[773] Pferd. Unter allen Haustieren stand schon im Altertum, besonders aber durch das ganze Mittelalter dem Deutschen keines so nahe wie das Pferd. Ross und Reiter waren so unzertrennlich wie Seele und Leib. Daher die Unmasse von Sprichwörtern und Redensarten, die sich aufs Pferd beziehen, und die grosse Zahl der Namen für dieselbe. Jähns nennt deren dreiundsechzig und sieht dabei ab von der Fülle der lokalen und historischen Varianten. Die gebräuchlichsten Bennennungen sind: ahd. hros, ros, equus, caballus, jumentum, marah; nord. mar, mert, angs. maere, mere, equa; oder auch pherit, poledrus, vilis equus, parafrid, parafredus, veredarius; mhd. ros, ors, merch, marc, pfaerît, phaerît, pfaert, merhe, meriche, equa; die Sprache ist nicht konsequent in diesen Bezeichnungen. Im Volksepos überwiegt der Ausdruck marc im Sinne von Streitross, das sonst in der Regel ors oder kastelân genannt wird im Gegensatz zum cläpper, Klepper, ein Nebenpferd. Das Wort Gaul, gûl, bezeichnet ursprünglich den Eber, das Ungeheuer, auch den Hahn und ging erst im 15. Jahrhundert auf das Pferd über und zwar auf das männliche Zuchtpferd, während caballus einen verschnittenen Hengst bezeichnen soll, einen Walach, wallach. Zelter oder Passgänger heisst ein Pferd mit sanfter Gangart, ein Frauenpferd. Das runzît ist ein Klepper von geringerer Qualität, der höchstens von Dienern oder Knappen zum Reiten benutzt wird. Der Renner heist ravît; ein kraftloses, stolperndes, hinkendes Pferd heisst Kracke oder gurre. Die jumente oder Stute ist ein weniggeschätztes Lasttier, das nur von Leuten geringen Standes geritten, meist aber für den Karren verwendet wird. Die soumaere, soumari, soumare, somare, somere, soumar, burdo, trug auf den schlechten Saumpfaden die soumschrîn, leitschrîn, worein die Effekten verpackt waren, in welche Arbeit sich auch der Maulesel, mûl, lat. mulus, ahd. mul, mulus, mûlin, mula, teilte, der höchstens von Priestern und Frauen zum Reiten benutzt wurde. Hangt, hanke bedeutet ursprünglich Füllen, erst gegen Ende des Mittelalters legt der Sprachgebrauch dem Worte hengst, hengest die Bedeutung von Vollross zu, welches bis dahin mit mâdum, aithms, maiden, benannt wurde, auch mit meienpfert, münchpfert.
Keineswegs gleichgültig ist die Farbe des Pferdes. Obenan steht der Schimmel, blancros, bleichros. Durch das ganze Mittelalter werden die Dichter nicht müde, die wünneclichen gevar (Farbe) der Pferde dieser Art zu schildern. Der Schimmel ist schon in der Mythologie das Attribut der guten Götter, in der Sage ist er oft eine rettende Erscheinung, und so bleibt er auch im täglichen Dienst als Streit- und Jagdross das Königspferd. Der Rappe ist das Attribut des Bösen. Falbe Pferde waren wenig geschätzt. Die vier Hauptfarben: Schimmel, Rappe, Fuchs und Brauner wurden gern mit den vier Elementen und den vier Temperamenten zusammengehalten. Der Schimmel repräsentierte das weiche Element des Wassers und das Phlegma, der Rappe als Melancholiker die Erde, der Fuchs als Choleriker das Feuer und der Braune musste ein Sanguiniker sein und die Eigenschaften der[773] leicht beweglichen Luft besitzen. Doch sind die Angaben hierüber oft verschieden.
Die Herkunft des Pferdes ist nicht nachzuweisen; dass aber die germanischen Völker schon sehr früh sich das Tier dienstbar gemacht haben, ist unzweifelhaft. Herodot berichtet, in den Ländern jenseits der Ister würden Pferde gehalten, die sich durch ihre 14 Zoll langen Mähnen auszeichnen, aber brauchbarer zum Ziehen als zum Reiten seien. Dieser Beschreibung entspricht nicht schlecht das langhaarige und schwere germanische Pferd, wie es das frühere Mittelalter aufweist, wahrscheinlich als eine Eigenart der deutschen Lande, denn die antike Welt kennt nur das leichte Pferd von orientalischem Typus. Tacitus und Cäsar sind nicht sehr erbaut von diesem deutschen Pferde. Der kräftige Bau desselben, die breite Brust, der volle Hirschhals entsprechen nicht nur der rauheren Weide des Nordens, sondern auch dem anstrengenderen Dienst.
