Luise, Anna Fösin, Fürstin von Anhalt-Dessau

[435] Luise, Anna Fösin, Fürstin von Anhalt-Dessau, Anna Fösin. Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, jener tapfere, aber oft des Jähzorns und der Härte beschuldigte Held, war eigenthümlich in seinem ganzen Thun und Treiben, folglich auch in der Liebe, die er als die einzige Führerin anerkannte, welche in den Ehestand hinüber zu leiten berufen ist. Sein Herz war starker Leidenschaften fähig, und schon in der Kindheit hatte eine Gespielin aus dem Bürgerstande seine Neigung gewonnen. Niemand verstand so wie sie seinen störrischen Sinn zu bezähmen und seiner Heftigkeit Einhalt zu thun. Deßhalb auch begünstigte seine Mutter einen Umgang, der so vortheilhaft auf seinen unbeugsamen Charakter und seine Wildheit wirkte, und ahnete nicht, daß das kindliche Wohlgefallen an der sanften und lieblichen Anna Luise Fösin mit den Jahren wachsen, und endlich zu einer unauslöschlichen Flamme sich entzünden werde. Luise war den 22. Mai 1677 in Dessau geb., und die Tochter eines Apothekers, der sich bemühte, ihr eine Erziehung zu geben, wie sie für eine einstige Hausfrau des Mittelstandes sich eignete. Ihr heller Verstand aber und ihr reiches Gemüth erhoben sie über die ihr angewiesene enge Sphäre. Nachdem sie mit einer Festigkeit und Würde, die an einem 16jährigen Mädchen zu bewundern waren, den gewaltsamen[435] Ausbrüchen der stürmischen Leidenschaft widerstanden hatte, setzte Leopold, von Hochachtung durchdrungen, seine Bewerbungen nur um so eifriger fort, erklärte, daß er es ehrlich meine und sie als seine rechtmäßige Gattin in sein Fürstenhaus einzuführen gedenke. Die eiserne Willenskraft, mit der er festhielt, was er einmal mit feurigem Ungestüm ergriffen hatte, machte seine Mutter besorgt, und veranlaßte sie, nunmehr zu verlangen, eine Verbindung aufzugeben, die seinem fürstlichen Range nicht zieme. Als er ihr aber mit starrem Trotz erwiderte, daß sein Entschluß unabänderlich sei, griff sie auf den Rath bewährter Freunde zu dem letzten Mittel, und sandte ihn auf Reisen. Doch sie hatte sich geirrt. Nichts vermochte das Bild der Geliebten in seiner Seele zu verlöschen, er kehrte nach 14 Monaten nach Dessau zurück, und sein erster Gang war zu Luisen. sein zweiter erst zu seiner Mutter. Diese empfing ihn mit offenen Armen, und suchte durch die innigste Güte und Liebe das Herz des Sohnes zu gewinnen, um ihn von einem Vorhaben abzubringen, das ihr so mißfällig war. Allein sie mußte bemerken, daß er sich zwar auf seinen Reisen entwickelt, jedoch keinesweges verändert hatte. Seine Liebe zu Luisen war durch die lange Trennung nur noch glühender geworden, und als sie ihn endlich zu einer Handlung hinriß, die Jeden mit Schauder erfüllte, sah sie mit tiefer Betrübniß ein, daß diese Leidenschaft nicht zu besiegen sei. Leopold erblickte nämlich im Vorübergehen Luisen mit einem ihrer Verwandten, einem jungen Arzte, in einer ihm traulich scheinenden Stellung am Fenster stehen. Dieser Anblick reizte seine Eifersucht bis zur Wuth. Mit gezogenem Degen stürzte er in das Haus, drang auf den jungen Mann ein, der durch mehrere Zimmer zu entfliehen suchte, aber von ihm ereilt, und niedergestochen wurde. In brandenburgische Dienste getreten, glaubte seine Mutter, kriegerische Thätigkeit werde die tobende Willkür, der