[24] Abort (Abtritt, Privet, Retirade, Klosett), eine Bedürfnisanstalt, die entweder an einer geeignet gelegenen Stelle des Gebäudes selbst (am besten an der Nord- oder Ostseite) oder in einem Anbau, seltener in einem selbständigen Bau im Hofraum untergebracht wird. Letzteres geschieht hauptsächlich bei öffentlichen Gebäuden und Schulen, und eine derartige Anlage unterscheidet sich in keiner Weise von den öffentlichen Bedürfnisanstalten (s.d.). Bei Anlagen im Gebäude selbst oder in einem vom Innern des Gebäudes aus zugänglichen Anbau muß der Zugang bequem gelegen sein und der Abortraum (Abortzelle, Abortkammer) genügende Abmessungen haben, als welche bei nach außen sich öffnender Tür für einen Sitz mindestens 80 cm Breite und 1 m Tiefe gelten. Ein besonderer Vorraum mit Waschvorrichtung ist erwünscht; sind mehrere Abortzellen nebeneinander angeordnet, so genügt ein gemeinsamer Vorraum.
Wesentliche Bestandteile der neueren Aborteinrichtungen sind: 1. der mit einer runden oder ovalen, durch einen Deckel verschließbaren, entsprechend großen Oeffnung, der sogenannten Brille, versehene Sitz, der für Erwachsene 4547 cm über dem Fußboden liegen muß und am bellen aus poliertem Holz hergestellt wird; 2. das Becken, auch Abortschüssel, Abortpfanne oder Küvette genannt, das aus Steingut, emailliertem Eisen, Fayence oder weißglasiertem Porzellan hergestellt sein kann (s. Klosett); 3. das Abfallrohr, das an das Becken angeschlossen sein muß und in einen beweglichen (Kübelsystem) oder unbeweglichen Behälter (Abortgrube) mündet (vgl. dabei [5]) oder bei vorhandenem Straßenkanal oder Siel die Fäkalstoffe diesem letzteren zuführt. Auf dem Lande trifft man noch vielfach Aborte an, bei denen Becken und Abfallrohr fehlen und der offene Sitz sich lotrecht über der Abortgrube befindet, in welche die Fäkalien frei hineinfallen. Diese Einrichtung hat den Nachteil, daß die übelriechenden Gase durch die Brille in den Abortraum gelangen und während der Benutzungsdauer der menschliche Körper der Zugluft ausgesetzt ist. Verwendet man statt einer Abortgrube Eimer oder Kübel, die durch eine verschließbare Tür von außen unter den Sitz oder unter das Abfallrohr gestellt werden, so vermeidet man zwar die Zugluft, jedoch bleibt der erste Uebelstand, wenn auch etwas abgemindert, bestehen. Als Notbehelf kann es angesehen werden, wenn in diesem Fall die Gase des Raums unter dem Sitz durch Anschluß an einen Schornstein oder durch ein besonderes Lüftungsrohr abgesaugt werden. Gleich mißlich bezüglich des üblen Geruchs sind die tragbaren Aborte oder Nachtstühle (Zimmeraborte). Meist befinden sich die Aborte der verschiedenen Stockwerke unmittelbar übereinander und in diesem Falle genügt ein einziges Abfallrohr, an das alle Aborte angeschlossen werden. Zu den Abfall- und Zweigleitungen werden hauptsächlich Röhren aus Gußeisen und glasierte Tonröhren, seltener Zinkblech-, Blei- und Asphaltröhren verwendet. Ihr Durchmesser sollte nicht unter 12 cm betragen, bei weniger glatten Wandungen bis zu 20 cm. Die gußeisernen Röhren werden am besten emailliert, meist jedoch nur asphaltiert. Zinkblechröhren widerstehen den ätzenden Einwirkungen der Gase und des Harns weniger. Bleiröhren sind unverhältnismäßig teuer. Asphaltröhren haben den Vorteil der glatten Wandungen, besitzen gute Widerstandsfähigkeit, sind schlechte Wärmeleiter, elastisch und leicht und werden daher in neuerer Zeit vielfach mit gutem Erfolg verwendet. Bezüglich der Detailanordnungen s. [1]. Die Abortsitze s. unter Klosett; um eine Verunreinigung des Sitzbrettes zu verhüten, ist es zu empfehlen, im Abort ein besonderes Pissoir anzubringen