Galathea Am Fuß des Latmos wölbt sich eine tiefe Grotte, Vom Finger der Natur, der Kunst Vitruvs zum Spotte, In adrigten Granit mit Allkraft eingedrückt Und durch ein Säulenpaar von Tropfstein ausgeschmückt. In ihrem Schooß umschlang die göttliche Selene Einst ...
Geßner An Lichtwehrs Arm gieng im Elysium Aesop, der für des deutschen Schülers Ruhm So kalt nicht ist, wie Deutschlands neue Barden, Einst in verherrlichter Gestalt Auf einem Pfad von Thymian und Narden Im wölbenden Cypressenwald. Da kam mit einem ...
Gewalt. Es geselleten sich ein Kind / Ziegen vnd Schaf zum Lewen / vnd zogen mit ein ander auff die Jaget / in einen Forst / Da sie nu einen Hirs gefangen / vnd in vier Teil gleich geteilet hatten / sprach der Lewe / Ir wisset ...
Grabschrift eines Arztes Hier ruht Purgantius. Der Tod, sein Bundsgenoß, Erschlug ihn blos aus Menschenliebe, Damit doch auch dem Rest von des Galenus Troß Noch was zu morden übrig bliebe.
Grabschrift eines empfindsamen Zechers Sentillo ruht in diesem Grab: Er war ein Freund des Safts der Reben Und schlug wie sie, bey seinem Leben, Sein Wasser durch die Augen ab.
Grabschrift eines Kritikers Hier ruht Orbil. Hat gleich des Mannes Ruhm Kein eignes Meisterstück erhoben, So war er doch, und das ist auch zu loben, Die Gans im Capitolium.
Gretchen Wie, liebes Mädchen, so allein Versenkt in stille Klage! Was führt dich in den öden Hayn An Gottes Feyertage? O, fragt nicht, guter Pilgersmann! Fragt nicht, warum ich weine, Hier nehmt ein kleines Opfer an, Und lasset mich alleine ...
Hans Nord Ein Mann, der sich auf vielerlei verstund, That durch den Druck in London kund, Daß er ein seltnes Kunststück wüßte, Und lud auf sein erbaut Gerüste Den künft'gen Tag die Bürger ein; Ließ einen engen Krug und ...
Harpagon Wohlthätigkeit, wie selbst die Bibel saget, Rief Harpagon, ist groß, ist göttlich schön! Weh dem, der einen Bettler von sich jaget! Drum will ich auch von nun an ... betteln gehn.
Haßan Der reiche Haßan saß gebückt Am Schluß des Jahrs vor einer Schieferplatte, Und zählte, von sich selbst entzückt, Die guten Werke her, die er verübet hatte: »Vier Beutel der Moschee von Ispahan, Und drey der großen Karavane Von Mekka ...
Hebe »Pfui Kind! rief Muhme Sylvia, Als sie beym Sternenschein Jüngst den Florin mich küssen sah, Laß diesen Unfug seyn. Wenn dich nur einmal noch Florin Auf deine Wange küßt, So wächst ein Bart dir um das Kinn, Der nicht ...
Heinrich der Große Der große Heinrich kroch auf allen Vieren Mit seinem Sohn, der auf ihm ritt In einem Saal umher. Schnell öfnen sich die Thüren: Der Abgesandte von Madrid Trat ins Gemach und sah ihn galopieren. Herr, sind Sie ...
Herodes und Herodias Freund, wer ein Laster liebt, der liebt die Laster alle, Wer ein Gesetz der Tugend übertritt, Entheiligt in dem einen Falle Im Herzen auch die andern mit. »O!« sprichst du, »welche Sittenlehre Giebt Euch der Geist der ...
Holien In China lag beym Sternenlichte Ein Jüngling – Dank sey der Geschichte Für seinen Namen – Holien Lag müd auf seiner Binsenmatte Und sah vom Räuber ungesehn, Der sein Gemach erstiegen hatte, Wie hurtig er, was ihm gefiel, In seinen weiten ...
Ibrahim An meinen Carl. Eh Ferdinand mit frommer Wuth Die Mauren von sich stieß, Floß Omars junges Heldenblut Durch Gusmanns Ritterspieß. Aus Furcht der Rache (reich und groß War dieser Saracen) Floh Gusmann und blieb athemlos Vor einem Garten stehn ...
Inkle und Yariko Die Liebe zum Gewinnst, die uns zuerst gelehrt, Wie man auf leichtem Holz durch wilde Fluten fährt; Die uns beherzt gemacht, das liebste Gut, das Leben, Der ungewissen See auf Brettern preiszugeben; Die Liebe zum Gewinnst, der ...
Jost Von seinem milden Landesvater Durch Frohnen abgezehrt, lag Jost Auf faulem Moos. Ein frommer Pater Gab in dem letzten Kampf ihm Trost: Bald, sprach er, wird euch Gott entbinden Vom Joch, das euch so hart gedrückt: Die Ruhe, die ...
Kalliste O Leser! stelle dir mit zärtlichem Gemüte Einmal die größte Schönheit vor, Auf deren Stirn der Frühling lächelnd blühte, Um deren Herz sich längst ein edelmütig Chor Entzückter Jünglinge bemühte; Die stell' itzt deinem Geiste dar Und fühl' es ...
Kiefuen Ein Mandarin ward wegen Räubereyen, Die Fürsten nur sich selbst verzeihen, Zum Schwert verdammt. Kiefuen, sein Sohn Warf sich vor des Beherrschers Thron Und bat um seines Vaters Leben: »Ich weiß, er ist des Todes werth; Doch mußt du ...
Kleant Kleant, ein lieber Advokat, Der, wie es ihm nach seinem Eid gebührte, Der Unterdrückten Sache führte Und manchen armen Schelm vom Galgen und vom Rad Durch seinen Witz los prozessierte, Half, weil man ihn um seinen Beistand bat, Die ...
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Ein reicher Mann aus Haßlau hat sein verklausuliertes Testament mit aberwitzigen Auflagen für die Erben versehen. Mindestens eine Träne muss dem Verstorbenen nachgeweint werden, gemeinsame Wohnung soll bezogen werden und so unterschiedliche Berufe wie der des Klavierstimmers, Gärtner und Pfarrers müssen erfolgreich ausgeübt werden, bevor die Erben an den begehrten Nachlass kommen.
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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.
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