Unsterblichkeit

[562] Unsterblichkeit, die persönliche Fortdauer des Menschen im Jenseits. Der Glaube daran ist eine unmittelbare Thatsache des Bewußtseins, mit ihm fiele alles, was dem Erdenleben wirkliches Interesse und dauernden Reiz zu verleihen vermag; er hat sich zu allen Zeiten und bei allen Völkern vorgefunden und ist die Unterlage ihrer verschiedenartigen Vorstellungen von den Zuständen im Jenseits. Die Beweise der Gelehrten für die U. sind hauptsächlich folgende: a) der metaphysische, welcher aus der Einfachheit der Seele auf ihre Unzerstörbarkeit schließt; b) der teleologische, der auf die unendliche Vervollkommnungsfähigkeit der menschlichen Anlagen hinweist; c) der theologische, welcher sich auf die Weisheit, Güte und Gerechtigkeit Gottes stützt; d) der moralische, von dem unbedingt gebietenden Sittengesetze ausgehende (das Sittengesetz fordert, daß wir im gegebenen Falle über alle Rücksichten auf persönliches Wohlergehen und selbst über die der Selbsterhaltung uns hinaussetzen, [562] diese Forderung hätte aber keinen Sinn, wenn es keine U. gäbe, weil dann die Fortdauer u. das Glück des Erdenlebens unser höchstes Gut und erstes Interesse sein müßte. Der e) analogische Beweis betrachtet, wie allenthalben in der Natur aus Verwesung und Zerstörung sich neues Leben entwickelt, und schließt, so müsse dies beim Menschen ebenso der Fall sein; f) der kosmische Beweis schließt aus dem natürlichen Zusammenhange aller Gestirne unter sich auf eine moralische Verbindung der Bewohner derselben und damit auf U. Es ist richtig, manche dieser Beweise sind schwach und keiner beweist eine persönliche U., während die unpersönliche des Pantheismus (s. d.) geradezu so viel als gar keine wäre; allein die U. bedarf auch gar keiner Beweise u. mit vollem Recht sagt Göthe: »die Unmöglichkeit einer Zerstörung unseres Selbst sei das Gefühl u. Bewußtsein aller tüchtigen Naturen.« Die U. ist eine Grundvoraussetzung des Christenglaubens und hängt inniger als in irgend einer andern Religion mit der Sittenlehre zusammen; s. Auferstehung, Glaube, jüngster Tag, Moral, Seelenwanderung; vgl. Pomponatius, Spinoza. Aus der sehr umfassenden Literatur über U. heben wir nur hervor Platons Phädon, M. Mendelssohns Phädo (Berl. 1767, 4. Aufl. 1776), Jean Pauls Campanerthal und Selina, Wielands Euthanasia (Leipz. 1805), Ch. F. Sintenis Elpizon (Danz. und Leipz. 1795 ff.) und K. G. Sintenis Geron u. Palämon (Zerbst 1803), Prälat Hüffells Briefe über die U. (Karlsr. 1833), J. H. Fichtes »Idee der Persönlichkeit u. individuellen Fortdauer« (Elberf. 1834), Göschel: von den Beweisen für die U. der menschlichen Seele (Berl. 1835), endlich Professor I. Königs Inauguralrede über die U.sidee im Buche Job, Freib. i. B. 1855. – U. im uneigentlichen Sinne nennt man die Fortdauer im Gedächtnisse der Menschen, auf welche die altclassischen Völker besonders viel gaben, und redet von unsterblicher Größe, unsterblichen Dichtungen u.s.f.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 562-563.
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