Das wilde Pferd scheint in Germanien nicht vorgekommen zu sein, wohl aber das verwilderte in grossen Scharen. Übrigens scheint der Pferdekultus wenigstens in bezug auf das weisse Pferd eine sorgfältige reine Zucht schon früh bedingt zu haben. Die heiligen Hengste der Tempelhaine hatten eine gewisse Anzahl Stuten, die sich nur mit ihnen paarten, und so erhielt sich durch den Kultus der auserlesenste Stamm der Pferde unvermischt. In den ältesten Zeiten hielt sich die Herde wohl fast das ganze Jahr auf der Waldweide auf; doch gehört schon bei den Alemannen zu den vollständigen Wirtschaftsgebäuden auch ein »armentum equorum«. Eine vollständige Heerde (stodhross, equaritia) zählte zwölf Stuten und einen Hengst. Diese stand unter einem Rosseknecht oder marischalk, mariscalcus. Die Kastration war wenigstens den Quaden nicht unbekannt. Besonders sorgfältig wurden Schweif und Mähne der Pferde gepflegt; nach denselben erhielten diese meist ihren Namen. Nach angelsächsischem Rechte musste derjenige, der sich am Haarschmuck eines Pferdes vergriff, dasselbe so lange ans Futter nehmen, bis der Schaden ausgewachsen war, und er hatte dem Geschädigten unterdessen ein anderes Pferd als Pfand zu leihen und zur freien Benutzung zu überlassen. Verlor ein Pferd den Schweif völlig, so ward es dienstuntauglich erklärt. Berühmt waren die friesischen Pferde durch Ausdauer und Kraft, die burgundischen durch Schönheit und Gewandtheit, ganz besonders aber die thüringischen, die sich eines hohen Rufes erfreuten. Vegetius empfiehlt sie sogar den Römern, um deren Kriegspferdezucht wieder aufzufrischen, und Theodorich d. Gr., dem der Thüringer König Hermanfrid edle Pferde gesandt, gedenkt mit grosser Anerkennung ihrer Trefflichkeit, preist ihre schöne, silberne Farbe, ihre edle Gestalt, den feinen, hirschähnlichen Hals, die bei ihrer Grösse und mächtigem Bau auffallende Schnelligkeit, ihren leichten Schritt und ihre Ausdauer. Noch im Mittelalter genossen die thüringischen Pferde den gleichen Ruf.
Auf diese Weise wurde die Pferdezucht ohne Zweifel bald zu einer nicht unergiebigen Quelle des Wohlstandes unserer Altvordern. Schon sehr früh fand ein ausgedehnter Pferdehandel mit den römischen Provinzen statt; später war namentlich nach England der Absatz stark. Noch Hugo Capet sandte dem britischen Fürsten Athelstan, um dessen Schwester er warb, als vorzüglichstes Geschenk germanische Hengste, und der gleiche britische König erwähnt in seinem Testamente als besonders wertvoll mehrere sächsische Rosse mit Namen. Abgesehen davon, wurde von den alten Germanen[774] die Stutenmilch nicht ungern getrunken sowie auch zur Butterbereitung verwendet, und der Genuss des Pferdefleisches war ein ganz allgemeiner. Dieser wurde erst durch die christlichen Glaubensboten verdrängt, da das Schlachten und Verspeisen des Pferdes bei den Germanen mit dem Wodansdienste eng zusammenhing.
Über die damaligen Pferdepreise sind nur spärliche Angaben vorhanden; die wenigen, die man kennt, zeigen an, dass das Pferd zahlreich vorhanden und darum leicht erhältlich war. Nach altenglischen Gesetzen schätzte man ein Fohlen unter einem Jahr auf 24 Schillinge, im zweiten Jahre wurde es 48, im dritten 60 Schillinge wert und für dienstfähig anerkannt. Acker- und Karrengaul behielten diesen Wert bei, während Schlacht- und Saumrosse bis auf das Doppelte steigen konnten. Nach der lex salica betrug der Preis eines solchen Pferdes 40 Solidi; ein Stier galt 35 Solidi. Dieser Vergleich lehrt, dass die Pferde nicht bedeutend teurer waren als die Rinder.
