[51] Bianca Capello, Großherzogin von Toskana, eine durch ihre Schönheit, so wie durch ihre Schicksale merkwürdige Venetianerin, welche die Launen des Schicksals in allen Nuancirungen erfuhr. Reich und vornehm geboren, sank sie in die tiefste Armuth, erstieg die höchste Höhe irdischer Glückseligkeit, einen Thron, und verließ diesen, um nicht ohne den sehr wahrscheinlichen Verdacht einer Vergiftung schmerzvoll in ein verachtetes Grab zu sinken. Ihre heftigen Leidenschaften, durch eine oberflächliche, nur die äußere Erscheinung berücksichtigende Erziehung keineswegs gemildert, sondern weit mehr genährt, riß sie schon in der ersten Blüthe ihres Lebens zu unbesonnenen Schritten hin. Im Jahre 1563 knüpfte sie mit einem jungen Handlungsdiener eine geheime Verbindung, welche entdeckt, sie zur Flucht aus Venedig veranlaßte. Ihre stolze Familie, welche in wüthender Entrüstung behauptete, daß ihr Vergehen für den ganzen venetianischen Adel eine Schande sei, traf alle nur erdenkliche Anstalten, der Leichtsinnigen wieder habhaft zu werden, um sich an ihr zu rächen. Sie wirkte bei dem Senat den Befehl aus, Pietro, ihren Verführer, zu verfolgen, und setzte einen Preis von 2000 Ducaten für denjenigen aus, der ihn todt oder lebendig einliefern werde. Wenn auch gleich die Flüchtlinge glücklich entrannen, so war die Strafe doch der verwöhnten, in Glanz und Huldigungen aufgewachsenen Bianca auf dem Fuße gefolgt. Denn nicht nur, daß eine nie geahnete Dürftigkeit sie mit allen den Dornen bekannt machte, welche bittere Noth mit sich zu führen pflegt auch über den Geliebten hatte sie sich getäuscht.[51] Sein größter Vorzug bestand in einer edlen Gestalt, seine Seele aber erhob sich nicht über das Gemeine, und eine gewisse Rohheit, welche die in ihren Sitten sein abgeschliffene Bianca oft gröblich verletzte, machte ihr bald seine Nähe unangenehm, und späterhin unerträglich. Dieser kümmerlichen Lage ungeachtet blühten Bianca's Reize in aller Frische, und ein Zufall sollte sie lehren, welche Macht ihr durch dieselben verliehen war. Aermlich gekleidet, aber im Schmucke der Jugend, stand sie einst an dem Wege, den eben des Herzogs Sohn Franzesko von Toskana mit seinem Gefolge passirte. Sie wurde bemerkt, und dieser Augenblick entschied über ihr künftiges Leben. Ungeachtet der Herzog bereits mit Johanna, Erzherzogin von Oestreich, verlobt war, knüpfte er mit der verführerischen Bianca ein zärtliches Verhältniß an, welches von dieser zu den ehrgeizigsten Plänen benutzt wurde. Diese zu erreichen, mußte ihr Gemahl entfernt werden. Er fiel durch Meuchelmord. Franzesko hatte sich indessen vermählt, doch Johanna's schüchternes, durch sein abstoßendes Betragen, kalt und stumm in sich zurückgezogenes Wesen war nicht geeignet, die üppige Buhlerin zu verdrängen, die an Schönheit ihr so sehr überlegen war, und durch ihre Sinnengluth ihn entzückte Während er Feste ersann, Biancen zu huldigen und mit der Sittenlosigkeit dieses Verhältnisses zu prunken, weilte die rechtmäßige Gattin vergessen und einsam in ihren Gemächern. Sie hatte ihrem Gemahl einige Töchter geboren, aber er sehnte sich, einen Erben seines Namens zu besitzen, und daher blieb sie ihm eben so gleichgiltig als Mutter, wie sie es ihm als Gattin gewesen. Auf das Verlangen, einen Sohn zu haben, gründete Bianca die Zuversicht, ihn noch fester, und für immer dauernd an sich zu ketten. Sie bot alle ihre List auf, ihn zu täuschen, indem sie seine Abwesenheit benutzte, um einen Knaben unterzuschieben, den sie als ihr gemeinschaftliches Kind seiner Vaterliebe empfahl. Francesko glaubte ihr unbedingt, und war glücklich, indem er wähnte, seinen höchsten Wunsch[52] erfüllt zu sehen. Die Mitwisser um diesen Betrug verschwanden aus dem Kreise der Lebenden. Endlich gebar Johanna einen Prinzen, aber nur kurze Zeit erfreute sie sich seines Besitzes, der wie ein Sonnenstrahl die düstere Nacht ihres Schicksals verklärte. Denn schon im folgenden Jahr (1,78) rief der Tod sie ab von einem Standpunkt, der ihr der Leiden viele, der Freuden aber nur wenige gegeben hatte. Die fromme Ergebung, mit der sie starb, und die edle Gesinnung, die sich in ihren letzten Stunden so rührend und freimüthig aussprach, erschütterte Francesko's Gemüth auf eine ungewöhnliche Art. Er konnte es sich nicht verschweigen, daß er hart und ungerecht gegen sie gehandelt hatte, und seine Brüder, welche Bianca haßten, benutzten diesen Zustand der Reue und der Bekümmerniß, ihn durch Vorstellungen und Zureden von ihr zu entfernen. Es gelang ihnen, den Großherzog aus ihrer berauschenden Nähe zu entfernen. Er verließ Florenz für einige Zeit und fand eine, die Aufregung seines Gewissens beschwichtigende Linderung in dem Gedanken, sein Unrecht gegen Johanna auf diese Weise zu büßen. Doch Bianca gab nicht so leicht die Ansprüche auf, die sie auf seinen Besitz zu haben glaubte; sie trieb sie höher als jemals, indem sie nicht nur sein Herz, sondern jetzt, wo er frei war, auch seine Hand verlangte. Ihre Schlauheit, welche keine Art von Bestechung scheute, gab ihr ein, Franzesko's Beichtvater für sich zu gewinnen. Durch ihn glückte es ihr, ihre Pläne realisirt zu sehen. Denn kaum waren zwei Monate seit Johanna's Hinscheiden verstrichen, als eine geheime Heirath sie zu des Großherzogs rechtmäßiger Gemahlin erhob. Nur eine kurze Zeit aber genügte es ihr, ihm, nach wie vor, in der Stille anzugehören. Ihr Stolz sehnte sich nach Befriedigung ihr Ehrgeiz nach Gewalt. Oeffentlich wollte sie als Fürstin auftreten, und herrschen nicht, wie bisher, durch den Zauber der Schönheit allein, der ihr noch immer eigenthümlich war. Das frühe Hinwelken des zarten Prinzen, den Johanna hinterlassen, kam ihren[53] Wünschen zu Statten. Das Kind des Betrugs, das er für das seine hielt, war außer der Ehe geboren. Er hoffte, Bianca werde ihm noch einen Sohn schenken. Damit dieser aber legitim sei, mußte ihre allgemeine Anerkennung vorausgehen. In den Kämpfen, die sein Inneres hierüber bestand, wendete er sich an König Philipp II. von Spanien, ihn um Rath zu fragen. Die Antwort lautete: da seine Verbindung mit Bianca Capello nun einmal unumstößlich geschlossen und durch den Segen der Kirche geheiligt sei, so dünke es dem König unter den obwaltenden Umständen am gerathensten, sie öffentlich kund zu geben. Dazu gehörte, daß vor Allem der Makel, welcher an ihrem Namen in Venedig haftete, vertilgt wurde. Er schickte einen Abgesandten an die Republik, und ließ ihr wissen, daß er die Absicht habe, sich mit einer Tochter von St. Marcus zu verbinden, und daß er deßhalb bitte, Bianca Capello als eine solche zu betrachten, und einzuwilligen, daß sie als seine Gattin den Thron mit ihm theile. Der Senat, durch diese Schmeichelei bestochen, bot dazu freudig die Hände. Zwei venetianische Abgeordnete mit einem glänzenden Gefolge erschienen in Florenz, um dort die Adoption feierlich zu vollziehen und der Vermählung beizuwohnen. Eine feierliche Erklärung vom 16. Juli 1579 adoptirte sie zu einer wahren und eigentlichen Tochter der Republik. Beide Ceremonien gingen im October 1579 vor sich. Jetzt stand Bianca ihrer Meinung nach fest, aber ihre Intriguen, ihr Stolz und ihre Anmaßungen, denen Franzesko in seiner Verblendung für sie stets nachgab, machten sie, so wie ihn, dem Volke auf das Aeußerste verhaßt. Hatte sie vorher gesorgt, ihre Gegenwart zu sichern, und sie mit Allem zu krönen, was irdische Macht und die Fülle des Ueberflusses nur immer gewähren können, so fehlte ihr doch Gemüthsruhe, dieser köstlichste Edelstein in jeder Krone, denn sie mußte jetzt für ihre Zukunft zittern, weil für den Fall, daß sie ihren Gemahl überleben sollte, ihr Loos keineswegs geborgen war, weil der nächste Thronerbe, Fernando, Bruder des Großherzogs, sie eben so sehr haßte, [54] als er sie verachtete. Es dünkte ihr daher das Vortheilhafteste, ihr zeither abstoßendes Betragen gegen ihren Schwager zu ändern, um ihn wo möglich für sich zu gewinnen. Sie that Schritte, die auf eine Aenderung ihrer Sinnesart deuteten, und Fernando, in der Verstellung noch geübter als sie, gab sich das Ansehen, als glaube er unbedingt ihrer erheuchelten Zuvorkommenheit und Güte. Um ihn noch mehr für sich einzunehmen, vermochte Bianca ihren Gemahl, dem bisher vernachlässigten Bruder jetzt mit Auszeichnung zu begegnen, und eine heitere Annäherung schien die schon so lange bestandene Spannung der gegenseitigen Gemüther nun endlich in Eintracht und Vertrauen aufzulösen. Schon mochte Bianca hoffen, daß sie ihren Zweck erreicht habe, als eine freundschaftliche Zusammenkunft zwischen dem Großherzog und ihr, und dem Cardinal Fernando von Medicis auf dem Poggio von Cajana ihre Bemühungen endigte, und sie aller fernern Sorgen überhob. Denn bald nach der dort genossenen Mahlzeit, um deren Anordnung sich der Cardinal ganz besonders bekümmert haben soll, erkrankte das fürstliche Ehepaar unter heftigen Schmerzen, wie sie eine Vergiftung zu begleiten pflegen. Fernando war nicht sehr bemüht, ihnen ärztliche Hilfe zu verschaffen, und lud durch dieses Zögern den Argwohn, daß er jenen Zustand veranlaßt habe, nur noch mehr auf sich. Der 19. October 1587 war der Todestag beider Gatten. Fernando stellte sich sehr traurig über diesen zwiefachen Verlust, und suchte sich, obwohl vergebens, von dem auf ihm lastenden Verdacht zu reinigen. Seine geistliche Würde niederlegend, bestieg er den nun erledigten Thron, aber man scheute ihn als Brudermörder, wenn man auch nicht wagen durfte, ihn der That zu überführen, und die Geschichte trug nicht nur seinen Namen, sondern auch den Flecken, der auf ihm haftete, für alle Zeiten in ihre Tafeln ein.
A.
Buchempfehlung
Der Schluß vom Allgemeinen auf das Besondere, vom Prinzipiellen zum Indiviudellen ist der Kern der naturphilosophischen Lehrschrift über die Grundlagen unserer Begrifflichkeit von Raum, Zeit, Bewegung und Ursache. »Nennen doch die Kinder zunächst alle Männer Vater und alle Frauen Mutter und lernen erst später zu unterscheiden.«
158 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
428 Seiten, 16.80 Euro