[574] Verdauung heißt die Verrichtung des thierischen Körpers, durch welche genossene Nahrungsmittel aufgelöst, ihre zur Ernährung tauglichen und untauglichen Bestandtheile geschieden und die erstern als sogenannter Milchsaft der Säftemasse einverleibt, die letztern aber hauptsächlich durch die Darmausleerungen wieder aus dem Körper geschafft werden. Im weitesten Sinne beginnt die Verdauung, wenigstens für die festen Nahrungsmittel, eigentlich schon im Munde, indem sie hier durch das Kauen zerkleinert und dabei reichlich mit Speichel vermischt, durch Beides aber zur Verarbeitung im Magen vorbereitet werden. Ist das geschehen, so gelangen sie durch Rachen und Speiseröhre in den Magen, der von allen zur Verdauung beitragenden Organen das wichtigste ist. Hier verwandelt dieselben die auflösende Kraft des von den Gefäßen und Drüsen des Magens abgesonderten Magensaftes, dessen Wirkung durch die gleichzeitig stattfindende Muskel- und Nerventhätigkeit des Magens, die thierische Wärme wesentlich unterstützt wird, in eine ziemlich gleichförmige breiartige oder noch dünnflüssigere Masse, den sogenannten Speisebrei, Chymus, in den sich nach einiger Zeit die überhaupt durch den Magensaft auflösbaren Nahrungsmittel weder durch das Gesicht noch durch den Geruch oder Geschmack erkennen lassen. Ist die Bildung dieses Speisebreies vollendet, wozu bei einem gefunden Menschen drei bis fünf Stunden Zeit erfoderlich sind, so verlassen die solchergestalt veränderten Nahrungsmittel durch die untere, rechterseits gelegene, Pförtner genannte Öffnung den Magen, um in den Zwölffingerdarm zu gelangen. Hier fließen noch der milde, speichelähnliche Saft der Bauchspeicheldrüse und die in der Leber abgesonderte Galle zu, um das Ihrige zur Verdauung beizutragen. Ersterer dient, die zur Ernährung des Körpers tauglichen Bestandtheile der genossenen Nahrungsmittel zur Umbildung in den sogenannten Speisesaft, Chylus, der zugleich hier vorzugsweise aufgesogen wirdgeschickter zu machen, letztere, insofern auf die Darmwandungen reizend einzuwirken, daß diese die zur Ernährung weniger oder gar nicht tauglichen Stoffe vermöge ihrer wurmförmigen Bewegung weiter schaffen. Welchen unmittelbaren oder mittelbaren Einfluß die Milz auf die Verdauung äußere, ist zur Zeit noch unerforscht, daß sie aber überhaupt einen solchen habe, mehr als wahrscheinlich. Aus dem Zwölffingerdarme gelangt nun die zum größern Theile ihrer zur Ernährung des Körpers tauglichen Bestandtheile beraubten Mischung in die weitern Abtheilungen des Dünndarmes, den Leer- und Krummdarm, wo sie durch eine sehr lebhafte Aufsaugung von Seiten der Blutadern und Lymphgefäße noch eine Menge nährender Stoffe verliert. Aus dem Dünndarme, dessen Hauptverrichtung, die ebengedachte Aufsaugung, abgesehen von der bindenden Einwirkung des Bauchspeicheldrüsensaftes und der scheidenden der Galle, noch durch die eigenthümliche Einrichtung seiner Klappen und Saugadern wesentlich gefördert wird, tritt nun der aus den Überbleibseln der genossenen Nahrungsmittel bestehende, durch die Zumischung der Galle nunmehr gelblich gefärbte und allmälig einen kothartigen Geruch annehmende Speisebrei unter Vermittelung der wurmförmigen Bewegungen des Darmkanals in den Dickdarm über, wo er, je weiter er gegen das Ende desselben getrieben wird, mehr und mehr die Beschaffenheit von Auswurfsstoffen annimmt, denen der Darmkanal längs seiner ganzen Ausdehnung seine eigenen Absonderungssäfte, außerdem aber oft auch Krankheitsmaterien beimischt, die aus der Saftmasse in den Darmkanal abgesetzt werden, um den Körper auf diese Weise von ihnen zu befreien, weshalb die Darmausleerungen zuweilen die Stelle anderweiter für den Augenblick unterdrückter Absonderungen vertreten. Endlich nimmt der Mastdarm den zur Ausleerung bestimmten Darmkoth auf und fördert ihn vermöge seiner kräftigen Muskelthätigkeit, unterstützt von der Zusammenziehung der Bauchmuskeln und des Zwerchfelles, nach Überwindung des Widerstandes der Schließmuskeln des Afters durch diesen hinaus. Dies wäre der gesundheitsgemäße Hergang der Verdauung, der freilich Gesundheit und den gehörigen Grad von Lebenskraft, sowol der eigentlichen Verdauungswerkzeuge des Magens, Dünn- und Dickdarmes, als auch der Hülfsorgane, der Leber, Milz und Bauchspeicheldrüse voraussetzt. Er findet ohne merkliche Empfindung, wenigstens ohne belästigende Gefühle statt, liefert einen rein abgeschiedenen Milchsaft und [574] gehörig beschaffene Auswurfsstoffe und dies Alles in einer Zeit, die zwar nach dem Alter, Geschlecht, Temperament, nach der Lebensweise und ganz besonders auch nach der Beschaffenheit und Menge der genossenen Speisen abweichen kann und bei einem jugendlichen Körper, bei gehöriger körperlicher Bewegung im Allgemeinen kürzer ist als unter den entgegengesetzten Umständen, indeß ihrer mittlern Dauer nach nicht mehr als drei Stunden beträgt. Die Störungen der Verdauung, welche vorkommen können, sind sehr mannichfach und können zu allerhand Beschwerden Veranlassung geben und die Ernährung des Körpers beeinträchtigen. Die Ursachen davon können theils in der fehlerhaften Wahl der Nahrungsmittel, theils in einer ungehörigen Art des Genusses derselben, sowol was Zeit und Maß als die Art zu kauen anlangt, theils in Fehlern oder krankhaften Zuständen der eigentlichen Verdauungsorgane wie der zur Verdauung beitragenden Hülfsorgane begründet sein. Wer sich eine gute, kräftige Verdauung sichern will, treffe vor allen Dingen eine zweckmäßige Wahl der Nahrungsmittel und beobachte Mäßigkeit und Ordnung im Genusse derselben.