Thiersch

[526] Thiersch, 1) Friedrich Wilhelm, geb. 17. Juni 1784 in Kirchscheidungen bei Freiburg an der Unstrut, erhielt seine wissenschaftliche Vorbildung auf dem Gymnasium in Naumburg u. auf der Landesschule Pforta, studirte 1804–1807 in Leipzig Theologie, wurde 1807 Hülfslehrer am Gymnasium zu Göttingen u. 1809 Professor am Lyceum zu München; hier fand er, als Protestant, viele Anfechtungen u. 25. Fevr. 1811 wurde sogar ein Mordangriff auf ihn versucht. Bald darauf stiftete er ein Philologisches Institut, welches 1812 als Seminar mit der Münchener Akademie der Wissenschaften, später mit der Universität vereinigt wurde. Zur Zeit der Freiheitskriege suchte er die Jugend für das Vaterland zu begeistern u. nahm 1814 auch an den militärischen Übungen der Studenten Theil; 1815 ging er als baierischer Commissär zur Reclamation der von den Franzosen geraubten Kunstschätze nach Paris; auch wurde er Lehrer der königlichen Prinzessinnen in der Geschichte, Literatur u. Alterthumskunde. 1815–18 leitete er das Athenäum, eine Erziehungsanstalt für junge Griechen in München. 1822 u. 1823 bereiste er Italien. Einen vorzüglichen Namen erwarb er sich aber durch sein Wirken für Griechenland u. dessen wissenschaftliche Verknüpfung mit Deutschland (Hetärie der Musenfreunde in Wien). Als 1826 die Universität von Landshut nach München verlegt wurde, erhielt T. die Professur der alten Literatur u. das Directorium des Philologischen Seminars. 1831 reiste er nach Griechenland, wo er nach Capodistrias Ermordung Antheil an der Regierung nahm u. durch seinen Einfluß bes. mit zur Erwählung des Prinzen Otto von Baiern als König von Griechenland beitrug. 1832 kehrte er nach Deutschland zurück u. lebte als Hofrath u. Mitglied des obersten Kirchen- u. Schulraths in München, wurde nach Schelling's Abgang auch Präsident der Akademie der Wissenschaften, welches Amt er bis 1860 bekleidete, u. st. 25. Febr. 1862 in München. T. hat sich bes. für die Verbesserung der Gelehrten Schulen in Baiern verdient gemacht, welche Wirksamkeit ihm seit der Thronbesteigung des Königs Ludwig 1825 ermöglicht wurde. Er schr.: Betrachtungen über die angenommenen Unterschiede zwischen Nord- u. Süddeutschland, Münch. 1810; Griechische Grammatik für Anfänger, Lpz. 1812, 4. Ausg. 1855; Griechische Grammatik, vorzüglich des Homerischen Dialektes, Lpz. 1812, 3. A. 1826; Über die Gedichte des Hesiod, Münch. 1814; Reisen in Italien, Lpz. 1826; Über die Epochen der bildenden Kunst unter den Griechen, Münch. 1816–25, 2. Ausg. 1829; Über gelehrte Schulen, Stuttg. 1826–37, 3 Bde.; Sur l'état actuel de la Grèce, Lpz. 1834, 2 Bde.; Über die neuesten Angriffe auf die Universitäten, ebd. 1837; Über den gegenwärtigen Zustand des öffentlichen Unterrichts in den westlichen Staaten von Deutschland, Holland, Frankreich u. Belgien, Stuttg. 1838, 3 Thle.; Geschichte des Jahres 1837, ebd. 1839; Über Protestantismus u. Kniebeugung im Königreich Baiern, Marb. 1844; Allgemeine Ästhetik in akademischen Lehrvorträgen, Berl. 1846; gab den Pindar mit deutscher Übersetzung heraus, Lpz. 1820, 2 Bde.; u. besorgte die Herausgabe der Acta philologorum Monacensium (Schriften des philologischen Instituts enthaltend), 1811–26, 3 Bde. 2) Bernhard, Bruder des Vorigen, geb. 26. April 1794 in Kirchscheidungen, wurde 1816 Oberlehrer am Gymnasium in Gumbinnen, dann zu Lyck im Posenschen u. 1823 zu Halberstadt, 1832 Director des Gymnasiums in Dortmund u. starb, in den Ruhestand getreten, am 1. Sept. 1855 in Bonn, wo ihm der König von Preußen ein Denkmal setzen ließ. Er schr. u.a.: Über die Urgestalt der Odyssee, Königsb. 1821; Über das Zeitalter u. Vaterland Homers, Halberst. 1824, 2. A. 1832; Geschichte von Dortmund, Dortm. 1835; u. gab mit Ranke den Aristophanes (Lpz. 1830, 2 Bde.) heraus; er ist auch Verfasser des Preußenliedes (Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben). 3) Heinrich Wilhelm Josias, ältester Sohn von Thiersch 1), geb. 5. Nov. 1817 in München, studirte 1833–1835 Philologie in München u. 1835–37 Theologie in Erlangen, wurde 1838 Lehrer an der Evangelischen Missionsanstalt in Basel, 1839 Repetent u. Privatdocent der Theologie in Erlangen u. 1843 Professor der Theologie in Marburg. Er stand bereits im Verkehr mit den Apostolischen Gemeinden in England u. Schottland, in welchen er die Wiederherstellung der Kirche nach ihrem ursprünglichen Muster erkannte. Nach einem Besuche in England 1849 legte er seine Professur nieder u. übernahm eine Stelle als Pastor in den sich damals in Norddeutschland bildenden Gemeinden jener Richtung. Er habilliirte sich 1853 wieder in derphilosophischen Facultät, doch erst 1859 wurde ihm die Erlaubniß gewährt davon für die Fächer der Klassischen Literatur u. Geschichte Gebrauch zu machen. Er schr.: De pentateuchi versione alexandrina 1840; Hebräische Grammatik 1842; Versuch zur Herstellung des historischen Standpunktes für die Kritik der neutestamentlichen Schriften, Erl. 1845; Einige Worte über die Echtheit des N. T., 1846; Vorlesungen über Katholicismus u. Protestantismus, 2 Bde. 1846, 2. A. 1848; (ins Holländische übersetzt von A. van Toorenenbergen, Utr. 1849); Die Kirche im Apostolischen Zeitalter, Frankf. 1852 (ins Englische übersetzt von Thom. Carlisle, Lond. 1854);. Erinnerungen an E. A. von Schaden, 1853; Über christliches Familienleben, 1854, 4. A. 1859 (übersetzt ins Dänische von I. M. L. Hjort, Kopenh. 1855, ins Englische von S. Gardiner, Lond. 1856, u. ins Holländische).

Quelle:
Pierer's Universal-Lexikon, Band 17. Altenburg 1863, S. 526.
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