[632] Raynal (Guillaume Thomas), einer von den berühmtesten philosophischen Politikern und Geschichtschreibern der Franzosen des vorigen Jahrh., geb. 1711 zu St.-Geniez in Guienne, jetzt Departement Aveyron, erhielt seine gelehrte, auf den geistlichen Stand berechnete Bildung bei den Jesuiten in Toulouse und trat frühzeitig in diesen Orden. Später war er einige Zeit Pfarrer an einer Kirche in Paris, allein um 1746 verließ er den Jesuiterorden und widmete sich seitdem ausschließend philosophischen und geschichtlichen Forschungen, gab auch bis 1753 mehre geschichtliche Schriften heraus, von denen einige den Grund zu seinem Rufe legten. Dieser wurde jedoch erst durch R.'s berühmtes Werk »Über die Geschichte der Colonien und des Welthandels der Europäer« auf den höchsten Gipfel gesteigert, das 1771 in sieben Bänden (deutsch, Hanov. 1774) herauskam. Es war die Frucht eines beinahe zwanzigjährigen [632] Fleißes des Verfassers, welcher in den vertrautesten Beziehungen mit jenen unter dem Namen der Encyklopädisten (s. Encyklopädie) bekannten franz. Gelehrten stand, und enthält neben einer außerordentlichen Menge von Angaben und Belegen aller Art die kühnsten Foderungen in Bezug auf Menschenwerth und Menschenrechte. Als aber 1781 eine zweite Ausgabe davon erschien, fanden die pariser Theologen und das Parlament die darin enthaltenen Äußerungen über Regierungen und Religion so anstößig, daß es verboten und verbrannt und R. des Landes verwiesen wurde. Allein er fand im Auslande nur eine um so ehrenvollere Aufnahme, lebte einige Zeit bei Friedrich dem Großen in Berlin, erhielt vom brit. Parlamente die Ehre zuerkannt, an seinen Sitzungen Theil zu nehmen und ein kriegsgefangener Neffe R.'s ward seinetwillen vom engl. Ministerium sogleich wieder freigegeben. Nach erhaltener Erlaubniß kehrte er 1785 nach Frankreich zurück und starb 1796 bei Paris, nachdem er noch den Kummer erlebt hatte, seine und seiner Freunde Ideen während der Revolution, welche ihm auch sein Vermögen raubte, in der schrecklichsten Ausartung theilweise verwirklichen zu sehen. Das franz. Nationalinstitut ernannte ihn kurz vor seinem Tode noch zum Mitgliede, was die Akademien zu Berlin und London schon früher gethan hatten.