Von den Tiergefechten, die im Altertum beliebt waren, finden wir wiederum bezeichnend genug auf deutschem Boden die Hengsthatz, hestating, hestavig.
Wie kräftig im Kriegsdienste die deutsche Reiterei schon im Altertum mitgewirkt hat, ist im Artikel Kriegswesen dargethan worden. Das Pferd war auch das älteste und ursprünglichste Lehensgut. Bei den Tenchterern wurde das Streitross daher nicht auf den ältesten Sohn vererbt, wie das beim übrigen Nachlass der Fall war, sondern auf den kühnsten und besten Krieger unter den Hinterbliebenen. Sogar beim Brautkauf spielt das Ross die erste Rolle. Der germanische Bräutigam brachte als Heiratsgabe ein gezäumtes Ross und die nötigen Waffen. Dieses Ross soll silberweiss sein. Im westgotischen Gesetze werden neben Sklaven dreissig Rosse und Rinder als die wesentlichen Teile des Mundschatzes erwähnt, und auch bei Ostgoten und Franken führen edle Freier dem Brautvater erlesene geschmückte Pferde zu. Dichterische Übertreibung ist es ohne Zweifel, wenn die Mähnen dieser Tiere oft bis auf die Hufe herniederreichen.
Das Besteigen des Pferdes gehört zur Mündigkeitserklärung, ist ein Zeichen des Besitzes der Vollkraft. Das Pferd fehlt darum bei der Schwertleite nicht, ja diese Schwertleite fand nach einer alten Sage zumeist »am grossen Pferdetag« statt, am St. Stefanstag, wie denn überhaupt St. Stefan der grösste Pferdeheilige ist. Ihm kommt der heilige Georg am nächsten. Das Reiten hat also eine feierliche symbolische Bedeutung. Schon im Altertum wurde der neugewählte König aufs Pferd gesetzt, damit er sich allem Volke als würdig und gewählt zeigen konnte. In diesem Sinne bestieg auch Chlodwig, als er die ihm vom Kaiser Anastasius übersandten Insignien, Diadem und Purpur, angelegt hatte, sein Pferd und zeigte sich dem Volke, das ihm jubelnd den Titel »Consul et Augustus« entgegenrief. Für Edle war das Zufussegehen für höchst unanständig angesehen, es galt geradezu für eine Schmach. Vom König Harald, Kanuts d. Gr. Sohn, erzählt der Chronist, er sei von seinem Vater so abgeartet und so unbekümmert um edle Sitten gewesen, dass er gegen seine königliche Würde lieber zu Fuss gegangen als geritten sei und daher auch den Namen »Harald Harefoet«, (Hasenfuss) empfangen habe.
Die Gewandtheit im Reiten wurde massgebend für die Tüchtigkeit und Brauchbarkeit eines Mannes. Daran erinnert z.B. der Rechtsgebrauch[775] des Rittersprunges oder des Vorritts. Schon nach alemannischen Gesetzen weist sich der Herzog in der Weise über seine Befähigung zum Felddienste aus, dass er ohne Hilfe sein Ross zu besteigen weiss; die volle persönliche Zurechnungsfähigkeit wird auch noch durch das ganze Mittelalter auf gleiche Weise bewiesen. In schriftlichen Verträgen ist bemerkt, dass der Geber oder Verpfänder verfügt habe »dieweil er reiten und gehen konnte«, oder »dieweil er noch so jung und gesund war, dass er in seinem kurris von der Erde auf ein hengstmässig Pferd sitzen und sich in dieser Stellung dem Landvogt erzeigen mag.« Hatte z.B. der adelige Besitzer eines Mannslehens keine männlichen Erben, so durfte er sein Gut ohne weitere Erlaubnis des Landesherrn veräussern, sobald er seine unzweifelhafte »Dispositionsfähigkeit« dadurch bewies, dass er vollkommen kriegerisch gerüstet, ohne Hilfe, namentlich ohne die Steigbügel zu berühren, »in das gereite sprang«. Die Verordnung des Sachsenspiegels ist milder; sie verlangt nur, dass der Vererbende noch vermöge, mit Schwert und Schild auf ein Ross zu kommen, »von einem Stein oder Stock, einer Daumellen hoch, also doch, dass man ihm Ross und Stegreif halt.« Man sieht aus dem Zusammenhang dieser Gebräuche, welch hohe Wichtigkeit auch im Rechtsleben das Pferd hatte, und daher ist es ganz begreiflich, wenn die altgermanische Justiz der rechten Hand und dem linken Fuss einen höheren Wert beilegte, als der linken Hand und dem rechten Fuss. Denn wie die rechte Hand das Schwert führt, so ist es der linke Fuss, der »intapfet,« d.h. beim Aufsitzen in den Steigbügel tritt. Der Frevel an diesem wird daher mit einem höheren »Wehrgeld« bezahlt, als der an den entsprechenden anderen Gliedmassen.
