Das Gemälde Den Teufel sah im Bild ein armer Wicht Mit einem Weib in seinen Tatzen. Oho! rief er, dieß ist die meine nicht: Die würd ihm das Gesicht zerkratzen.
Das Gespenst Ein Hauswirt, wie man mir erzählt, Ward lange Zeit durch ein Gespenst gequält. Er ließ, des Geists sich zu erwehren, Sich heimlich das Verbannen lehren; Doch kraftlos blieb der Zauberspruch. Der Geist entsetzte sich vor keinen Charakteren Und ...
Das Gift In China fand ein Alchymist Statt Golds ein Gift, von allen Giften Das schrecklichste: kein Nektar fließt So glatt hinab. In zwanzig Schriften Verkündigt er den neuen Fund; Die Nachricht gieng von Mund zu Mund Und wirkte schnell ...
Das Glück und die Liebe Einst wollten Lieb' und Glück sich sichtbar überführen, Wer stärker sei, des Menschen Herz zu rühren; Und Semnon, wie die Sag' erzählt, Ein Mann, der oft das Glück um seine Gunst gequält, Ein Mann in ...
Das Gnadenbrod Zehn Jahre hatte schon der treue Hund Die Burg des Löwen Tag und Nacht bewahret, Nun war er alt. Sein Scheitel sank enthaaret Zur Erde hin, sein heisrer Schlund Vermochte kaum das Wer da! mehr zu rufen. Noch ...
Das Goldstück In einer Straße fand ein Knabe Ein altes Goldstück. Schaut doch her, Ihr Herrn, was ich gefunden habe! Rief er entzückt. Von ungefähr Sah es aus seiner Trödelbude Ein Rabbi, Namens Ephraim: Bey meiner Schomme, blöckt der Jude ...
Das große Herz Vor einem Kirchthor sprach ein armer Pilgersmann Mit einem silbergrauen Scheitel Den Harpax um ein Zehrgeld an. Mein Herz, versetzt der Filz, ist größer als mein Beutel, Und gab ihm einen Deut. – Mag seyn, erwiedert Er; Nur ...
Das Heupferd, oder der Grashüpfer Ein Wagen Heu, den Veltens Hand Zu hoch gebäumt und schlecht gespannt, Konnt' endlich von den matten Pferden Nicht weiter fortgezogen werden. Des Fuhrmanns Macht- und Sittenspruch, Ein zehnmal wiederholter Fluch, War eben, wie der ...
Das höchste Glück Der Streit vom höchsten Glück entzweyte drey Doctoren. In einem Fuhrmannsklub kann man nicht ärger schreyn. Ein vierter schwieg; er war zum Richter auserkohren Und sprach: das höchste Glück ist, taub zu seyn.
Das höfliche Bauermädchen Wie heißt das sechste der Gebote? So fragte jüngst beym Kirchenunterricht Ignaz, der finstre Dorfzelote, Ein kleines artiges Gesicht. Die Antwort war: Ihr sollt nicht ehebrechen. Ey, rief Ignaz, wer wird so albern sprechen? Es heißt: Du ...
Das Hospital Elmire war zur Witwe worden Und nahm sich vor, nicht mehr zu frein. Allein sie war noch jung; was macht man ganz allein? Ich dächte doch, sie könnte wieder frein. Der Witwenstand ist ein betrübter Orden! Elmire sah ...
Das Huhn mit den goldenen Eiern Wer alles haben will, verliert oft alles! Dies zu erklären, denk ich jenes Falles, In dem ein Huhn, wie uns die Fabel lehrt, Dem Geizhals, dem es zugehört, Von Tag zu Tag ein goldnes ...
Das Johanneswürmchen Ein Johanneswürmchen saß, Seines Demantscheins Unbewußt, im weichen Gras Eines Bardenhains. Leise schlich aus faulem Moos Sich ein Ungethüm, Eine Kröte, her und schoß All ihr Gift nach ihm. Ach was hab ich dir gethan? Rief der Wurm ...
Das junge Mädchen Ein junger Mensch sprach einen wackern Mann Durch einen guten Freund um seine Tochter an. Der Alte, der sein Kind noch nicht versprechen wollte, War dennoch ungemein erfreut Und bat den Freund mit vieler Höflichkeit, Daß er ...
Das Kameel Nach seines Mentors heisrer Pfeife Und einer Trommel hohlem Ton Zog ein Kameel mit einem Schweife Von Buben, einst durch Lißabon. Die Pforten und die Fenster sprangen, Wohin das Thier den Fuß nur hob, Und hundert Recensenten sangen ...
Das Kartenhaus Das Kind greift nach den bunten Karten; Ein Haus zu bauen, fällt ihm ein. Es baut und kann es kaum erwarten, Bis dieses Haus wird fertig sein. Nun steht der Bau. O welche Freude! Doch ach! Ein ungefährer ...
Das Kind mit der Schere »Kind«, hub die Mutter an, »eins mußt du mir versprechen: Die Messer und die Gabeln stechen; Drum rühre keins von beiden an.« – »Allein die Schere, sollt' ich glauben, Die könnten Sie mir wohl erlauben?« »Nichts ...
Das Kutschpferd Ein Kutschpferd sah den Gaul den Pflug im Acker ziehn Und wieherte mit Stolz auf ihn. »Wenn«, sprach es, und fing an, die Schenkel schön zu heben, »Wenn kannst du dir ein solches Ansehn geben? Und wenn bewundert ...
Das Land der Hinkenden Vor Zeiten gab's ein kleines Land, Worin man keinen Menschen fand, Der nicht gestottert, wenn er red'te, Nicht, wenn er ging, gehinket hätte; Denn beides hielt man für galant. Ein Fremder sah den Übelstand ...
Das Leichenbegängnis der Löwin Des Löwen Gattin schied ins Totenreich. Ein jeder lief sogleich, Dem Herrn Beileid zu sagen In Trostesreden, die von Kümmernis getragen. Kund und zu wissen tat der Löwe allen Tieren, An welchem Tag und Ort Bestattung ...
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Vor dem Hintergrund einer romantisch idyllischen Fabel zeichnet der Autor individuell realistische Figuren, die einerseits Bestandteil jahrhundertealter Tradition und andererseits feinfühlige Persönlichkeiten sind. Die 1857 erschienene Bauernerzählung um die schöne Synnöve und den hitzköpfigen Thorbjörn machte Bjørnson praktisch mit Erscheinen weltberühmt.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Dass das gelungen ist, zeigt Michael Holzingers Auswahl von neun Meistererzählungen aus der sogenannten Biedermeierzeit.
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