Frankreich (Kochkunst)

[196] Frankreich (Kochkunst). (Kochkunst) Wie Frankreich für alle seine, raffinirte Genüsse uns als Vorbild gedient hat, so auch in der Kochkunst; allein jene ästhetische Feinheit der Küche, wie wir sie vorzugsweise zur Zeit Ludwig's XIV. und auch noch heute bei unsern überrheinischen Nachbarn finden, verdankt ihren Ursprung den Italienern, von welchen sie die mediceischen Prinzessinnen mit an den französischen Hof brachten. Bereits im 16. Jahrhunderte fand man in Deutschland Geschmack an der französischen Kochkunst, und französische Gerichte finden sich bereits in den Kochbüchern jener Zeit, welche zu Frankfurt am Main erschienen. Vor Allem hat die franz. Kochkunst das Verdienst, die Fleischbrühe zur Grundlage[196] aller nassen Zubereitungen erhoben und gerade hierdurch eine große Menge von Speisen gesunder und schmackhafter gemacht zu haben; nichts destoweniger muß man ihr den Vorwurf der Uebermischung und Ueberfeinerung machen. Wenn sie dadurch eines Theils alle schwer verdaulichen Gerichte vermeidet, so ist sie doch auf der andern Seite durch den Zusatz starker Gewürze und die verschiedenartige Mischung der Speisen überhaupt, durch Ueberreizung der Geschmacksnerven eben so schädlich. Die altfranzösische Haussuppe, den pot au feu, hat der neuere Geschmackssinn längst, selbst aus der bürgerlichen Küche, verdrängt, und fast in keinem Lande so selten wie in Frankreich, findet sich ein einfaches Nationalgericht, wenn man nicht die tausendfach variirten Ragouts, Fricassées etc. als national annehmen will.

L. M.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 4. [o.O.] 1835, S. 196-197.
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