Ypern

Ypern

[772] Ypern, Festung und Hauptort eines Bezirkes der belg. Provinz Westflandern, hat 16,000 Einw., liegt am Yperle und ist durch einen Kanal mit Brügge, Nieuport und Ostende verbunden.

Handel und ansehnliche Spitzen-, Leinwand- und Wollenfabriken, Bleichen und Färbereien sind Hauptnahrungsquellen dieser gegen ihre Größe und Bedeutung im Mittelalter sehr herabgekommenen Stadt, welche damals 200,000 Einw. zählte und längere Zeit die gewerbfleißigste Stadt in Flandern war. Die Kathedrale zu St.-Martin und mit einigen andern Gebäuden vor allen das unten von der Südseite abgebildete, im 14. Jahrh. erbaute gothische Rathhaus sind noch Denkmale jener vergangenen Größe. Das Rathhaus steht mitten in der Stadt am Marktplatze und nimmt einen viereckigen Raum von 462 F. Länge und 50 F. Breite ein, hat in zwei Reihen 88 gothische Fenster und enthält zwei Höfe. Merkwürdig ist auch die aus dem 12. Jahrh. herrührende Jakobskirche. Y. entwickelte sich aus einer um 800 von den Normannen zerstörten, nachher von den Grafen von Flandern hergestellten Burg und unter ihrem Schutze zu einer reichen und mächtigen Stadt, welche im Bunde mit Gent und Brügge im Kampfe gegen die Bedrückungen der Grundherren der vereinten Macht der Grafen von Flandern und des Königs von [772] Frankreich widerstehen konnte. Namentlich waren es die Weber, deren Y. zu Zeiten über 4000 Meister zählte, welche bei allen Unruhen den Ton angaben, daher auch nach Einnahme der Stadt durch die flandr. Grafen diese viele Weber hinrichten und andere wegziehen ließen, wodurch Y., das nach Annahme der Reformation (1577) im J. 1584 von den Spaniern erobert wurde, nach und nach diesen Gewerbszweig einbüßte. Die Drangsale der franz. und span. Kriege untergruben vollends seinen Wohlstand; nachdem er 1715 nach dem span. Erbfolgekriege einer der sogenannten Barrièreplätze geworden war, d.h. eine der Festungen in den an Östreich gekommenen, ehemaligen span. Niederlanden, wo die Holländer zur Sicherheit gegen Frankreich eigne Besatzungen vertragsmäßig halten konnten, hatte es bis 1744 holländ. Besatzung, wo es in Anwesenheit Ludwig's XV. von den Franzosen erobert wurde. Joseph II. ließ 1781 die Festungswerke schleifen, daher Y. 1794 den Franzosen unter Pichegru wenig Widerstand leisten konnte, und es blieb nun ein offener Platz bis nach 1815 von franz. Catributionsgeldern die Befestigung auf Betrieb der verbündeten Mächte wieder gänzlich hergestellt wurde.

Quelle:
Brockhaus Bilder-Conversations-Lexikon, Band 4. Leipzig 1841., S. 772-773.
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