Fenrir (Mythologie)

[100] Fenrir (Mythologie), Fenris Ulfr, der Fenriswolf, ein Ungeheuer der scandinavischen Mythe, erzeugt von dem bösen Gott Loke mit der Riesin Angerbode, im Riesenlande Jotunheim erzogen. Die Asen hatten dunkle Weissagungen überkommen, daß die Kinder Loke's, dieser Wolf, die große Mitgardschlange Iornumgander und Hla ihnen grauenvolles Unheil bereiten würden, daher ließ Allvato diese drei vor sich bringen, warf die Schlange in den Grund des [100] Meeres, darin sie die Erde umgürtet, stürzte die Hel in das Land Nifelheim, die Nebelheimath, das sie fortan beherrschte, den Wolf aber, der noch jung war, behielten die Asen, um ihn aufzuziehen. Mit jedem Tage wuchs er. Bald fürchteten sich die Asen vor ihm, banden ihn mit einer starken Kette, aber er zerriß diese durch eine leichte Bewegung. Eben so erging es ihnen mit einem noch stärkeren Band. Niemand durfte auch wagen, den Wolf zu füttern, außer Tyr, der unerschrockene Sohn Odins. Nun ward Frei's Diener Skyrner als Bote nach Schwarzalfheim gesandt, wo ein schwarzer Zwerg abermals ein Band verfertigte, um Fenrir zu fesseln; er machte das aus sechserlei Sachen: aus einem Katzentritt, eines Weibes Bart, eines Felsen Wurzel, eines Bären Sehnen, eines Fisches Geist, und eines Vogels Speichel. Das Band war weich und biegsam, aber wunderstark. Nun wurde dem Wolf dieses scheinbar schwache Band gezeigt, daß, wie sie sagten, doch so stark sei, daß nur Fenrir es zerreißen könne. Der Wolf argwöhnte gleich Trug und List, und daß es künstlich gemacht sei, und sprach: Wenn ich mich damit von euch binden lasse, und diese Fessel nicht zerreißen kann, werdet ihr mich sicher hilflos liegen lassen. Ungern thue ich das, und nur dann, wenn einer von euch seine Hand in meinen Mund steckt, auf daß ich euch trauen kann. Nach einigem Zögern entschloß sich Tyr, steckte seine rechte Hand in den Rachen des Wolfs, dieser ward gefesselt, bemühte sich vergebens, sich loszureißen, und Tyr's Hand war verloren. Wüthend gebehrdete sich der Wolf, als ihn die Asen nun noch mehr fesselten und banden: sie stießen ihm hierauf ein Schwert durch den Rachen, und ließen ihn liegen bis zum Weltuntergange. Tödten wollten sie ihn nicht, aus Achtung gegen den Frieden. Giftschaum fließt unaufhörlich aus des Thieres Rachen, das seiner Zeit und seiner Rache harrt. (s. Rag arokur.) Zwei Söhne zeugte Fenrir mit der Riesin Gigur, Skull und Hate, die beim Weltuntergange Sonne und Mond verschlingen.[101]

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 100-102.
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