dunkel gezeichnet ist. Sie sind in Europa, Asien und Amerika heimisch, nisten gern in Kirchthürmen, Scheunen und Ruinen und nützen [702] durch Vertilgung von Ratten, Mäusen, Maulwürfen, Amphibien und Insekten, rauben aber freilich auch Tauben und Singvögel. Der kleinste in Europa und Nordamerika lebende nächtliche Raubvogel ist die Sperlingseule, auch Käuzchen oder Todteneule genannt, der kaum wie eine kleine Taube groß wird, in hohlen Bäumen und alten Gebäuden nistet, bräunlich hellgraues, an Kehle und Brust weißes, an den Flügeln dunkelbraunes Gefieder hat und sich von Mäusen, Fledermäusen, kleinen Vögeln und Insekten nährt. Der Aberglaube hat den kläglichen Ruf dieses Vogels, der wie »kliab, klivit« klingt, in »komm mit« übersetzt und ihn thöricht genug zum Verkündiger des baldigen Todes von Kranken gemacht, vor deren Fenster ein Käuzchen ihn hören läßt, das gleichwol namentlich blos durch seinen feinen Geruch dahin angelockt wird, wo an Friesel und Faulfiebern Erkrankte sich befinden. – Sinnbildlich wird die Eule von Künstlern alter und neuer Zeit der Pallas Athene oder Minerva (s.d.) beigegeben, wenn sie als Göttin der Weisheit dargestellt werden soll, und das alte Sprüchwort »Eulen nach Athen tragen«, wo dieser Vogel in besonderm Ansehen stand und sein Bild häufig angebracht war, heißt etwas Überflüssiges thun. – Auch eine Familie meist großer und schöner Schmetterlinge, die nur in der Dämmerung schwärmen, wird mit dem Namen Eulen bezeichnet.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 1. Leipzig 1837., S. 702-703.
Lizenz:
Faksimiles:
702 | 703
Kategorien: