Anthracen

[234] Anthracen (Paranaphthalin, Photen), ein der aromatischen Reihe angehöriger Kohlenwasserstoff der Zusammensetzung C14H10 und der Konstitution


Anthracen

Das Anthracen bildet farblose, monokline Tafeln von blauer Fluoreszenz, unlöslich in Wasser, schwer löslich in Alkohol und Aether, leicht löslich in heißem Benzol. Schmelzpunkt 213° C., Siedepunkt 350° C. Die Pikrinsäureverbindung C14H10∙2C6H2 (ΝO2)3OH kristallisiert in roten, bei 170° schmelzenden Nadeln. – Durch Natriumamalgam wird das Anthracen zu dem Dihydrür C14H12, durch Jodwasserstoff und Phosphor zu dem Hexahydrür C14H16 reduziert. Oxydierende Agenzien führen das Anthracen in Anthrachinon (s.d.) über. Das Anthracen wird aus dem Steinkohlenteer gewonnen, und zwar aus den von 310 bis 360° C. übergehenden Anteilen desselben, den sogenannten Anthracenölen. Man läßt diese Oele an einem kühlen Ort kristallisieren und preßt den grünlichgelben Kristallbrei von Butterkonsistenz in Filterpressen ab. Das so gewonnene 12–15 prozentige Rohanthracen wird dann unter Erwärmen dem Druck von hydraulischen Pressen ausgesetzt, wodurch sein Gehalt auf 25–33% steigt. Zur weiteren Reinigung wird dasselbe nun mit einem Lösungsmittel behandelt, in dem das Anthracen fast unlöslich ist, um die Beimengungen zu entfernen. Man benutzt Steinkohlen- oder Petroleumnaphtha oder phenolfreies Kreosotöl. Letzteres soll sich vorzüglich zur Entfernung des lästigsten Begleiters des Anthracens, des Paraffins, eignen. Man mahlt die Preßkuchen in Mühlen oder Kollergängen zunächst zu einem seinen Pulver und bringt dieses dann in mit Rührwerk versehenen, geschlossenen eisernen Apparaten mit dem Lösungsmittel zusammen. Nach dem Erkalten wird der Rückstand wiederum abgepreßt; er enthält jetzt 50% an Anthracen. Die folgende Behandlung richtet sich nun nach den Zwecken, denen das Produkt dienen soll. Soll es auf Anthrachinon verarbeitet werden, so sublimiert man es in folgender Weise: Ueber freiem Feuer in einem Kessel geschmolzenes Anthracen wird durch Wasserdampf von 220–240° übergetrieben und in Kondensationskammern durch einen Sprühregen von Wasser zu einer weißen, blätterigen Masse verdichtet. Diese enthält noch geschmolzene Partikel von Phenanthren, von denen sie durch Verreiben mit Wasser zu einer Paste oder durch Trocknen und Sieben getrennt wird. Dieses Produkt enthält 60% Anthracen, daneben aber noch Karbazol, Phenanthren und Akridin, und kann nunmehr direkt zu Anthrachinon oxydiert werden. – Will man jedoch ein ganz reines Anthracen haben, so destilliert man nach Perkin das mit Lösungsmitteln behandelte Produkt mit Pottasche und Kalk aus Gasretorten. Das Destillat erhält nunmehr nur Anthracen und Phenanthren. Von letzterem wird das Anthracen durch Waschen mit Schwefelkohlenstoff und Umkristallisieren aus Benzol getrennt und ist nunmehr saß chemisch rein. Der Verlust bei diesem Verfahren schwankt zwischen 2–12%. Die Reinigung des Rohanthracens kann auch (D.R.P. Nr. 68474) durch Auslaugen mit flüssiger schwefliger Säure geschehen. Das Anthracen entsteht aus zahlreichen organischen Verbindungen, wenn man dieselben dampfförmig einer großen Hitze aussetzt; so aus Terpentinöl, Petroleum, Braunkohlenteer, Steinkohlenteer, Fichtenholzteer u.s.w. Die Bestimmung des Anthracens in einem Rohprodukt geschieht in der Weise, daß man das letztere mit Chromsäure oxydiert; hierdurch wird das Anthracen in Anthrachinon übergeführt, das weder durch weitere Einwirkung des Oxydationsmittels, noch durch konzentrierte Schwefelsäure bei 100° verändert wird. Die übrigen Verbindungen, wie Phenanthren, Karbazol u.s.w., werden dabei entweder in Säuren oder in chinonartige Körper umgewandelt, welch letztere mit Schwefelsäure leicht lösliche Sulfosäuren bilden. Durch systematisches Behandeln des Oxydationsproduktes mit Kalilauge und dann mit Schwefelsäure wird das Anthrachinon rein erhalten. Dasselbe wird getrocknet, gewogen und die Menge des Anthracens daraus durch einfache Rechnung gefunden. Ueber die Verwendung des Anthracens zur Herstellung der Alizarinfarbstoffe s. Alizarin. Das Anthracen wurde 1832 von Dumas und Laurent aus dem Steinkohlenteer in unreinem Zustand isoliert; der Name flammt von Laurent. Fritzsche Hellte es dann aus dem Teer zuerst rein dar und bestimmte seine Zusammensetzung zu C10H14. Im Jahre 1868 erhielten es Gräbe und Liebermann durch Destillation des aus Krappwurzel gewonnenen Alizarins mit Zinkstaub. Nachdem dieselben Forscher dann die künstliche Darstellung des Alizarins aus dem Anthracen gefunden hatten, begann auch die Technik mit der Verarbeitung des Teers auf diesen Kohlenwasserstoff. Heute hat diese Industrie eine ganz gewaltige Ausdehnung angenommen.


Literatur: Schultz, G., Die Chemie des Steinkohlenteers, 2. Aufl., Braunschweig 1886, 1. Teil, S. 63, 142, 205; Fischer, F., Handb. d. ehem. Technologie, Leipzig 1893, S. 648; Lunge-Köhler, Industrie des Steinkohlenteers, Bd. 1, Braunschweig 1900.

Bujard.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 234.
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