Wiseman

[732] Wiseman (Ueismän), Nicolas, Cardinal und Haupt der Katholiken Englands, einer der größten u. gelehrtesten Schriftsteller seiner Heimath, wurde geboren am 2. August 1802 zu Sevilla in Spanien aus einer daselbst ansäßigen irischen Familie, erhielt seine erste Bildung zu Waterford in Irland, dem Geburtsorte seines Vaters, dann im St. Cuthberts. Colleg zu Ushaw in England und studierte Theologie im engl. Collegium zu Rom. Kaum 18 Jahre alt trat er mit seinen »horae Syriacae« als Schriftsteller auf; 1824 empfing er den Doctorhut der Theologie sowie die Priesterweihe, lehrte an der röm. Universität u. wurde bald Rector des Collegium Anglicanum. W. befand sich 1835 und 1836 in England, erregte daselbst durch herrliche öffentliche Vorträge über die Lehren u. Gebräuche der kathol. Kirche außerordentliches Aufsehen und setzte in der Zeitschrift the Dublin Review mit O'Connel, Dr. Michael u.a. die kathol. Lehre und ihr Verhältniß zu den Fortschritten unserer Zeit trefflich auseinander. 1840 wurde er Bischof von Melipotamos in partibus, Coadjutor des apostol. Vicars des Midland-Distriktes und Präsident des St. Marien-Colleges zu Oscott, 1819 aber apostol. Vicar des Londoner Distriktes; als endlich die bischöfl. Hierarchie in England im Spätjahr 1850 ihre Wiederherstellung feierte, erlangte W. die Würde als Erzbischof von Westminster, Cardinalpriester von St. Pudentiana und Primas der kathol. Kirche Englands, was bei den engl. Protestanten bei ihren tiefeingewurzelten Vorurtheilen u. weitgehender Unkenntniß des Katholicismus einen gewaltigen, jedoch bald vorübergehenden Lärm verursachte. – Als Schriftsteller verbindet W. mit den gründlichsten Kenntnissen im ganzen Gebiete der Theologie, Alterthumskunde u. in oriental. Sprachen eine musterhafte, klare u. fesselnde Darstellung und einen classischen Styl. Außer den horae Syriacae lieferte er bis jetzt eine Menge von Vorträgen und Abhandlungen (die hauptsächlichsten Lehren und Gebräuche der kathol. Kirche, Zusammenhang der Ergebnisse wissenschaftlicher Forschungen mit der geoffenbarten Religion, wirkliche Gegenwart Christi im heiligen Abendmahl, die in der päpstlichen Kapelle übliche Liturgie während der stillen Woche, Unfruchtbarkeit der prot. Missionen u.s.f.). Gelegenheitsschriften (»über Concordate«, aus Anlaß des österreichischen, u. viele andere), Aufsätze in die Dubliner Review u.a. Zeitschriften, die fast alle auch ins Deutsche übersetzt wurden; eine Sammlung unter dem Titel »Abhandlungen [732] über verschiedene Gegenstände« kam in 3 Bdn. heraus, Regensb. 1854 ff.; die Erzählung »Fabiola oder die Kirche der Katakomben«, deutsch mit Genehmigung des Verfassers vom Lic. Reusch, Köln 1855, erlebte in kürzester Frist mehre Auflagen.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1857, Band 5, S. 732-733.
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