[444] Todesstrate (lat. poena capitalis) wird nach den meisten Gesetzgebungen namentlich über diejenigen Verbrecher verhängt, welche die Existenz der als Staat bestehenden, auf Gesetze sich gründenden bürgerlichen Gesellschaft aufzuheben unternehmen, also namentlich gegen Mörder, welche den Einzelnen seines Daseins in der menschlichen Gesellschaft beraubt haben, und gegen Hochverräther, welche die Existenz des Staats selbst bedrohen. Außerdem wurde früher auch der Todtschlag (s.d.) mit dem Tode bestraft, und Solche, welche offenbar einen Beruf daraus machen, die bürgerliche Gesellschaft zu unterminiren, Banditen und Räuber, auch wenn ihnen die Begehung eines Mordes nicht nachgewiesen werden konnte, sowie man auch das Streben, die kirchliche Gemeinschaft zu zerstören, mit dem Tode bestrafte. Im Militair, namentlich in Kriegszeiten, tritt die Todesstrafe mit Recht noch jetzt häufiger ein als beim Civilstande, weil jenem die Vertheidigung der Existenz des Staats anvertraut ist, also eine grobe Vernachlässigung ihrer Pflicht, besonders Desertion, Verrath an den Feind, grobe Subordinationsvergehen u.s.w., stets ein Verbrechen ist, welches die Existenz des Staats bedroht. Die Todesstrafe ist nothwendig und rechtmäßig, wenn man überhaupt annimmt, daß die Strafe (s.d.) auf dem Rechte der Selbsterhaltung des Staats beruht und nur dann eine angemessene ist, wenn sie dem Verbrechen so genau als möglich entspricht. Wenn man in neuerer Zeit häufig gegen die Todesstrafe gesprochen und geschrieben hat, so ist dieses von Standpunkten geschehen, welche dem eben angegebenen fremd sind. Man ist z.B. von der Ansicht ausgegangen, daß der Staat auf einem gesellschaftlichen Vertrage beruhe und daß Niemand vertragsmäßig einwilligen könne, in gewissen Fällen (bei gewissen Verletzungen des bestehenden Übereinkommens) den Tod erleiden zu wollen. Nach dieser Ansicht sprechen die Gesetze aus, worüber man vertragsmäßig übereingekommen; der Mensch hätte ursprünglich das Recht, ganz nach seiner Willkür zu leben, und hätte sich dieses Gesetzes zu Gunsten der Gesellschaft theilweise begeben; die Gesetze sprächen dann nichts Anderes als eben diese Rechtsbegebungen aus. Diese Ansicht ist unhistorisch, denn kein Staat ist noch durch bloßen Vertrag zu Stande gekommen, und des vernünftigen Geistes, welcher sich seiner Freiheit nicht entäußern kann, ohne das größte Verbrechen gegen sich selbst zu begehen, unwürdig. Vielmehr gelten die Gesetze, um des seinem Wesen nach freien Geistes würdig zu sein, als diejenigen Bestimmungen, welche sich der wahrhaft vernünftige Geist als Bezeugung seiner Freiheit selbst gibt. Und so verhält es sich auch mit allen vernünftigen nicht aus tyrannischer Willkür hervorgegangenen Gesetzen; selbst der Verbrecher muß, wenn er seine Vernunft befragt, anerkennen, daß die Gesetze aussprechen, wie sich der Geist seiner Würde und Freiheit gemäß bestimme, und daß er selbst, als er das Verbrechen beging, als ein von Leidenschaften Befangener und also Unfreier gehandelt habe. Die Gesetze müssen nicht beschränken, sondern befreien. Andere haben die Ansicht aufgestellt, daß die Strafen erziehen, oder doch wenigstens von den Verbrechen abschrecken soll, Keines von beiden aber geschehe durch die Todesstrafe. Dem Verbrecher werde durch diese Strafe die Gelegenheit genommen, sich zu bessern, der Zuschauer werde nicht abgeschreckt, wie die Erfahrung lehre, denn häufig hätten Solche eines Mordes sich schuldig gemacht, die einer Hinrichtung beigewohnt hätten. Weder jene Ansicht ist wahr, noch die mit ihr verknüpften Bemerkungen. Der erwachsene Mensch, welcher zur Mündigkeit des Geistes gelangt ist, soll vom Staate nicht ermuntert und nicht erzogen werden, er hat das höchste Recht, nicht als ein Unmündiger behandelt zu werden, und auch abschrecken sollen die Strafen nicht, denn abschrecken läßt sich nur der geistig Unmündige. Der geistig Mündige soll den Gesetzen gemäß handeln, um der Würde seines Geistes, um seiner Freiheit willen. Es ist nicht zu leugnen, daß es unter den erwachsenen Bürgern eines Staats viele geistig Unmündige gibt, aber auf diese wirkt auch die Todesstrafe wie jede andere Strafe von selbst sowol erziehend als abschreckend, wenn sie nicht ganz verworfene Subjecte sind. Nur ein ganz verworfener Verbrecher wird sich nicht in seinem Innersten ernstlich bekehren, wenn er den Tod vor Augen sieht; nur ein ganz verwahrloster Mensch wird ohne innerste Erschütterung eine Hinrichtung sehen können. Daß es aber doch so verworfene Menschen gibt, kann nimmermehr als Grund gegen die Todesstrafe gelten, denn gerade diese Menschen sind es, deren Ausrottung aus der bürgerlichen Gesellschaft nothwendig ist.