er sich hingab, noch am ersten zähmen. Leopold, nachdem er an mehreren Feldzügen Theil genommen, kehrte endlich heim, um die Regierung seines Landes anzutreten, und nun, [436] wo er sich einer schrankenlosen Gewalt bewußt war, machte er Gebrauch davon. Ohne sich von der Mißbilligung und dem Kummer seiner Mutter rühren zu lassen, und ohne den Spott und Tadel fremder Höfe zu fürchten, erhob er im September des Jahres 1698 die Geliebte zu seiner rechtmäßigen Gemahlin. Diese machte sich durch die edelste Gesinnung und das würdevollste Betragen des Standpunktes werth, auf den seine ausdauernde Liebe sie stellte. Sie lösete die schwere Aufgabe, einen Gatten, der neben mancher schönen und bewundernswerthen Eigenschaft doch eine oft in schreckliche Wuth ausartende Heftigkeit besaß, als sanfte, vermittelnde und begütigende Lebensgefährtin auf den Weg der Mäßigung zu leiten, und die rücksichtslose Gewaltsamkeit, mit der er oft verfuhr, zu mildern und abzuwenden. Von dem großen Einfluß, den sie auf ihn hatte, machte sie stets nur den besten Gebrauch, und erzog die zehn Kinder, die sie ihm geboren, auf eine Weise, die ihr zur Ehre gereicht. Drei Jahre nach der Vermählung wurde Luise vom Kaiser Leopold in den Fürstenstand erhoben. Die ehrenvollen Ausdrücke, mit denen man in der darüber ausgestellten Urkunde ihre Tugenden erwähnte, waren ein gerechter Tribut ihrer Verdienste, denn die Liebe und das Vertrauen des Landes in ihre Einsicht und Güte war so groß, daß man gern sah, wenn Leopold bei häufig vorkommenden Abwesenheiten die Zügel der Regierung ihren Händen anvertraute. Diese edle und fromme Fürstin, die ihr ganzes Leben angewendet hatte, ihren Gemahl zu beglücken und zu veredlen, starb am 5. Februar 1744 in ihrem 68. Jahre. Leopold's Schmerz bei der Nachricht ihres Todes war unendlich, wie seine Liebe zu ihr, äußerte sich aber auf die ihm eigenthümliche ungestüme Weise, die seine Aufwallungen in Freud' und Leid zu bezeichnen pflegte. Er befand sich gerade mit seinen beiden Söhnen, Leopold Maximilian und Moritz zu Neiße in Schlesien, als der Eilbote ankam, der ihm diese Trauerkunde berichtete. Es war für ihn der härteste Schlag, der sein Innerstes treffen konnte. Laut heulend stürzte er in das Zimmer[437] des Prinzen Moritz, der eben krank darnieder lag, und schrie ihm, von Schluchzen unterbrochen, die Worte zu: »Moritz, der Teufel hat Deine Mutter geholt!« Mehrere Tage verließ er sein Zimmer nicht, konnte weder essen noch schlafen, und weinte und wehklagte unaufhörlich. Endlich zwangen ihn die Kriegsangelegenheiten wieder zu einiger Thätigkeit – er raffte sich empor, um seine Pflichten als Soldat zu erfüllen, aber der sonst so frohe und lebhafte Sinn war gebeugt, und seine Kraft gebrochen. Sein kriegerischer Ruhm bewährte sich zwar, und die so denkwürdige Schlacht von Kesselsdorf, die er gewann, setzte seinen früheren Waffenthaten gleichsam die Krone auf. Ihm aber fehlte die Freudigkeit, und obgleich seine Gesundheit sich wieder erholt und befestigt hatte, so schien sich sein Geist doch oft und gern mit der Erinnerung an die geliebte, treffliche Lebensgefährtin und mit der Hoffnung ihres Wiedersehens zu beschäftigen.

A.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 6. [o.O.] 1836, S. 435-438.
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