Wie das Pferd im Leben vom Reiter unzertrennlich war, so blieb es auch im Sterben. Es klingt ohne Zweifel an den Gebrauch der häufigen Pferdeopfer an, wenn im deutschen Altertum dem abgeschiedenen Reiter das Pferd ebenfalls beigegeben wurde. Bekanntlich verbrannten die Deutschen ihre Toten. Dass dabei das Leibross des Verstorbenen mitverbrannt wurde, bekundet Tacitus Anmerkung: »quorundam igni equus adjicitur.« Das Pferd war ohne Zweifel auch ein Opfer, das dem Totengotte dargebracht wurde, und sollte dem Ritter gleich mitgegeben werden, damit es ihm im Jenseits unter keinen Umständen an dem notwendigsten Freunde fehle. Schon in vorchristlicher Zeit ging man jedoch von der Verbrennung der Leichen zur Bestattung über. Hervorragende Männer wurden nun auf ihrem Lieblingsrosse sitzend in's Grab gesenkt, während die übrigen Rosse des Verstorbenen auf dem Grabhügel geopfert wurden.
Das kriegerische Reitertum tritt besonders durch die Franken in ein helleres Licht, Hand in Hand mit der Ausgestaltung des Lehenwesens. Jeder Vasall empfängt sein Lehen und ist zur berittenen Heerfolge verpflichtet. Aber auch der »Gemeinfreie« tritt, wenn er eigenen Grundbesitz hat, als Reiter auf. Der Edelmann besitzt das Rittergut, der freie Bauer den Sattelhof, das Reitlehn, Reiterlehn, Klepperlehn, den Klepperbesitz oder die Reithufe. Der Unterschied zwischen dem adeligen Ritter und dem berittenen Freien trat erst im 10. Jahrhundert schroffer hervor, da der erstere in bezug auf die Ausrüstung mit Trutz- und Schutzwaffen immer weiter ging und grosse Summen auf das Gereite verwendete, während der Bauer, dem diese Mittel nicht zur Verfügung standen, dadurch vom schweren[776] Ritterdienst ausgeschlossen, ja buchstäblich vom Pferde verdrängt wurde. Es wurde auch bald Gewohnheitsrecht, dass Lehen, von denen die berittene Heerfolge verlangt war, nur noch an solche vergeben wurde, deren Väter den gleichen Dienst schon geleistet hatten. So bildete sich besonders seit Konrad II. ein Stand der Milites. Vgl. den Art. Adel und Heerwesen.
Was die Pferdezucht betrifft, so hat Pipin noch dem Pferdemangel hauptsächlich durch Requisition abgeholfen, sodass ihm z.B. die Sachsen und Thüringer einen jährlichen Tribut von 300 Pferden entrichten mussten; schon Karl Martell benutzte die Pferde, die er den ins Frankenland eingefallenen Arabern abgenommen hatte, zur Hebung der inländischen Zucht und legte so den Grund zu den trefflichen Limousiner Schlägen. Sichere Nachrichten liegen aus der Zeit Karls d. G. vor. Auf dem Königshof zu Asnapium wurden 51 Stuten, jumenta majora, nebst fünf dreijährigen, sieben zweijährigen und sieben einjährigen Stuten gehalten, sodann zwölf zweijährige und acht jährige Hengstfohlen, poledri; und endlich die Beschäler, emissarii. Auf einem andern Königshofe waren vorhanden: 79 alte Stuten, 24 dreijährige, 12 zweijährige und dreizehn jährige Stutenfüllen, ferner sechs zweijährige und zwölf jährige Hengstfohlen, sowie fünf Beschäler. Es sind dies die ältesten Nachrichten über deutsche Gestüte. Karl gab den Rossen Königsfrieden »pacem habeant per bannum regis« und verbot die Ausfuhr von Hengsten. Eins der ausgezeichnetsten Gestüte des nachfolgenden Jahrhunderts scheint dasjenige des Herzogs Ludolf von Schwaben gewesen zu sein, der um 940 jenen berühmten Stutengarten besass, welcher der Stadt Stuttgart den Namen gegeben hat.
Die Folgezeit betrachtete es zunächst als ihre Aufgabe, ein schweres Pferd zu ziehen, da dasselbe nicht nur eine grosse Last zu tragen fähig sein musste, sondern auch selbst als Waffe diente, indem es mit der Wucht seines Körpergewichtes die feindlichen Reihen mitunter zu sprengen hatte. Das Gewicht des Reiters aber soll mit demjenigen der Ausrüstung von Ross und Reiter im 12. Jahrhundert 340, im 16. Jahrhundert ungefähr 440 Pfund betragen haben. Die Stutereien im eigenen Lande mehrten sich beträchtlich, und um den Kriegern den Besitz dieser schweren Pferde zu sichern, verboten Verordnungen des 14. Jahrhunderts den Besitz eines Ritterpferdes jedem Nicht-Wappengenossen. Die Zucht dieser Pferde scheint hauptsächlich in Niederdeutschland und Dänemark geblüht zu haben, wurde dann aber durch die Hohenstaufen auch nach Süddeutschland verpflanzt, so besonders durch Friedrich II., der auch auf sizilianischen Gebieten grosse Stutereien unterhielt.
Doch hatte die deutsche Pferdezucht zu ihrer Hebung auch schon fremdes edles Blut verwendet, so namentlich spanisches, spanjol, râvit, von Spanje, Kastelân, welch letzterer Ausdruck so viel heisst, als Schlachtross aus Kastilien, ja er ist geradezu der Inbegriff des Vollkommenen. Die Römerzüge führten das italienische Blut ein und die Kreuzzüge das morgenländische. Die arabischen Rosse, mit dem orientalischen Originalwort »faris« benannt, waren zwar leicht an Körpergewicht, aber nichtsdestoweniger schon sehr geschätzt. Später wurden auch türkische Pferde eingeführt. Diese morgenländischen Pferde wurden aber mehr als Paradepferde verwendet und konnten namentlich im Felddienste dem deutschen schweren Rosse den Rang nicht streitig machen.
Der Pferdediebstahl war ein altgermanischer[777] Brauch. Wie der Araber heute noch keine Sünde darin erblickt, dem Nachbar ein Pferd wegzunehmen, wenn er im Forteilen diesem zurufen kann: »Ich nehme dir dein Pferd!« so scheint das deutsche Sprichwort: »Mit Verlaub kann man dem Bauer das Pferd aus dem Stalle stehlen,« ziemlich dasselbe anzudeuten. In der That gehörte der Pferdediebstahl mit dem Holz und Jagdfrevel in die gleiche Kategorie des Diebstahls, in diejenige nämlich, die ein gewisses Privileg und die volle Sympathie des Volkes für sich hat. Zwar verwies das altdeutsche Recht den Pferdedieb an den Galgen, aber es scheint, dass die angedrohte Strafe wenig fruchtete.
Bei der vermehrten Aufmerksamkeit, die man dem Pferd im Mittelalter zuwendete, wurden auch die Preise bedeutend höher. Zu Anfang des 10. Jahrhunderts wurde ein Streitross mit 30 Joch Landes und einer Hofstelle bezahlt. In Westfalen galt 100 Jahre später ein gutes Pferd dreissig Schillinge, wofür man wol Hunderte von Scheffel Korn kaufen konnte; und derselbe Preis erscheint auch noch im 12. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der dreissig Schillinge so viel wie 1000 Viertel Weizen galten. 1385 blieb dem Ritter Simon von Haune im Gefecht ein schwarzer Hengst, welcher auf 150 Gulden angeschlagen wurde; einen anderen Hengst, der unter ihm erstochen ward, schätzte man auf 130 Gulden.