oder den Sitz als Vasensitz oder Konsolsitz mit aufklappbarer Brille (vgl. [1], S. 249, und Klosett) anzuordnen. Die hierbei nötigen Spülbehälter (vgl. [7] und die D.R.P. in Klosett) bestehen aus eisernen Kästen, die etwa 610 Liter Wasser zu fassen vermögen. Der Anschluß an die Wasserleitung erfolgt durch einen Schwimmerhahn, der bei entsprechender Füllung den Zufluß selbsttätig abschließt. Zur Entleerung des Behälters bezw. zur Spülung des Abortbeckens dient ein Ventil, das durch Zug geöffnet wird und nach Abfluß der zur Spülung erforderlichen Wassermenge sich selbsttätig schließt. Um ein absichtliches oder unabsichtliches Unterlassen der Spülung zu vermeiden, kann dieses Ventil mit der Aborttür oder mit dem, dann beweglich anzubringenden Sitzbrett in Verbindung gebracht werden, so daß die Spülung beim Verlassen des Sitzes oder der Abortzelle selbsttätig erfolgt. Die Spülaborte bedürfen in kälteren Klimaten des Schutzes gegen das Einfrieren. Ist die Anbringung einer Heizvorrichtung nicht möglich, so ist wenigstens die Wasserleitung abstellbar und die [24] Rohrleitung entleerbar zu machen, damit an besonders kalten Tagen (von 8 bis 10° an) abgestellt werden kann. Wichtig ist noch die Desinfektion und die Lüftung der Aborte. Die Hausdesinfektion wird allerdings, mit Ausnahme epidemischer Krankheitszeiten, nur erforderlich bei Anwendung von Abortgruben und Kübeln oder Tonnen (s. Abfuhr), sowohl bei einzelstehenden Wohnhäusern als auch in Städten, in denen keine Kanalisation vorhanden ist, oder wenn, bei Vorhandensein der letzteren, diese weder das Berieselungssystem noch die Sammeldesinfektion an den Ausmündungspunkten des Kanalisationsnetzes gestattet und daher nicht direkt an die Abfallröhren, sondern nur an die zu desinfizierenden Abortgruben der einzelnen Häuser angeschlossen werden kann. In diesem Fall wird die Desinfektion entweder an jeder Abortstelle (Einzeldesinfektion) oder für das ganze Gebäude in der Abortgrube selbst (Reservoirdesinfektion) vorgenommen. Die Abortgruben sind dann, abgesehen von der auch sonst üblichen Bauweise, mit wasserdichten Mauern u.s.w. [2], [4] und [5] so einzurichten, daß die festen von den flüssigen Bestandteilen nach der Desinfizierung getrennt werden. Die desinfizierten und dadurch unschädlich gemachten Flüssigkeiten können durch den Straßen- oder Privatkanal den Wasserläufen zugeführt werden, während die festen, desinfizierten Stoffe in der Grube zurückbleiben und von dort auf gewöhnliche Weise von Zeit zu Zeit zu entfernen sind. (Vgl. a. das Verfahren D.R.P. Nr. 103823 und Bedürfnisanstalten.) Bei der »Einzeldesinfektion« wird eine besondere Desinfektionsabteilung in der Grube überflüssig, da dann jeder Abort eine Vorrichtung besitzt (vgl. z.B. [1], S. 328), bei der das Spülwasser einen Desinfektionsapparat durchläuft, die dort eingeschüttete Desinfektionsmasse aufrührt und mit dieser gesättigt in das Becken tritt. Hier ist auch die dem Ingenieur Schinzer (D.R.P. 117705) patentierte, verschieden beurteilte Vorrichtung [8] zu erwähnen, bei der das Abortspülwasser zur Entseuchung der menschlichen Auswurfstoffe einen entsprechenden Zusatz erhält, durch den die späteren Reinigungsverfahren der Abwässer wesentlich vereinfacht werden. Als Desinfektionsmasse wird gewöhnlich eines der im Handel vorkommenden Präparate, die nach ihren Erfindern (Petri, Lenk, Friedrich, Süvern u.s.w.) benannt sind, angewendet, und diese enthalten sowohl fällende als absorbierende Substanzen [6], wie Karbolsäure, Kreosot, schwefelsaure Alkalien, Chlorverbindungen von Eisen, Zink u.s.w., ferner Kalk, Erde, Torfmull u.s.w. Die Verwendung