[703] Richard I., von 1189–99 König von England, erhielt wegen seines glänzenden Muthes und seiner Kühnheit den Beinamen Löwenherz und war der Sohn und Nachfolger König Heinrich II., gegen den er sich bei dessen Lebzeiten aber nicht sehr pflichtmäßig betragen hatte.
Seine Prachtliebe nöthigte ihn bald nach der Thronbesteigung, sich die Mittel dazu auf außerordentlichen Wegen durch Verkauf der Einkünfte der Krone, selbst der Staatsämter und mittels drückender Erpressungen zu verschaffen. Von dem Enthusiasmus seiner Zeit für Eroberung des gelobten Landes ergriffen, vereinigte er sich mit König Philipp II. von Frankreich zu einem Kreuzzuge und traf über Marseille, Sicilien und Cypern 1191 vor Acre ein, dessen Einnahme hauptsächlich durch R.'s Tapferkeit bewirkt wurde. Bei einem der Angriffe auf die Stadt hatte der an der Belagerung Theil nehmende Erzherzog Leopold von Östreich einen Thurm erobert und dort seine Fahne aufstecken lassen. Das fand aber R. beleidigend, weil zwei Könige beim Heere wären und ließ durch seine Leute die östr. Fahne herunterwerfen, wofür sich Leopold später rächte. Nach Vollbringung glänzender und rühmlicher Thaten trat nämlich R. 1192 die Heimreise aus dem Morgenlande an, ward auf dieser durch einen Sturm an die dalmatische Küste verschlagen und litt dort Schiffbruch. Als Pilger gekleidet setzte er nun seinen Weg zu Lande durch das östr. Gebiet fort, ward hier erkannt, vom Erzherzog Leopold gefangen genommen und auf der Burg Dürrenstein (s. Erzherzogthum Östreich) verwahrt, später aber an Kaiser Heinrich VI. ausgeliefert. Dieser hielt ihn noch über ein Jahr lang zu Worms, Mainz und auf dem Schlosse Trifels fest und gab ihn erst am 2. Febr. 1194 gegen. ein Lösegeld von 150,000 Mark Silber, wovon der Herzog das Drittel bekommen sollte, und nicht ohne nachdrückliche Vorstellungen der deutschen Reichsfürsten frei. Eine unverbürgte Sage schreibt indeß seine Rettung aus der Hast R.'s vertrautem Diener und Musikmeister Blondel zu, welcher nach langem Umherziehen auch in die Gegend von Dürrenstein gekommen sei und von dem vornehmen Gefangenen gehört habe, welcher auf der Burg verwahrt werde. Um zu erfahren, ob das sein Herr sei, schlich er in der Nähe der Burg umher und vernahm eines Tages eine von ihm leicht erkannte Stimme aus einem der Thürme, welche ein Lied zu Ende sang, dessen erste Strophe er absichtlich begonnen hatte. Hierauf soll es ihm auch gelungen sein, R.'s Flucht zu bewerkstelligen und er ward deshalb nur der »treue Blondel« genannt. Im J. 1194 kam R. nach England zurück, wo sein Bruder Johann das Gerücht von seinem Tode verbreitet und Alles gethan hatte, um den Thron sich zu erhalten. Bei R.'s Ankunft aber unterwarf sich diesem das Land in kurzer Zeit, aber schon im folgenden Jahre ward er in einen Krieg mit Frankreich verwickelt, der ihm Gelegenheit zu Erwerbung neuen Kriegsruhms gab und mit mancherlei Unterbrechungen bis 1199 dauerte. Bevor jedoch R. nach England zurückkehrte, ward er noch bei der Belagerung eines widerspenstigen Edelmanns im Schlosse Chalus[703] durch einen Pfeilschuß am Halse verwundet und starb elf Tage nachher, nachdem er seinen Bruder Johann zum Erben eingesetzt und verordnet hatte, daß man seinen Leichnam zu Füßen des Sarges seines von ihm schwer gekränkten Vaters in Fontevrault beisetze, seine Eingeweide aber zu Charonne, dessen Bewohner nichts Besseres wegen ihrer Treulosigkeit von ihm verdienten, und sein Herz in Rouen beerdigen solle, welche Stadt dasselbe wegen ihrer Anhänglichkeit an ihn immer besessen habe. Von Person war R. gut gewachsen, hatte leuchtende blaue Augen, hellblondes, ins Röthliche spielendes Haar, war ein Muster der Ritterlichkeit seines Zeitalters, und Dichter und Sänger, deren er immer an seinem Hofe eine Menge versammelte, priesen seine Thaten. Die Sage von R.'s Befreiung durch Blondel hat den Stoff zu der Oper »Richard Löwenherz«, von Grétry, geliefert.