[418] Thiersch (Friedr. Wilh.), einer der ausgezeichnetsten neuern Philologen, wurde 1784 zu Kirchscheidungen bei Freiburg an der Unstrut geboren und erhielt seine erste gelehrte Bildung auf der Schule zu Naumburg, zu Schulpforte und seit 1804 zu Leipzig, wo er sich dem Studium der Theologie widmete. Er begleitete dann zwei Liefländer nach Göttingen und wurde hier durch den berühmten Heyne noch genauer mit dem classischen Alterthume bekannt. Er wurde darauf Hülfslehrer am Gymnasium zu Göttingen und Docent bei der Universität, folgte aber einem Rufe als Professor an einem Gymnasium zu München. Obschon er als Gelehrter geachtet und anerkannt wurde, so fand er doch als Norddeutscher auch viele Gegner, und die Erbitterung gegen ihn ging so weit, daß 1810 sogar sein Leben durch Meuchelmord bedroht wurde. Er erhielt nachher den ehrenvollen Auftrag, die Prinzessinnen in der Geschichte und Literatur zu unterrichten, und gründete das philologische Institut, welches [418] 1812 zu einer Staatsanstalt erhoben und mit der Akademie in Verbindung gebracht wurde, deren Mitglied T. war. Nachdem er schon 1813 sich einige Zeit in Paris aufgehalten hatte, kehrte er 1814 dahin zurück, um im Auftrage der Regierung die unter Napoleon's Herrschaft aus Baiern entführten Kunstschätze zurückzufodern. Als Napoleon von Elba zurückgekehrt war, wurde T. einige Zeit in seinem Geschäfte aufgehalten, nachdem er es aber zu Ende geführt, reiste er über England zurück. Besonders lebhaften Antheil nahm T., wie früher an der Befreiung Deutschlands, später an der Wiedergeburt Griechenlands. Schon seit 1812 strebte er nach einer wissenschaftlichen Verbindung Griechenlands mit Deutschland; er erichtete eine Erziehungsanstalt für junge Griechen, welche er Athenäum nannte, und nachdem sich die Griechen mit den Waffen in der Hand gegen ihre Unterdrücker erhoben, wollte T. eine deutsche Legion errichten und mit ihr für die Freiheit Griechenlands wirken, wurde hieran jedoch durch seine Pflichten als bair. Staatsbürger gehindert. Im J. 1826 wurde T. Professor an der münchner Universität und 1831 ging er nach Griechenland, wo er großen Einfluß auf die griech. Staatsangelegenheiten gewann und zur Erwählung des bair. Prinzen Otto zum Könige von Griechenland mitwirkte. Im folgenden Jahre kehrte er nach Deutschland zurück. Eine Frucht der Reise nach Griechenland war sein franz. geschriebenes Werk: »Über den Zustand Griechenlands« (2 Bde., Lpz. 1833). Früher hatte er sich besonders durch seine »Griechische Grammatik«, seine Ausgabe des »Pindar« mit deutscher Übersetzung, sein Werk »Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen«, seine »Reisen in Italien seit 1821« und seine Schrift »Ueber gelehrte Schulen« bekannt gemacht. In dem letztern Werke gab T. in dem Streite, ob in dem öffentlichen Unterrichte das Studium der Alten mehr oder weniger durch die sogenannten Realwissenschaften zu verdrängen sei, zu Gunsten jener seine gewichtige Stimme ab. In neuester Zeit hat sich T. durch Gründung und lebhafte Theilnahme an der Förderung des Vereins deutscher Philologen und Schulmänner neue Verdienste um Wissenschafts- und Unterrichtswesen erworben.