Die Arten der Todesstrafe waren ehemals sehr verschieden. So waren namentlich in Deutschland das Viertheilen, Pfählen, Rädern, Verbrennen, Hängen, Ertränken und Enthaupten übliche Todesstrafen. Bei besonders greulichen Verbrechen, sowie bei solchen gegen den Staat und dessen Oberhaupt, wurden sonst überall den Missethätern noch vor der Hinrichtung grausame Qualen angethan, sie wurden verstümmelt, mit glühenden Zangen gezwickt u.s.w. Alle quälende Todesstrafen sind durch die neuen Gesetzgebungen aufgehoben worden, weil sie der Strafe den Anschein der Rache geben, welche der Würde des Staats nicht ziemt. Gegenwärtig sind nur noch die einfachen Todesstrafen in den civilisirten Staaten üblich. In Preußen kommt neben dem Enthaupten mit dem Beil noch das Rädern vor. In Sachsen und andern deutschen Staaten werden die Verbrecher mit dem Schwert gerichtet, in Frankreich mit der Guillotine, in England und in Östreich ist die gewöhnliche Todesstrafe das Hängen. Bei Militairpersonen ist überall das Erschießen die übliche Todesstrafe bei Verbrechen, die im Dienst begangen worden sind. In Frankreich ist die Todesstrafe bei Vatermördern nur in der Weise geschärft, daß sie [444] mit einem schwarzen Schleier bedeckt zum Richtplatze geführt werden und daß ihnen vor der Enthauptung die rechte Hand abgeschlagen wird.
Nach Erkenntniß der Todesstrafe wird dieselbe dem Regenten des Staats zur Bestätigung vorgelegt, und ist diese erfolgt, so wird das Erkenntniß dem Verbrecher publicirt und die Strafe sobald als möglich vollzogen (executirt). Die Rechtsmittel, welche der Verurtheilte noch ergreifen kann, sind durch die Gesetze verschieden bestimmt. In England ist gar kein weiteres Rechtsmittel gestattet, und hier findet die Execution daher oft gleich am Tage nach der Publication statt. In Frankreich kann der Verurtheilte eine Nichtigkeitsbeschwerde (Cassationsgesuch) anbringen; in Deutschland kann er nochmalige Vertheidigung heischen oder an ein höheres Gericht appelliren. Die Richter, welche das Urtheil revidiren, dürfen nur mildern, nicht die Strafe schärfen. Zuletzt steht dem Verurtheilten noch frei, die Gnade des Regenten anzuflehen. Bei Schwangern wird die Hinrichtung erst nach der Entbindung vollzogen, und allgemein dürfen nur ihres Verstandes mächtige Verbrecher hingerichtet werden. Kurz vor der Hinrichtung pflegt die Strenge des Gefängnisses gemildert zu werden; namentlich läßt man dem Verurtheilten den Trost der Religion zukommen, gestattet ihm, von den ihm Angehörigen Abschied zu nehmen, und gewährt ihm bessere Kost. Die Hegung des Halsgerichtes (s.d.), welche sonst der Hinrichtung vorausging, ist jetzt in den meisten Staaten abgeschafft. Der Leichnam des Gerichteten wird jetzt gewöhnlich den Ärzten oder den Verwandten überlassen.