Bilder, religiöse

[73] Bilder, religiöse, des Mittelalters. Das Folgende giebt meist im Anschluss an Otte, Handb. d. kirchl. Archäologie, Abschn. 154 ff. eine kurze Uebersicht über den Umfang des mittelalterlich-religiösen Bilderkreises. Die religiösen Bilder teilen sich in

I. mystische, mathematische Figuren, die man, im ganzen selten, an den Kirchengebäuden in Relief ausgeführt findet. Sie beziehen sich auf dogmatische und magische Materien. Das gleichseitige Dreieck = Trinität. – Quadrat = Welt. – Kreis = Ewigkeit. – Drudenfuss, siehe diesen Art. –

II. Symbole, grösstenteils aus der Bibel entnommen. Adler, Engel, Stier und Löwe sind die Zeichen der vier Evangelisten Johannes, Matthäus, Lukas, Markus. – Anker: Hoffnung. – Apfelbaum: Erbsünde. – Bär: Teufel. – Basilisk: der Schlangenkönig. – Bienenkorb: Beredsamkeit. – Buch: neues Testament. – Bundeslade: Mutterleib der Maria. – Der feurige Busch: Jungfräulichkeit der Maria. – Centaur: die wilden Triebe des Herzens; mit Bogen und Pfeil: der Teufel. – Edelsteine: die Tugenden oder die Patriarchen und Apostel. – Eidechse: ein Lichtsymbol. – Einhorn: Christus. – Elephant: Keuschheit. – Der Name Eva (Ave): Maria. – Farben: Siehe d. Artikel Farbensprache.Fels: Christus. – Fische (Delphine): Christen, namentlich in Beziehung auf die Taufe; der Fisch ist auch das Symbol der Gottheit und des Bösen. – Ein Fischer: Christus. – Die vier Flüsse des Paradieses: Die vier Evangelisten. – Gefäss mit Manna: Die wunderbare Fruchtbarkeit der Maria, das heilige Abendmahl. – Eine Hand aus den Wolken: Allmacht Gottes. – Einzelne durchbohrte Hände und Füsse: Der Gekreuzigte. – Der Hase, griech. λαγώς: Logos.Hahn: Verleugnung Petri, Ruf zur Busse, Wachsamkeit,[73] Orthodoxie. – Haus, das gebaut wird: christliche Kirche. – Hirsch im Wasser: heilsbegierige Seele. – Kelch: Priesterstand, Symbol des Templerordens. – Ein abgehauener Kopf, den ein Heiliger trägt: das Gott zum Opfer dargebrachte Leben. – Kreuz: Tod Jesu. – Krone, Kranz: Siegeslohn der Seligen. – Kugel: die Welt. – Lamm, oft mit Kreuz oder Siegesfahne: der leidende und siegende Christus. – Lämmer: Christen. – Leier: heilige Musik, Hochzeit zu Kana. – Lilie: Keuschheit. – Leiche, von Schlangen und Gewürm bekrochen: der Tod des Sünders. – Löwe: Träger und Wächter des Heiligtums, häufig an Kirchthüren und Thronsesseln; Christus; Einsamkeit; Teufel. Löwe unter den Füssen Christi: der überwundene Fürst dieser Welt. Auf Leichensteinen: Heldenmut. Löwin mit Jungen: Maria. Löwe, der die totgebornen Jungen durch sein Gebrüll ins Leben ruft: Auferstehung Jesu. – Marterwerkzeuge: Leiden Christi. – Eine kleine, oft puppenhafte Menschengestalt, nackt oder bekleidet: die dem Sterbenden entschwebende Seele. – Ölzweig: Friede. – Palme: Sieg der Gläubigen über den Tod. – Pelikan, seine Jungen mit dem eigenen Blute nährend: Opfertod Christi; Kirche; Schwangerschaft Marias. – Pfau: Unsterblichkeit; Juden; Teufel. – Phönix: Auferstehung. – Vergitterter Quell: Maria. – Regenbogen: Gnade. – Ring, aus dem ein Engel schaut: der geöffnete Himmel. – Fünf blätterige Rose: Verschwiegenheit. – Schafe: Jünger Jesu. – Schiff: Arche Noahs. Schifflein Petri: christliche Kirche. – Schlange: Teufel; giftige Schlange und Taube: Klugheit und Unschuld; erhöhte eherne Schlange: gekreuzigter Christus. – Schlüssel: Macht zu binden und zu lösen. – Schriftrolle: Altes Testament. – Schwan: Tod. – Stab Arons: Maria. – Sonne und Mond: Ewigkeit und Gottheit; Papst und Kaiser. Mit Sternen: Reinheit und Schönheit der Maria. – Sirenen: Verlockung; Wollust; Teufel. – Taube: heil. Geist. – Verschlossenes Thor: Maria. – Turm: Maria. – Vliess Gideons (Lammfell): Maria. – Weinstock, Weintraube: Christus; Abendmahl. – Widder: Versöhner. – Zahlen, siehe diesen Artikel.

