Geschmack

[377] Geschmack (ästhetischer) ist die Disposition, Fähigkeit zu ästhetischen Urteilen; der gute Geschmack ist die Fähigkeit, Schönes schön zu werten, Häßliches als häßlich zu werten. – Nach KANT ist Geschmack »das Beurteilungsvermögen eines Gegenstandes oder einer Vorstellungsart durch ein Wohlgefallen oder Mißfallen, ohne alles Interesse« (Kr. d. Urt. I, § 5). Bezüglich des Geschmacks findet eine comparative Allgemeinheit statt (l.c. § 7). Der Geschmack ist »sensus communis aestheticus« (l.c. § 40), als Vermögen, die Mitteilbarkeit der Gefühle, die mit einer Vorstellung verbunden sind, a priori zu beurteilen (ib.). Geschmack ist bloß ein Beurteilungs-, nicht ein productives Vermögen (l.c. § 48; Anthropol. II, § 69B). Die »Antinomie des Geschmacks« löst sich durch die Erwägung, daß das Geschmacksurteil durch einen unbestimmbaren Begriff allgemeingültig wird, nämlich durch einen Vernunftbegriff vom Übersinnlichen des Gegenstandes und des urteilenden Subjects (Krit. d. Urt. § 57). Objective Geschmacksregeln gibt es nicht (l.c. §17). Nach SCHILLER tritt der Geschmack, als »Beurteilungsvermögen des Schönen«, zwischen Geist und Sinnlichkeit in die Mitte (Üb. Anm. u. Würde, Philos. Schr. S. 105). Nach VAUVENARGUES ist Geschmack (goût) »une aptitude à bien juger des objets de sentiment« (Introduct. à la connaiss. de l'espr. hum. p. 181). G. E. SCHULZE erklärt: »Alle schönen Gegenstände besitzen vermöge des Wohlgefallens an dem Anblicke derselben einen Wert besonderer Art für den Menschen. Die Fähigkeit,[377] diesen Wert zu erkennen und das Schöne von dem Häßlichen zu unterscheiden, heißt Geschmack« (Psychol. Anthropol. S. 361). SUABEDISSEN: »Wer eine sinnige Empfänglichkeit für das Schöne hat und es also leicht und sicher erkennet, hat Geschmack.« Im weiteren Sinne ist er »das Vermögen der Unterscheidung des Schönen und des Häßlichen« (Grdz. d. Lehre von d. Mensch. S. 263). – KRUG definiert: »Das Vermögen, die Gegenstände in Ansehung des Eindrucks, welchen sie durch ihre Gestalt oder Größe auf unser Gefühl der Lust und Unlust machen, zu beurteilen, heißt der Geschmack in geistiger Bedeutung.« Er ist nichts anderes als die ästhetische Urteilskraft (Handb. d. Philos. II, 55). Der Geschmack ist ein »transcendentaler« (l.c. II, 56) oder ein »empirischer« (l.c. II, 57 ff.). Nach KREIBIG ist Geschmack »eine ästhetische Werturteils-Disposition von deutlich bestimmter Richtung« (Werttheor. S. 159): – Vgl. MONTESQUIEU, Oeuvres 1759, IV, p. 223 ff. D'ALEMBERT, Mélanges d. lit., d'hist. et de philos. 1760, IV. A. GERARD, Essay on taste 1759 (dtsch. 1766). MEINERS, Verm. philos. Schrift. I, 133 ff. M. HERZ, Vers. üb. d. Geschmack 1776. Vgl. Ästhetik.

Quelle:
Eisler, Rudolf: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Band 1. Berlin 1904, S. 377-378.
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