Im Kriege galt im 11. und 12. Jahrhundert der schwergerüstete Reiter soviel wie 12 Fussstreiter. Er ritt auf der »reise«, leicht geharnischt, einen palefrei; seine schwere Rüstung war einem besonderen Klepper aufgebürdet, während der Kastelân, das eigentliche Streitross, ledig folgte, damit es frisch sei, wenn es bei beginnendem Kampf bestiegen würde. Parallel mit der Entwickelung der Adelsreiterei ging auch diejenige der Konstabler in den Städten. Auch die reichen Kaufherren der Städte zogen den Kriegsdienst zu Pferde vor. Die geringeren Zünfte thaten Dienst zu Fuss. Da ihnen aber nach und nach dieser Dienst auch zu beschwerlich werden wollte und sie sich der reise nur sehr ungerne anschlossen, »wurdent sie reitende uf wegeren«, Man setzte nämlich ihrer vier bis sechs auf einen Wurstwagen und fuhr sie als gespannglevener, wagenreuter, wurstreuter dem Heere nach, freilich mussten sie sich die beissendsten Spottreden gefallen lassen. Vielerorts in Deutschland kannte man den sogenannten »umgehenden Rossedienst«, d.h. die vermögenden Bürger hielten abwechselnd gegen Kost und Entschädigung ein gerüstetes Pferd, um auf Ratsgebot »mit der Stadt Gefahr« eine Reise zu thun.
Dass das Schlachtross ein Hengst sein musste, war ganz selbstverständlich; Walache oder gar Stuten zu reiten, galt für den Edeln als schimpflich. Über die Turniere siehe den bes. Art.
Erstaunen darf man auch, mit welchem Aufwand an Pferden die grossen weltlichen und kirchlichen Feste des Mittelalters verbunden waren. Ein Festbericht vom Konzil in Konstanz (1414) sagt u.a.: »Des ersten ritt der Graf Hugo Planani von Rymeln, des Bapsts Marschalk, in einem roten, sameten Rock, und gingen ihm nach zwölf weisse Pferd gesattelt, mit rotem Tuch verdeckt, darnach des Bapstes Kreuz, darnach die Singer des Babstes, darnach ritten auch die Advocaten und Auditores in ihrem Habit. Nach den Auditores kamen die Abt und die Bischöff und die Erzbischöff, die zu reiten hatten, der waren an der Zahl hundertundsechsundzwanzig, alle mit verdeckten Rossen, und hatt ihr jeglicher einen Ehrbarn, der ihm[778] das Pferd bei dem Zaum führte. Nachdem führte man einen schönen hohen Hut, der war weit, dass er wol an einer engen Strass von einem Haus zu dem anderen reichet, und der war rot und geel geteilet, nach der Länge und darauf ein guldener Engel. Darnach gewappnet Leut und alle Stadt und Zünften Kerzen, und all Posaunen, die posauneten aber nicht. Darnach ritten die Kardinäl, je zween und zween, derer warens zweiundzwanzig. Darnach drei Patriarchen, darnach unser heiliger Vater, der Bapst, und ritt unverdeckt, dass ihn allermännlich sahen, und sass mit der Krone und mit seinem ganzen Habit auf ein weisses Pferd, das war mit Rotem verdecket. Und ging unser Herr, der König, zu Fuss dar und neiget sich auf seine Knie und nahm das Ross zu einer Seiten mit der Hand beim Zaum, und nahm es zu der andern Seiten auch bei dem Zaum der Markgraf von Brandenburg und hinter dem König ging Herzog Ludwig von Bayern und hub des Rosses Decken auf zu einer Seiten, und zu der andern Seiten ein gefürsteter Graf, und zogen also ab dem Hof, und ward dem Bürgermeister Heinrichen von Ulm das Ross, darauf der Bapst geritten war.«
Im Ganzen wird die Zahl der Fremden, die sich zu diesem Konzil in Konstanz eingefunden haben, auf 100,000, die Zahl ihrer Pferde auf 30,000 angegeben.