von Torfmull bietet den Vorteil, daß die nach einiger Zeit aus der Senkgrube ausgehobene geruchlose Masse ein vorzügliches Düngemittel bildet. Bei Aborten ohne Spülung geschieht die Desinfektion durch Einstreuen trockener Desinfektionspulver von Hand oder durch Streuapparate (Streuaborte). Ueber Abortanlagen mit Torfmullstreuvorrichtung vgl. den Katalog von O. Poppe, Kirchberg i. S.; vgl. a. Desinfektion. Die Lüftung [3] der Aborte bezweckt die Abhaltung des Eindringens der Gase in den Abortraum oder des Absaugens der Abortluft durch die Brille. Wird nämlich eine mit einfachem Wasserabschluß versehene Abortschüssel nur selten benutzt, so absorbiert das lange im Siphon stehende Wasser die im Fallrohr aufsteigenden Gase und läßt sie durch die Brillenöffnung in den Abortraum gelangen; auch kann ein Absaugen des im Siphon stehenden Abschlußwassers durch den im Fallrohr beim Hinabfallen größerer Kotmassen aus dem oberhalb gelegenen Abort entstehenden luftverdünnten Raum erfolgen. Diese Mißstände lassen sich nur durch Anbringung eines besonderen Ventilationsrohres oberhalb des Siphons vermeiden, das über der obersten Abortschüssel in das über Dach, als gemeinschaftliches Ventilationsrohr, verlängerte Abfallrohr eingeführt werden kann. Damit ferner unter dem Sitz gar keine aufsteigende Bewegung der Gase in den Abortraum stattfinden kann, erscheint es zweckmäßig, die Abortschüssel selbst durch eine Rohrverbindung nach dem gemeinschaftlichen Fallrohr oder nach einem besonderen Dunstrohr zu entlüften. Eine solche Lüftungseinrichtung zeigt die nebenstehende Figur; sie ist von Boyle & Sons [1], S. 352, in Glasgow vorgeschlagen worden. Durch Verlegung der Röhren ins Innere des Gebäudes, womöglich neben den Küchenschornstein, ferner durch Heizung des Dunstrohres u.s.w. kann eine richtige Abführung der Gase herbeigeführt werden. Die Luftbewegung in den Röhren wird durch Sang- und Blasköpfe ω und φ in der durch die eingezeichneten Pfeile angegebenen Weise geregelt. Eine umfassende und zugleich ausführliche Abhandlung über Aborte findet sich in [1]. Vgl. a. Abfuhr, Bedürfnisanstalten, Klosett.
Literatur: [1] Handb. d. Arch., 2. Aufl., Darmstadt 1892, III. Teil, Bd. 5, Kap. 712 und Kap. 1526. [2] Petermann, Die Anlage wasserdichter Dungstätten und Abtrittgruben, Stuttgart 1871; Vorschläge zur Verbesserung der Abortgruben, Baugewerks-Ztg. 1882, S. 366 u. 383; Hittenkofer, »Abortanlagen«, Haarmanns Ztschr. für Bauhandw. 1873, S. 22 u. 33; A. Lorenz, Abort- und Senkgrubenanlagen, Reichenberg 1878; Wolpert, Ueber geruchlose Abtritte, Ztschr. des bayer. Arch.- und Ing.-Ver. 1873, S. 96; G. Brown, Water-Closets etc., New York 1884; Spülabortgruben und neuere Klärverfahren, Zentralbl. der Bauverw. 1901, S. 431. [3] W. Wagner, Ventilationsvorrichtungen s. Aborte u. Senkgruben, Deutsche Bauztg. 1884, S. 331; Ueber Lüftung der Aborte, Deutsche Bauztg. 1885, S. 479 u. 548; Ztschr. f. Transportw. u. Straßenb. 1898, S. 342; Südd. Bauztg. 1899, S. 214. [4] Altes und Neues über Aborte, Baugewerks-Ztg. 1897, S. 1437; Anlage der Hausaborte, Ztschr. f. Arch. u. Ing.-Wes., Wochenausg. 1898, S. 615. [5] Verunreinigung[25] der Brunnen durch Aborte, Gesundheits-Ing. 1900, S. 336; 1901, S. 334. [6] Selbsttätige Entseuchungsvorrichtungen in Aborträumen, Deutsche Bauztg. 1901, S. 538; Ztschr. f. Transportw. u. Straßenb. 1902, S. 304. [7] Spülkasten verschiedener Anordnungen, Journal s. Gasbeleucht. u. Wasservers. 1899, S. 459; 1901, S. 121. [8] Techn. Gemeindebl. 1901, 5. Juni; Zentralbl. der Bauverw. 1902, S. 145 u. 488.
L. v. Willmann.
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