III. Allegorische Darstellungen. Die biblischen siehe unter IV.; die profanen kommen aus dem klassischen Heidentum oder sind willkürlich ersonnen, die letztern zwar seltener, doch erscheinen sie schon im frühen Mittelalter, namentlich zur Darstellung der Tugenden und Laster. Dergleichen Darstellungen sind die Klugheit mit aufgeschlagenem Buche, die Gerechtigkeit mit der Wage, Mässigkeit in bescheidener Gebärde, Tapferkeit mit Speer und Schild. Über Glücksrad und Tod siehe die betreffenden Artikel.

IV. Biblische Bilder.

a) Typische. Die typische Auffassung ist in der mittelalterlichen Auffassung des alten Testamentes als typisches Vorbild des neuen Testamentes begründet und in der bildenden Kunst, der Theologie, den Predigten der Mystiker weit verbreitet. Schon Melito von Sardes zu Ende des 2. Jahrh. war geneigt, alle Heilsthaten des N.T. im A.T. vorgebildet zu sehen, ein Gedanke, der dann im 3 Jahrh. für die orientalische Kirche durch Barnabas, Justinus Martyr und Origines, in der occidentalischen durch Ambrosius, Hilarius und Augustin zur vollen, ja zur masslosen Entfaltung kam. Unterschiedslos wurde aus jedem alttestamentlichen Ausspruch oder Vorgang eine Weissagung auf Christum herausgefunden und der Prophetie als einer Weissagung im Wort der Typus als eine Weissagung in Sachen an die Seite gestellt. Zu den frühesten Bildern dieser Art gehören die Mosaiken von St. Vitale in Ravenna[74] aus dem 6. Jahrh. Ermoldus Nigellus in seiner Beschreibung des Palastes Karls d. Gr. zu Ingelheim hebt hervor, dass die Kapelle an der einen Langwand mit 20 Geschichten des A.T. und gegenüber mit ebenso vielen des N.T. geschmückt war. Auf dem Antipendium von Bronze, das dem sogen. Verduner Altar in Kloster Neuburg bei Wien angehört, sind 17 neutestamentliche Bilder aus dem Leben Christi vorgestellt, deren jedem zwei alttestamentliche beigeordnet sind, eines der Zeit nach ante legem, das andere sub lege, d.h. Handlungen vor und nach der Mosaischen Gesetzgebung darstellend. Die weiteste Verbreitung gewann die typische Auffassung in der Biblia pauperum, siehe den bes. Artikel.

b) allegorische, Darstellungen solcher Szenen, die in der Bibel nicht als Geschichte, sondern als Visionen, Parabeln, Weissagungen enthalten sind; sie werden oft willkürlich gedeutet und weiter ausgebildet. Beispiele: Himmelsleiter, die Träume Josephs, der gute Hirte, Weinberg des Herrn, kluge und thörichte Jungfrauen, Christus eine Kelter tretend, aus welcher Hostien fallen, Antichrist, Auferstehung der Toten, Fegfeuer, jüngstes Gericht, Abrahams Schoss, Hölle, Dreieinigkeit, Stammbaum Christi, der englische Gruss, Heimsuchung Mariä, Zug nach Bethlehem, Geburt Christi, Anbetung der Weisen, Darstellung im Tempel, Kindermord zu Bethlehem, Flucht nach Ägypten, der zwölfjährige Jesus, der Knabe Jesus, der dem Vater hilft, Taufe im Jordan, Versuchung, Christus als Lehrer und Wunderthäter, Verklärung, Palmenzweig, Fusswaschung, Abendmahl, Ölberg, Gefangennehmung, vor Pilatus, Geisselung und Dornenkrönung, Ecce homo, Christus im Kerker, Stationen, Kreuzigung (siehe Kruzifix), Vesperbilder, hl. Grab, Christus in der Vorhölle, Auferstehung, Noli me tangere, Gang nach Emaus, Himmelfahrt, Pfingstfest, Salvatorbilder.

c) historische Bilder; die am häufigsten vorkommenden sind: Gott Vater, die Engel, der Teufel, Adam und Eva, Kain und Abel, Noah und die Arche, Turm zu Babel, Abraham und Melchisedek, Isaaks Opferung, Patriarchen, Moses, Aaron, Josua, Gideon, David, die 4 Harfenspieler (1. Chron. 15, 19; 16, 42), Salomo, Propheten; Christus, Maria, Apostel, die vier Evangelisten. Die Heiligen werden stets mit bestimmten Attributen abgebildet, welche biographisch oder symbolisch zu deuten sind.

V. Heiligenbilder machen die Mehrzahl der in der mittelalterlichen Kirche vorkommenden Bilder aus, besonders kehren in jeder Kirche die Patrone der Kirche oder Diözese häufig wieder, über dem westlichen Hauptportal, auf den Rückseiten vieler Altarflügel, auf den Turmspitzen unter den Windfahnen. Die Heiligenbilder sind an dem Nimbus kenntlich, den sie um das Haupt tragen. Siehe den Art. Nimbus.

Quelle:
Götzinger, E.: Reallexicon der Deutschen Altertümer. Leipzig 1885., S. 73-75.
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