Tzschirner

[506] Tzschirner (Heinr. Gottlieb), ein vorzüglicher Kanzelredner und freisinniger theologischer Schriftsteller, war der [506] Sohn eines Predigers und 1778 zu Mitweida in Sachsen geboren. Den ersten Unterricht erhielt er von seinem Vater und in der Stadtschule, besuchte 1791 das Gymnasium zu Chemnitz und studirte seit 1796 zu Leipzig Theologie. Auf Reinhard's Veranlassung begann er 1800 in Wittenberg die akademische Laufbahn, trat aber schon im nächsten Jahre seinem kränkelnden Vater als Amtsgehülfe zur Seite und übernahm nach dessen bald erfolgtem Tode das Diakonat in seiner Vaterstadt. Indem er hier seine theologischen Studien fortsetzte und zugleich 1805 mit einem wissenschaftlichen Werke, das er aber später nicht vollendete: »Christliche Apologetik«, hervortrat, erwarb er sich noch in demselben Jahre den Ruf als theologischer Professor nach Wittenberg. Seit dem Tode Schröckh's 1807 setzte er die kirchenhistorischen Vorlesungen desselben fort, führte die Herausgabe seiner Kirchengeschichte vom zehnten Bande nach der Reformation selbständig weiter und ging 1809, bei Gelegenheit der vierten Jubelfeier der Universität, als theologischer Professor nach Leipzig. Sein reges wissenschaftliches Streben und der allgemeine Beifall, den er durch seine Predigten in der Universitätskirche fand, erhoben ihn zu einem immer höhern Einflusse des Wirkens, als er im Januar 1814, begeistert für die Sache der Freiheit, den unter den Oberbefehl des Großherzogs von Weimar gestellten sächs. Truppen auf ihrem Zuge gegen Frankreich als Feldpropst folgte. Die schnelle Beendigung des Krieges machte es ihm möglich, schon im Sommer 1814 zu seinem akademischen Berufe zurückzukehren, nachdem er vom Hauptquartier bei Tournay zuvor einen Ausflug nach Paris gemacht hatte. Die Theilnahme am Kriege selbst führte ihn zu der gedankenreichen Schrift: »Über den Krieg, ein philosophischer Versuch.« T. behauptete jetzt als ausgezeichneter Kanzelredner einen so wohlbegründeten Ruf, daß ihn 1815 der Magistrat zu Leipzig nach des Superintendent Rosenmüller Tode zum Nachfolger in dessen Amte ernannte. Hierdurch wurde seiner glänzenden Beredtsamkeit ein weites Feld geöffnet, aber auch als akademischer Lehrer fand er, namentlich durch seine Vorlesungen über Kirchengeschichte, den größten Beifall und in der öffentlichen Meinung wurde sein Name immer gefeierter, indem er als Schriftsteller über besonders wichtige Zeitereignisse im Gebiete der Kirche und des öffentlichen Lebens sich ebenso beredt als freimüthig verbreitete. Die berühmteste unter seinen hierher bezüglichen Schriften ist die über »Katholicismus und Protestantismus aus dem Standpunkte der Politik betrachtet« (Lpz. 1821), in welcher er die Reformation gegen die gehässige Anklage, als ob sie Revolutionen befördere, siegreich rechtfertigte und die einen so allgemeinen Beifall erhielt, daß sie in Jahresfrist drei Auflagen erlebte und in die franz., holländ. und engl. Sprache übersetzt wurde. Aber durch die unausgesetzten geistigen Anstrengungen wurde auch die Gesundheit T.'s erschüttert. Nachdem er schon seit 1823 wiederholt an den schmerzlichsten Brustbeklemmungen gelitten hatte, starb er 1828 plötzlich. Ein einfaches Denkmal bezeichnet auf dem leipziger Gottesacker die Stelle, wo seine Gebeine ruhen. Unter den wissenschaftlichen Arbeiten T.'s steht sein Werk über den »Fall des Heidenthums«, an welchem er länger als 20 Jahre gearbeitet hatte und das von Niedner (Lpz. 1829) herausgegeben wurde, oben an. Merkwürdig sind auch seine »Briefe über Reinhard's Geständnisse« (Lpz. 1811). Seine nachgelassenen »Predigten« wurden von Goldhorn herausgegeben (4 Bde., Lpz. 1829).

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Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 506-507.
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