[480] Jahn (Friedr. Ludw.) ist ein Mann, der durch seine Begeisterung für deutsches Vaterland und deutsche Sprache, sowie durch sein Streben neben der geistigen Erziehung auch eine naturgemäße Pflege und Kräftigung des Körpers wieder einzuführen, um seine Zeitgenossen sich große Verdienste erworben hat, der aber in dem Eifer für seine Pläne vielfach zu weit gegangen ist, sodaß er sich Verfolgungen aussetzte, wegen welcher man den hochherzigen und biedern Mann nur bedauern kann. I. wurde 1778 als Sohn eines Landpredigers in Pommern geboren, studirte dann in Jena und Halle und besuchte noch verschiedene andere Universitäten, schon damals eifernd gegen die unpatriotische Gesinnung, nach welcher sich die Studirenden auf den Universitäten in sogenannte Landsmannschaften vereinigten, als ob nur die Provinz, aus der sie stammten, nicht das gesammte Deutschland ihr Vaterland wäre. Im J. 1809 wurde I. Lehrer der Gymnastik bei einem Institute in Berlin und bald arbeitete er seinen Plan aus, dem er durch seine 1811 errichtete öffentliche Turnanstalt zu verwirklichen dachte. Die Erniedrigung Deutschlands unter dem Schwerte eines übermüthigen Siegers, des franz. Kaisers, hatte in I. nämlich den Gedanken lebendig gemacht, daß eine bessere Zeit, eine Zeit vaterländischer Freiheit, von einer geistigen wie körperlichen Ermannung der deutschen Jugend zu erwarten sei. Nur durch die letztere konnte nach seiner Überzeugung die erstere gedeihen und zugleich durch ein Abthun alles Dessen, was dem Aufkommen vaterländischer Gesinnung im Wege stand, besonders der Nachahmungssucht des Auslandes in Kleidung, Sitten und Sprachen. Er hatte sehr richtig bemerkt, daß, wenn sich ein Volk erst seiner Eigenthümlichkeiten begibt, um dafür die eines andern anzunehmen, es dann diesem andern in Wahrheit schon unterthan ist, und daß es ihn bei der ersten äußern Veranlassung auch als Staat unterthan werden muß. Die Turnkunst sollte nun die Kraft des Volks üben und erneuen, und durch Reden und Schriften eiferte I. heftig gegen die Ausländerei und drang vornehmlich auf Wiederherstellung einer reindeutschen Sprache. Als 1813 der Kampf gegen Frankreich losbrach, hatte Mancher aus I.'s Umgang und Schriften eine auf Überzeugung gegründete Begeisterung geschöpft und I. selbst zog als Freiwilliger mit in den Freiheitskampf. Nach seiner Rückkehr aus dem Kriege wurde I. vom Staate als Turnlehrer besoldet und hielt seit 1817 zu Berlin Vorlesungen über deutsches Volksthum. Bekanntlich aber wurden schon 1819 die Turnplätze geschlossen und es begannen die Untersuchungen wegen staatsgefährlicher Verbindungen und Gesinnungen, in welche auch I. und seine Anhänger verflochten wurden. Gewiß ist es, daß die von I. bekannte Gesinnung, nach welcher offen das Streben nach möglichster Vereinigung Deutschlands bekannt wurde, leicht einen Charakter annehmen konnte, der dem einmal bestehenden und nicht so leicht, wie sich jugendliche und kampfesmuthige Begeisterung vorspiegeln mochte, zu ändernden Staatsverhältnissen entgegen und der gesetzmäßigen Ausbildung der einzelnen Staaten hinderlich war. I. wurde, als er eben im Begriff war, einem Rufe als Professor nach Greifswald zu folgen, im Jul. 1819 als demagogischer Umtriebe verdächtig gefangen genommen und erst nach Spandau, dann nach Küstrin gebracht und endlich in Berlin in Untersuchung gezogen. Da man keine thatsächlichen Beweise seiner Schuld aufbringen konnte, so schickte man ihn unter Belassung seines ihm bisher vom Staate ertheilten Gehalts 1820 als Festungsgefangenen nach Kolberg bis zu erfolgter Entscheidung. Nachdem ihm das Oberlandesgericht zu Breslau 1824 zweijährigen Festungsarrest zuerkannt hatte, sprach im folgenden Jahre das Oberlandesgericht zu Frankfurt a. d. O. das Urtheil aus: »Daß I. von der Anschuldigung durch freche Äußerungen über die bestehende Verfassung und Einrichtung des preuß. Staats Misvergnügen und Unzufriedenheit erregt zu haben, freizusprechen sei.« I. hielt sich nun nach seiner Freigebung erst zu Freiburg an der Unstrut, dann zu Kölleda in der preuß. Provinz Sachsen auf, und hat sich weder in seiner Gesinnung noch in seiner äußern Erscheinung geändert. Er trägt noch die Turnerkleidung und ist zuweilen, freilich die neuern Bestrebungen der Zeit von seinem bereits veralteten Standpunkte aus verkennend, noch in Schriften gegen solche Richtungen aufgetreten, in denen er eine Wiederannäherung an die gefährliche Ausländerei wahrnahm. Unter seinen Schriften sind auszuzeichnen: »Das deutsche Volksthum« (Lübeck 18102 Aufl., 1817); »Deutsche Turnkunst« (herausgegeben mit Eiselen, Berl. 1816); »Runenblätter« (Naumburg 1814); »Neue Runenblätter« (Naumb. 1828); »Werke zum deutschen Volksthum« (Hild. burghausen 1833).