Faulfieber

[15] Faulfieber, fauliges Fieber wird eine meistens sehr gefährliche, mit einem aufgelösten Zustande des Blutes, Erschlaffung der festen Theile und großem Verfalle der Kräfte verbundene Krankheit genannt, die den ihr beigelegten Namen nur im uneigentlichen Sinne des Wortes verdient, da, wie bekannt, im lebenden Körper keine allgemein verbreitete Fäulniß stattfindet, häufig erst aus andern Krankheiten, aber unter Einwirkung besonderer Umstände, die ihre Entstehung begünstigen, auch, so zu sagen, von selbst entsteht, wenn sie einen gewissen Grad von Bösartigkeit erlangt, einen eigenthümlichen Ansteckungsstoff entwickelt, sich dann auch wol durch Vermittelung dieses weiter verbreitet und in der großen Mehrzahl der Fälle folgende Krankheitserscheinungen darbietet. Nachdem kürzere oder längere Zeit ein dumpfer, drückender Kopfschmerz, traurige, düstere Gemüthsstimmung, immer zunehmende Mattigkeit und Schmerzhaftigkeit der Gliedmaßen, blasse, erdfahle, bläuliche oder selbst schwärzliche Färbung der Haut, starkduftende Nachtschweiße, unruhiger, nicht erquickender Schlaf, geringe Eßlust mit fauligem Geschmacke im Munde und auffallender Abneigung gegen Fleischspeisen, aber desto größeres Verlangen nach säuerlichen Dingen, höchst übelriechende Ausleerungen durch Darmkanal und Harnblase vorausgegangen sind, tritt das Fieber selbst mit Frost, Schaudern und einer immer steigenden Hitze ein, welche letztere sich besonders dadurch auszeichnet, daß sie in der Hand eines Gesunden eine eigenthümliche prickelnde, selbst beißende Empfindung verursacht. Nun steigern sich alle oben angeführte Zufälle, die Benommenheit des Kopfes mehrt sich, das freie Bewußtsein trübt sich immer mehr, der Kranke versinkt in ein dumpfes Hinbrüten, sein Gesicht drückt große Traurigkeit aus, die Augen röthen sich oder färben sich wol auch gelblich, grünlich, verlieren ihren Glanz, thränen, [15] werden stier, schielend oder nach oben verdreht. Die Zunge belegt sich sehr stark, wird trocken und zitternd, das ganze Innere der Mundhöhle, die Lippen und Nasenlöcher bekommen ein schmuziges, rußiges Ansehen, der Athem, sowie alle Aussonderungsstoffe des Körpers verbreiten einen höchst übeln Geruch. Auf der trockenen oder von einem klebrigen, stinkenden Schweiße bedeckten Haut zeigen sich blaurothe Flecken, hin und wieder auch weiße Frieselbläschen. Das Athemholen wird stöhnend, röchelnd, die Stimme unverständlich, das Sprechen wol auch ganz unmöglich, Theile, welche gedrückt, dadurch wund oder sonst verletzt werden, gehen leicht in Brand über, im Munde entstehen Schwämmchen, es stellen sich erschöpfende Durchfälle und Blutungen aus allen natürlichen Öffnungen des Körpers ein. Das durch sie entleerte Blut erscheint sehr dunkel gefärbt, flüssiger als gewöhnlich, gerinnt nur schwer oder gar nicht und befindet sich in einem mehr oder weniger aufgelösten Zustande; es bilden sich Luft- und Drüsengeschwülste und unter nervösen Zufällen erfolgt der Tod. Selten nimmt das Faulfieber einen günstigen Ausgang, immer aber erholt sich der Kranke nur sehr langsam; häufig geht es in andere Krankheiten über und endet noch durch diese tödtlich oder hinterläßt wenigstens gern schlimme, meist unheilbare Übel, so z.B. Lähmungen verschiedener Art, Taubheit, Blindheit, Gedächtnißschwäche, mangelhafte Verdauung und Ernährung des Körpers, große Neigung zu Blutungen, wassersüchtige Anschwellungen, stark jauchende Geschwüre u.s.w., oder der Tod tritt wegen immer mehr überhandnehmender Erschöpfung ein; der Körper scheint sich gewissermaßen noch während des Lebens auflösen zu wollen. Die Leichen gehen außerordentlich schnell in Fäulniß über. Alles, was den Körper über die Gebühr schwächt, die gesunde Mischung der Säfte desselben verdirbt, daher namentlich schlechte, durch faulige Ausdünstungen verpestete Luft, der Genuß faulen oder von kranken Thieren gewonnenen Fleisches, gänzlicher Mangel an Pflanzenkost, dagegen ausschließliche Beköstigung mit gesalzenem Fleische, feuchte und zugleich warme Witterung bei tiefem Barometerstande, brandige und schlecht eiternde Wunden, fehlerhafte Behandlung anderer, namentlich galliger und nervöser Krankheiten begründen vorzugsweise eine Anlage zum Faulfieber, das dann durch einen Zufall zur Ausbildung kommt und um so gefährlicher wird, je schwächlicher der Körper des Patienten ist.

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 15-16.
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