Oberlin

Oberlin

[318] Oberlin (Joh. Friedr.), Pfarrer im Steinthale bei Strasburg, dessen eigenthümliches und erfolgreiches Wirken für das äußere und innere Gedeihen einer hülfsbedürftigen Gemeinde die bewundernde Aufmerksamkeit des gebildeten Europa erregt hat, war am 31. Aug. 1740 zu Strasburg geboren und trat nach zurückgelegten theologischen Studien und nachdem er einige Zeit Hauslehrer gewesen war, 1766 das Pfarramt in dem fast ganz von Lutheranern bewohnten Waldbach im Steinthale an, die seit der franz. Besitznahme des Elsaß volle Glaubensfreiheit genossen hatten.

Dies Thal enthielt zwei Kirchspiele mit etwa 100 Familien, welchen ihre rauhe Heimat nur den dürftigsten Unterhalt gewährte und die bei der Abgelegenheit derselben in Allem weit hinter der Zeit zurückgeblieben waren, auch an großer sittlicher Verwahrlosung litten. Die von Grund aus und durch frühern Verkehr mit pietistischen Sekten genährte, schwärmerische Gemüthsrichtung O.'s verhinderte ihn jedoch nicht, seine menschenfreundlichen Bemühungen zur Verbesserung der Lage seiner Gemeinde ebenso sehr auf die von seinem Vorgänger im Amte schon begonnene geistige Erhebung derselben, wie auf deren Anleitung zu einer zweckmäßigen, ihre äußern Verhältnisse im Leben verbessernden Thätigkeit zu richten. Mit Aufopferung eines großen Theils von seinem, noch keine 300 Thlr. betragenden Einkommen und stets persönlich mit Hand anlegend, brachte er die Dörfer seines Kirchspiels durch Anlegung neuer Wege sowol unter sich wie mit der Umgegend in nähern Verkehr, führte ortsgemäße Verbesserungen der Landwirthschaft ein, wobei er überall mit dem Beispiele voran- und den Leuten mit Werkzeugen, Sämereien und Rath überall zur Hand ging, auch junge Leute in Strasburg geeignete Handwerke erlernen ließ. Gleiche Sorge widmete er der Jugend, indem auf seinen Betrieb in allen Dörfern die Erbauung von Schulhäusern ermöglicht und schon 1784 für die noch nicht schulfähigen Kinder der von zu Hause durch ihre Arbeiten entfernten Ältern Bewahranstalten einrichtete, für welche ihm seine Frau die Aufseherinnen bilden half. Im elften Jahre seiner Amtsführung konnte O. eine Ackerbaugesellschaft stiften, welche mit dem strasburger landwirthschaftlichen Vereine in Verbindung trat; von Freunden unterstützt, wurde eine Sammlung nützlicher Bücher angelegt, welche von Haus zu Haus gelesen wurden und auf dieselbe Art die Anschaffung von Hülfsmitteln für den Unterricht ermöglicht. Beraubte auch die franz. Revolution O. seines Einkommens als Pfarrer, so blieben doch der Gottesdienst und seine ganzen Einrichtungen im Steinthale, dessen Bewohner freiwillig für seinen Unterhalt sorgten, ungestört. Später entsagte er ausdrücklich jeder festen Besoldung und überließ es Jedem, für ihn, für die Schulen und zu wohlthätigen Zwecken beliebig beizutragen. Endlich vermochte aber die Landwirthschaft die auf 3000 Köpfe gewachsene Bevölkerung des Steinthals nicht mehr zu ernähren, worauf das Strohflechten, Baumwollspinnen und Weben eingeführt wurde und als der letztere Erwerbszweig durch die aufkommende Maschinenweberei aufhörte, brachte die von einem Baseler ins Steinthal verpflanzte Bandmanufactur neue Erwerbsquellen. Auch schriftstellerische Arbeiten beschäftigten O., besonders im hohen Alter, und nach seinem am 1. Juni 1826 erfolgten Tode begleiteten ihn eine große Menge Protestanten und Katholiken aus der Umgegend in brüderlicher Eintracht zu seiner Ruhestätte, welche auf dem Kirchhofe zu Fouday ein Kreuz mit der Inschrift »Vater Oberlin« bezeichnet. Mehr über sein Wirken enthält »O.'s Leben« von Lutherot (aus dem Französischen übersetzt, Strasb. 1826); Schubert's »Züge aus dem Leben O.'s« (4. Aufl., Münch. 1832) und dessen »Aus dem Nachlasse eines Visionnairs, des I. F. Oberlin« (Lpz. 1837).

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 3. Leipzig 1839., S. 318.
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