Richter [3]

[727] Richter, Joh. Paul Friedr., gemeiniglich Jean Paul genannt, der berühmteste unserer humoristischen Romanendichter, geb. 1763 zu Wunsiedel, der Sohn des Rectors daselbst und spätern Pastors zu Schwarzenbach an der Saale, erhielt zu Hof eine lückenhafte Vorbildung und studierte 1780 Theologie in Leipzig, bis der Tod des Vaters seine Familie in Armuth stürzte u. ihn zwang, sich als Schriftsteller zu versuchen. Nachdem er in Hof u. Schwarzenbach trübe Jahre erlebt, versetzte ihn die Herausgabe der unsichtbaren Loge 1793 in gute Verhältnisse. Seit 1797 lebte er in Leipzig, Weimar, Berlin, Meiningen und Koburg, erwählte 1804 Bayreuth zu seinem festen Wohnsitze u. st. 1825. Der Fürst Primas von Dalberg hatte R. mit einem Jahresgehalte bedacht, den später der König v. Bayern übernahm; König Ludwig I. ließ dem Liebling der Jugend und Frauenwelt in Bayreuth ein Denkmal errichten. R.s Dichtungen nennt Hillebrand »Schlackenhaufen, in denen man Gold in Menge findet, das nur der Läuterung und des Gepräges bedarf, um mit den kostbarsten Arbeiten in seiner Art wetteifern zu können«. Das Gold sind viele einzelne schöne Stellen, Schilderungen voll des köstlichsten Humors, Ergüsse jener Sentimentalität, die etwas Großartiges zum Hintergrunde hat u. stets der höherstrebenden Jugend eigen bleiben wird, allein allenthalben herrscht eine solche Unordnung der Gedanken, eine solche Anhäufung von oft mühsam zusammengesuchten Bildern und Vergleichungen und widerliche Schaustellung von Gelahrtheit, daß R. trotz seiner Manier zwar zu den gepriesensten, aber zugleich auch zu den am wenigsten gelesenen Dichtern gehört. Unter seinen sogen. satirischen Werken (Grönländische Processe 1783; Auswahl aus des Teufels Papieren 1788; Schmelzles Reise nach Flätz 1805) gilt Katzenbergers Badreise verhältnißmäßig für das beste. Außer den ganz unbedeutenden Blumen-, Frucht- und Dornenstücken (1796) sind als Hauptwerke anzuerkennen: Die unsichtbare Loge 1793, Hesperus 1795, Quintus Fixlein 1796 und besonders der Titan 1800 sowie die Flegeljahre 1803–5. Seine wissenschaftlichen Schriften (Vorschule der Aesthetik 1804, Levana od. Erziehungslehre 1807, Selina oder über die Unsterblichkeit 1826) haben als solche wenig zu bedeuten, dagegen steht R. durch das Freiheitsbüchlein (1805), die Friedenspredigt (1808) und die Dämmerungen für Deutschland (1809) würdig neben den besten Patrioten seiner Tage. Sämmtliche Werke Berlin 1826–38, 65 Theile; 1840–43, 33 Bde.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1856, Band 4, S. 727.
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