Moses Mendelssohn

[200] Moses Mendelssohn, ein ausgezeichneter Philosoph, geb. 1729 zu Dessau, war der Sohn eines unbemittelten jüd. Schulmeisters mit Namen Mendel, der ihm zwar Anleitung zur jüd. Gelehrsamkeit geben, aber keineswegs eine sonst gelehrte Erziehung ertheilen lassen konnte. M.'s geistiger Beruf überwand aber durch Beharrlichkeit alle Hindernisse und schon in früher Zeit studirte er so angestrengt, daß er sich eine Nervenkrankheit zuzog, deren unglückliche Behandlung eine Krümmung des Rückgraths und eine für immer geschwächte Gesundheit hinterließ. Erst in Berlin, wohin er sich 1745 ohne Aussicht auf gewissen Unterhalt wendete, erhielt M. Gelegenheit, theils durch eignen Fleiß, theils mit Hülfe Anderer sich in alten und neuern Sprachen, in der Mathematik und Philosophie zu unterrichten. Zugleich fand er im Hause eines reichen jüd. Seidenfabrikanten Aufnahme, der ihn erst als Lehrer seiner Kinder, nachher als Factor anstellte und endlich zum Theilhaber seines Geschäfts machte. Durch das Schachspiel erwarb M. 1754 Lessing's Bekanntschaft, der zeitlebens in freundschaftlichen Beziehungen zu ihm blieb und wesentlichen Einfluß auf seine Fortbildung hatte. Die Philosophie und von den Zweigen derselben vorzüglich Psychologie, Ästhetik und Moral, ward jetzt der Hauptgegenstand seiner Bestrebungen. Als Schriftsteller trat er zuerst mit seinen »Briefen über die Empfindungen« (Berl. 1755) auf, nahm später bedeutenden Antheil an den von Nicolai und Lessing herausgegebenen »Literaturbriefen« und gewann den von der berliner Akademie 1763 für Beantwortung der Frage »Über die Evidenz (zuverlässige Erkenntniß) der metaphysischen Wissenschaften« ausgesetzten Preis. Die ausgezeichnetsten Gelehrten schenkten M. ihre vertraute Freundschaft und die berliner Akademie setzte ihn einstimmig auf die Liste ihrer neu zu ernennenden Mitglieder, wo er aber durch König Friedrich den Großen gestrichen wurde, was M. zu dem Geständniß veranlaßte: »Nur wenn die Akademie mir das gethan hätte, würde es mich schmerzen.« Die hohe Achtung, welcher M. sich als Mensch und als Gelehrter erfreute, konnte ihn jedoch nicht vor zudringlichen Bekehrungsversuchen Lavater's schützen, und der Verdruß darüber zog ihm eine schwere Krankheit zu. M.'s Darstellung ist klar, einfach und gefällig, und um die Ausbildung der deutschen Sprache hat er sich wesentliche Verdienste erworben, wie denn auch seine berühmte Schrift: »Phädon, oder über die Unsterblichkeit der Seele«, der erste gelungene Versuch im philosophischen Dialog oder Gespräch im Deutschen ist, wobei ihm namentlich Plato (s.d.) als Muster diente. Auf die Bildung seiner Glaubensgenossen übte M. einen wichtigen Einfluß, so wenig er aber als aufgeklärter Denker die Vorurtheile derselben schonte, hielt er sich doch an ihre Religionsgebräuche und erkannte im A. T. die in ehrwürdige Formen eingekleidete Grundsätze der natürlichen Religion, zu der ihn die Philosophie geführt hatte. M. starb 1786 und die hundertjährige Feier seiner Geburt im J. 1829 zu Dessau, Berlin und Altona ward Veranlassung, daß neuerdings eine Sammlung theils noch ungedruckter, theils in andern Schriften zerstreuter Aufsätze und Briefe von ihm, an und über ihn (Lpz. 1831) und seine sämmtlichen Werke in einem Bande (Wien 1838) erschienen.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 200.
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