Minerva

Minerva

[148] Minerva nannten die Römer, Pallas und Athene die Griechen eine ihrer vorzüglichsten Gottheiten, von der Athen den Namen führte und in der die Alten sich die Idee des höchsten Verstandes und Scharfsinnes verkörpert dachten.

Sie war die Göttin der Weisheit, der umsichtigen Kriegführung und Erfinderin vieler für das Leben besonders nutzbarer Künste und Fertigkeiten und wird als ernste, blauäugige Jungfrau mit Helm und Speer, schuppigem Brustharnisch und Schild dargestellt, auf welchen letztern beiden meist ein Medusenhaupt (s. Medusa) angebracht ist. Als Helmschmuck oder sonst neben ihr erscheint häufig die ihr geweihete Eule, die als Sinnbild der Scharfsichtigkeit, weil sie im Dunkeln sieht, und der auch die Nacht in Anspruch nehmenden Forschungen der Schüler der Weisheit gedeutet wird; auch wurden ihr schon in der ältesten Zeit oft Spindel und Rocken beigegeben. Die Sage läßt die M. völlig gerüstet aus dem Haupte Jupiter's hervorgehen, dem sie später im Kampfe mit den Giganten (s.d.) durch Rath und That beistand. In den kriegerischen Unternehmungen Sterblicher lieh sie den Helden ihre Hülfe, stand dem Argus beim Baue des Schiffes der Argonauten (s.d.), dem Perseus [148] (s.d.) wider die Gorgonen, dem Achilles vor Troja bei, wo sie auch den wilden Mars (s.d.) zu Boden warf und die Veranlassung zur Verfertigung des großen hölzernen Pferdes war, durch welches Troja erobert wurde. Auch dem Odysseus war sie günstig, schützte seine Gattin und geleitete ihren Sohn Telemach in der Gestalt des Mentor (s.d.). Den Göttinnen verfertigte sie Gewänder und als die Weberin Arachne, der M. die Webekunst gelehrt, es ihr darin zuvor thun wollte, auf ihrem Gewebe. aber lauter Liebesgeschichten der Götter dargestellt hatte, zerriß es die alle Liebe verschmähende, ewiger Jungfrauschaft geweihte Göttin, und da Arachne sich aus Verdruß darüber erhängte, verwandelte sie dieselbe in eine Spinne. Der Lieblingsaufenthalt der M. war Athen, wo ihr berühmter, von Perikles (s.d.) erbauter Tempel in Bezug auf ihre Jungfräulichkeit Parthenon hieß, auf dessen östl. Giebelfelde durch Phidias (s.d.) ihre Geburt, auf dem westl. ihr Wettstreit mit Neptun darüber, wer der Hauptstadt von Attika den Namen geben werde, dargestellt war. Das beste Geschenk sollte darüber entscheiden und da jener das Pferd, Athene aber die Pflanzung und Nutzung des Ölbaums den Bewohnern darbrachte, ward ihr von den andern Göttern der Sieg zugesprochen. Ihre berühmtesten Feste zu Athen hießen Panathenäen. In Rom ward sie anfänglich nur als Kriegsgöttin, später aber als eine der ersten Schutzgöttinnen verehrt, ihr Fest jährlich unter dem Namen Quinquatrus fünf Tage lang begangen und der Haupttempel auf dem Capitol war nächst Jupiter und Juno auch ihr geweiht.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 148-149.
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