Neben den Turnieren waren auch Wettrennen schon im Mittelalter beliebt. Dieselben waren mit den Lenz-, hauptsächlich aber mit den Jakobifesten verbunden. Die Preise waren nach heutigen Begriffen etwas niedrig. So feierte München sein erstes »Rennend« 1488 unter Albrecht dem Frommen. »Das vordrist phardt gewann ein scharlachthuch, das ander darnach ein Sperber mit seiner Zugehörung, das dritt ein Armbrust, das letzt Pfardt ein Saw.« Die gleichen Preise erscheinen auch anderorts, so in Wien und Augsburg. 1470 erscheint ein Preis von 45 Gulden in bar. Eine bayerische Landesordnung von 1616 verbietet diese Feste, da sie in der Fastenzeit schier wöchentlich angestellet werden.
Das Gereite oder Reitzeug besteht aus Zaum, Sattel und Sporn. Zum Zaum gehört die Halfter, ahd. halftra, mhd. halfeter, der Kopfriemen mit Halsgurt, ferner das Gebiss. Im weiteren Sinne zerfällt er in das Hauptgestell, Mundstück und die Zügel. Das Gebiss, brîdel, prittil, bredel, bestand ursprünglich aus Hanf, dann aus Holz und endlich aus Metall. Die letzteren unterscheidet man in Trenser- und Stangengebisse; Trense ist die ältere Form. Der Sattel, ahd. satul, mhd. satel, hersessel, besteht aus dem Holzgestell, den Sattelbäumen, welche durch Stege oder Schaufeln miteinander verbunden sind, und den Polstern. Unten hangen die Steigbügel, stegenhaft, stegreif. Die Sporen, sporin, sporn, sitzen am Fusse des Reiters und dienen nicht nur zum Antreiben des Pferdes, sondern haben auch eine symbolische Bedeutung, diejenige der Ritterschaft und Wehrfähigkeit. Der Reiter trug noch im 10. Jahrhundert nur einen Sporen und zwar am linken Fuss und ohne Rad. Die alten Deutschen kannten den Sattel noch nicht; sie sassen auf dem nackten Pferd. Zur Zeit der Römerkriege noch hielten sie denselben für ein Zeichen von Weichlichkeit und glaubten, er verrate Mangel an Geschick in der Behandlung des Pferdes. Später bediente man sich des übergeworfenen Tierfells als Sattel und hiess dasselbe bast. In Ermanglung eines solchen mag auch der Baumbast Verwendung gefunden haben, wie auch der Zaum ursprünglich aus demselben Stoffe bestand; noch im Mittelalter tritt[779] dergleichen Zaumzeug auf. Von Parzivals Klepper heisst es: »sîn zoum, der was pästin.« Den ersten Reitsattel erwähnt der heilige Hieronymus um 340 n. Chr., ohne ihn jedoch näher zu beschreiben. Üblich war noch bis spät ins Mittelalter ein kleiner Sessel, der vermittelst Riemen auf dem Pferde festgemacht wurde. Jedenfalls hatte der Sattel des germanischen Altertums noch keine Steigbügel. Dagegen finden sich bei den Gräberfunden aus der Merowingerzeit schon trefflich gearbeitete Trenser mit eingekettetem Gelenk und eisernen Rosetten.
Schon im 9. Jahrhundert finden sich die ersten Spuren von der Bepanzerung des Pferdes, wenn auch nach der berühmten Tapete von Bayeux dieselbe noch lange nicht allgemein in Aufnahme kam. Die Gräberfunde zeigen neben Sättelschnallen, eisernen Gebissen, eisernen, verzinnten Steigbügeln und starken Hufbeschlägen Teile eines Pferde-Schuppenpanzers. Ein in Stuttgart befindliches Psalterium aus dem 10. Jahrhundert zeigt etwas schlanke Pferde, gezäumt mit einfacher Trense. Die Sättel entbehren noch der bald nachher üblichen hohen Lehnen. Bis zur ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts erscheint auch auf allen Darstellungen, namentlich auf den Reitersiegeln, immer nur ein Zügel oder brîdel; von da an erscheinen sie zu zweien. Auch das Gebiss verschärft sich namentlich im Turnierdienste sehr. Zu den stärksten dieser Instrumente gehört das Wolfsgebiss, orginoe, lupata, zu den eigentümlichsten, aber häufigen der Zaum mit Maulkorb, der sich bis zum Ende des 16. Jahrhunderts vielfach findet. Der Zaum, namentlich der Hauptzügel erscheint mit glänzendem Beschlag.
