Marseille

[127] Marseille. In der von Bergen begrenzten Ebene, an einem Busen des mittelländischen Meeres liegt in Hufeisengestalt um den 1200 Handelsschiffe fassenden Hafen diese Hauptstadt des Departements der Rhonemündungen, berühmt und reich seit den ältesten Zeiten. Sie ist eine Pflanzstadt der Griechen, war der Mittelpunkt des alten Welthandels, wo Britannien, Gallien, Italien, Afrika und die Levante ihre Producte austauschten, und von wo die feinschmeckenden Römer den Thunfisch und Sardellen bezogen. Später (830) steigerten die seltenen Artikel Seide, Zucker, dann Oel, Seife und die Bereitung des Leders den Reichthum, den die Lieferungen für die Kreuzfahrer noch mehr erhöhten. Durch die Fehden gegen' die Albigenser, durch den Krieg Königs Alphons von Aragonien verfiel M., und Venedig erbte den Handel, den erst der gute König Réné 1669 wieder hinzog. Die Pest 1720 und Napoleons[127] Kriege untergruben ihn auf's Neue, jetzt aber blüht er wieder mächtig auf. Ueber 120,000 Ew. wohnen in 12,000 Häusern, die breite, schöne Straßen und Plätze bilden, in der Altstadt und ihren engen Gassen aber unansehnlich sind. Die Straße le Cours ist mit Bäumen bepflanzt, die hohen Gebäude derselben haben platte Dächer mit eisernen Geländern und sind mit seltenen Blumen und duftenden Orangebäumen besetzt, die ehemaligen Wälle aber abgetragen und in schöne Promenaden verwandelt. Zu den merkwürdigen Gebäuden gehören das Rathhaus, die Börse, die Domkirche, das Theater, zwei Arsenale und das große Lazareth mit musterhaften Quarantaineanstalten. Marseille ist ein heiterer Aufenthaltsort, und wenn auch die Gebirge den wenig einladenden Charakter der Provence tragen, so macht doch die milde Seeluft, die reizende Natur der Ebenen, der balsamische Hauch, der in Wiesen, Gärten, Auen und Weinbergen wachsenden edeln Gewächse, des Lorbeers, der Myrthe, Melisse, des Salbei, Rosmarin und Lavendel einen lieblichen Eindruck. Wild wachsen hier die duftigen Blüthen, welche die Boudoirs der ganzen Welt mit Parfum erfüllen und die Hügel sind bedeckt mit den hellschimmernden Landhäusern, Bastiden, deren Zahl auf 10,000 angegeben wird und wo Arme und Reiche, umgeben vom blassen Grün der Oliven und den herrlichen Blüthen der Mandelbäume die erquickende Seeluft athmen, welche in das Innere der Stadt nicht zu dringen vermag. Paradiesisch ist in dieser gesegneten Gegend die sieben Stunden lange, schöne Straße nach Aix, wo jene wildwachsenden, duftenden Gesträuche längs der Straße uns in einen Garten versetzen, und Wäldchen von Lorbeer und Myrthe dem Wanderer bezaubernde Ruheplätze bieten.

5.

Quelle:
Damen Conversations Lexikon, Band 7. [o.O.] 1836, S. 127-128.
Lizenz:
Faksimiles:
127 | 128
Kategorien: