Heinrich IV. [1]

[361] Heinrich IV., röm.-deutscher Kaiser von 1056–1106, war ein Sohn Kaiser Heinrich III. (reg. 1039–56) und wurde schon drei Jahre vor dem Tode seines Vaters zum Nachfolger auf dem Kaiserthrone erwählt. Er war 1050 geboren und mithin beim Tode seines Vaters kaum sechs Jahre alt. Der Erzbischof von Köln, Anno (s.d.), entführte den anfangs unter der Vormundschaft seiner Mutter Agnes stehenden jungen Fürsten bei Gelegenheit einer Luftfahrt auf dem Rhein und leitete als Erzieher desselben auch die deutschen Staatsangelegenheiten. Mit ihm theilte Macht und Einfluß Adalbert, Erzbischof von Bremen und Hamburg, und die Verschiedenheit der Charaktere dieser beiden Männer mußte auf H. von dem nachtheiligsten Einflusse sein. Während der strenge und ernste Anno den Knaben fast klösterlich erzog, war der verschlagene Adalbert, um sich bei ihm bleibend in Gunst zu setzen, gegen ihn mehr als billig nachsichtig. Nachdem 1065 H. auf dem Reichstage zu Goslar selbst die Regierung angetreten hatte, war Adalbert bis an seinen Tod 1072 unumschränkter Herr, und nur auf kurze Zeit gelang es den deutschen Fürsten, denselben durch gewaltsame Entfernung um seinen Einfluß zu bringen. Es ist unter Deutschland (s.d.) und Gregor VII. (s.d.) erzählt worden, wie H. mit seinen eignen Unterthanen und mit dem Papste in Streit gerieth. Der Papst fand zuerst durch H. selbst Gelegenheit, sich in die deutschen Angelegenheiten zu mischen. Die aufrührischen Sachsen hatten nämlich [361] den Kaiser mit Gewalt der Waffen zu einem Vergleich genöthigt, demgemäß die zur Bewachung des Landes vom Kaiser errichteten Schlösser, unter ihnen auch die Harzburg, zerstört werden sollten. Bei der letztern sollten jedoch gewisse zu ihr gehörige Gebäude und die Kirche verschont werden. Die Sachsen zerstörten jedoch auch diese und H. beschwerte sich über sie beim Papste als über Kirchenschänder. Zugleich aber kam H., obgleich sich die Sachsen zu Genugthuung erboten, mit einem mächtigen Heere, schlug sie und behandelte sie auf das härteste. Die Sachsen wendeten sich nun auch klagend gegen den Kaiser an den Papst. So kam es, daß Gregor VII. den Kaiser 1076 vor seinen Richterstuhl foderte und ihn, als er sich weder um diese noch um andere päpstliche Foderungen kümmerte, in den Bann that. Nach der Demüthigung zu Canossa besiegte H. zwar den Gegenkönig Rudolf von Schwaben, hielt sich siegreich gegen die neuen Gegner Hermann von Luxemburg und Markgraf Egbert von Thüringen, belagerte sogar Gregor VII. in Rom, nachdem er dessen Absetzung durchgesetzt, und ließ sich durch den von ihm zum Papst erhobenen Clemens III. zu Rom krönen, erlebte aber noch tiefen Kummer, als sein eigner Sohn Konrad, und nachdem dieser entwaffnet, auch sein zweiter Sohn Heinrich sich gegen ihn empörte. Der Letztere war auf H.'s eignen Betrieb 1097 zu seinem Nachfolger ernannt worden. Er trat an die Spitze der zahlreichen Unzufriedenen, bemächtigte sich 1105 seines Vaters und nöthigte ihn, zu Ingelheim die Regierung niederzulegen. Vergebens versuchte H. nochmals die Macht an sich zu reißen, er starb arm, verlassen und noch im Banne 1106 zu Lüttich und erst fünf Jahre später durfte sein Leichnam, mit Bewilligung des Papstes, zu Speier feierlich begraben werden.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1838., S. 361-362.
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