In der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts kommt auch das Schellenzeug am Zaume vor, das durch Kreuzfahrer von den Orientalen herübergekommen sein. soll.
Was die Rüstung des Streitrosses anbelangt, so bestand diese im 11. Jahrhundert aus »Schindeln und Rauten«: Im 13. Jahrhundert traten leichtere geflochtene »Kettenpanzer«, parsen, barschen, wahrscheinlich persischen Ursprunges auf, und die Rüstung umgab bald das ganze Tier mit Ausnahme der Beine und Weichteile. Den Kopf des Streithengstes bedeckte die Rossstirn, chanfrien, ein larvenartiger Stirnschutz, der auch aber selten zum völligen Kopfpanzer ausgebildet wurde. Die Augen waren durch Drahtgitter geschützt. Oben ragten meist zwei kleine Röhren empor zur Aufnahme von Federbüschen, an deren Stelle auch das gügerel, houbestiudel, ein metallenes Wappenbild treten konnte. Über die Nase ging eine etwas längere Schneppe, und unten am Maul öffnete sich ein Ausschnitt, um die gehörige Festigung des Gebisses und der Stange anzubringen. Die mehrfach gegliederte Halsrüstung war aus verschiebbaren Metallstreifen zusammengesetzt und mit eisernen Stäbchen an das Kopfstück befestigt. Den länglich gewölbten Brustharnisch hielten Haken am Sattel fest. Er war in der Mitte häufig mit einer metallenen Halbkugel geschmückt, an der sich die Gewalt etwaiger Lanzenstösse brach. Das Hinterteilstück war ebenfalls mit Haken am Sattel befestigt. Es war sehr breit und hoch gewölbt und bedeckte die ganze Kuppe. Alles das wurde mit starken Riemen und Schnallen fest zusammengehalten. Zu Ende des 13. Jahrhunderts wurde es überdies üblich, das Pferd zu »verdecken«, verlankenieren, also über die Rüstung noch eine Oberlegedecke, das »Dach«, kleit des orses, die grôpière oder converture zu breiten, die oft bis auf den Huf des Pferdes herniederreichte. Diese Decken waren Schaustücke[780] und enthielten oft das gestickte Wappen des Ritters. Beim Kampf wurden sie aufgeschlagen. Der Sattel bestand aus Buchenholz und war stark mit Eisen beschlagen, natürlich nach innen und aussen gepolstert und reich verziert. Die hohen Vorder- und Hinterpauschen (satelboge) gewährten einen überaus sicheren und bequemen Sitz. Die Turniersättel wurden zudem vorne bis zu den Steigbügeln hinab schildartig verlängert zum Schutze der Beine des Ritters, und sahen darum einer kleinen Festung nicht unähnlich. Sie waren nicht selten zinnoberroth angestrichen. Zum Reisen benutzte man leichtere Sättel, die eine freie Bewegung gestatteten.
Die Quersättel für Frauen kamen im 12. Jahrhundert auf. Zwar fanden sie nicht so rasch Eingang und man findet auf bildlichen Darstellungen noch lange fort Frauen, die schrittlings ritten. Übrigens ritten Mann und Frau auch nicht selten auf einem Pferde. Die Frau hielt sich in diesem Fall am Gürtel des Mannes fest.
In bezug auf das Verkehrswesen ist endlich noch zu bemerken, dass bis auf unsere Zeit das Pferd der einzige Vermittler war. Daher genoss es auch im jus prov. elem. schon das Recht, überall das benötigte Futter zu beanspruchen. »Ain fremde man snidet wol sinem mueden pfäriden ain fuoter, daz gen ainem pfeni wert ist, ob er went, daz es im erliegen welle .... Er lat auch sin pfärde treten mit den sonderen fuezen in das korn und lat ez ezzen, und er soll des fuoters nit von dannen fueren.« Ein altmodisches Recht erklärt sogar, dass der Reiter, der sein Pferd abgesattelt und Herberge genommen hat, den Schutz geniessen soll, als sei er auf seinem eigenen Boden, während doch der Fremde sonst als vooelfrei angesehen wurde. Nach San-Marte, Waffenkunde und Jähns, Ross und Reiter im Leben und Sprache, Glauben und Geschichte der Deutschen. Leipzig 1872.
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