Basilika

[555] Basilika, in seiner ältesten Bedeutung ein königlicher Bau, aber schon in griechischer Zeit als Gerichts- und Geschäftshalle bekannt.

Das Grundprinzip der Basilika findet sich bereits im Säulensaal des ägyptischen Tempels. Wir haben zu unterscheiden:

I. Die antike Basilika, die zugleich der Sitz eines Gerichtshofes war. Dementsprechend zerfällt auch der Bau in zwei Hauptteile: einen großen, länglich viereckigen Raum, der ringsum von Säulenhallen umgeben und für die geschäftetreibenden Personen bestimmt war, ferner in einen gewölbten halbkreisförmigen Raum, der an der Lang- oder Schmalseite des Hauptbaues angebracht war und zum Aufenthalt des Gerichtshofes diente. Dieser Teil hieß Apsis, Tribuna oder Concha. War nur eine rings herum laufende Säulenhalle vorhanden, so entstand eine dreischiffige Basilika. In Rom ließ man fast immer zwei Säulenhallen rings herum laufen und so entstanden die großen fünfschiffigen Basiliken. Eine der bedeutendsten derselben war die Basilika Ulpia am Forum Trajanum in Rom, ein fünfschiffiger Bau mit unbedecktem Mittelschiff. Von diesem Bau ist nur ein kleiner Teil ausgegraben worden, doch fand man den vollstandigen Grundriß auf einer Marmorplatte eingraviert (Fig. 1). Eine schöne säulengeschmückte Tribuna befindet sich mit zwei Stiegenanlagen an der Schmalseite des Baus angebracht, während sich an der einen Langseite zwei Flügelanlagen vorlegten, die für die Kurien bestimmt waren. Vor den Flügelanlagen befanden sich Balkone (Calcidicae), die bei feierlichen Anlässen den fremden Gesandten und hohen Persönlichkeiten als Aufenthalt zu dienen hatten. In dem so[555] umschlossenen kleinen Platz stand die mächtige Trajanssäule. – Die Basilika Julia am Forum romanum in Rom, von Julius Cäsar begonnen und von Augustus beendet, war ebenfalls ein mächtiger fünfschiffiger Bau. Ein Bau, der sich von diesen wesentlich unterschied, war die in allen Teilen gewölbte Basilika des Konstantin oder auch die des Maxentius genannt. Es m eine in kolossalen Dimensionen durchgeführte Anlage, deren Mittelschiff aus drei mächtigen Kreuzgewölben von 25 m Breite bestand, während sich zu beiden Seiten tonnengewölbte Seitenschiffe von 15,5 m Spannweite anschlossen (Fig. 2). Die Gewölbe waren mit reichen Kassetten geschmückt. Die Tribuna befand sich an der Langseite und war durch zahlreiche Nischen gegliedert. – Auch außerhalb Roms fanden sich Reite von antiken Basiliken. Wohl die besterhaltene dürfte jene zu Pompeji sein, die sich überdies durch eine rechtwinklig in den Bau eingeschobene Apsis auszeichnet. Schließlich befanden sich in den Palästen der Großen, namentlich der römischen Kaiser, einschiffige oder dreischiffige Basiliken, so insbesondere im Palast des Diokletian zu Spalato und im Palast der Flavier zu Rom.

II. Altchristliche Basiliken. Sie besitzen im allgemeinen die gleichen Hauptteile, wie die antiken, nämlich einen großen rechtwinkligen Raum und eine kleine Nische, die ebenfalls Apsis, Tribuna oder Concha genannt wird. Während aber bei der antiken Basilika die Säulenstellungen rings herum liefen, besitzt die altchristliche Basilika nur zwei (bezw. vier) parallel[556] nebeneinander angeordnete Säulenreihen, die einerseits einen stets bedeckten und höheren Mittelraum (das Mittelschiff) und anderseits zwei (bezw. vier) niedrigere Seitenräume (die Seitenschiffe oder Abfetten) abgrenzen (Fig. 3). In das Mittelschiff war der Chorus hineingebaut (Niederchor, Akoimetenraum). Die Säulenreihen führen zu dem geistigen Zentrum der ganzen Anlage, zu dem Altar hin, der sich unmittelbar vor der Apsis befindet. Eine Bereicherung erfuhr dieses einfachste Schema durch Hinzufügung eines Querschiffes, das vor der Tribuna eingeschaltet wurde und die Höhe des Mittelschiffes hatte (Fig. 4). Dort, wo das Querschiff an das Mittelschiff fließ, errichtete man einen mächtigen, auf Säulen ruhenden Bogen, den Triumphbogen. Am entgegengesetzten Ende wurde ein großer, von Säulen rings umzogener Vorhof gebildet, der das Atrium genannt wurde und in dessen Mitte sich ein Brunnen, der Kantharos, befand.

III. Die Basiliken des Mittelalters. Diese entstanden aus mehrfachen Umgestaltungen der altchristlichen Basiliken, insbesondere blieb das Querhaus nicht mehr ein ungeteilter Raum, sondern zerfiel in drei mächtige Quadrate, die durch Gurtbögen abgegrenzt waren. Das mittlere Quadrat hieß die Vierung; zwischen dieser und der Apsis wurde ein weiteres Quadrat eingeschoben, so daß die Apsis weiter hinausgerückt erschien. Entsprechend den Seitenschiffen wurden im Querhaus kleine Apsiden angeordnet (Fig. 5).

Die einfache, in den ersten Jahrhunderten flachgedeckte Basilika erfuhr im Laufe der Zeit eine reichere Grundrißgestaltung, die zunächst die Ausbildung des Chors betraf. So wurden die Seitenschiffe jenseits des Querschiffes fortgesetzt und mit kleinen Apsiden geschlossen. Bei andern Kirchen setzten sich die Seitenschiffe um den Chor herum fort und bildeten einen durch Säulen getrennten Umgang, oder es endete das Querschiff in großen Apsiden (S. Maria auf dem Kapitol, S. Aposteln in Köln). Größere Kirchenanlagen zeigen außer dem Ostchor noch einen weltlichen Chor, dem oft ein eignes Querschiff vorgelegt ist (Hildesheim, Bamberg [Fig. 6], Münster). Gleichzeitig begann man, wohl durch große Brände veranlaßt, mit dem Ueberwölben der Schiffe, und zwar zunächst der Seitenschiffe und des Chores, wobei aber das weite Mittelschiff noch immer mit getäferter Holzdecke überspannt war. Doch strebte man in der Folge, auch diese durch ein Gewölbe zu ersetzen, was dann manche Veränderung im Gesamtplan zur Folge haben mußte. So bedingte zunächst die Wölbung durch die Anwendung von Gurtbogen entsprechende Gliederung der Pfeiler durch Vorlage von Halbsäulen u. dergl. Da sämtliche Gurtbogen im Halbkreise geschwungen waren, mußte man quadratische Gewölbejoche (Travées) anordnen; dann aber waren die kleineren Joche der Seitenschiffe in ein bestimmtes Verhältnis zu den Jochen des Mittelschiffes zu setzen, und da ergab sich von selbst ein Grundplan, in dem stets auf zwei Gewölbefelder des Seitenschiffes je ein Feld des Mittelschiffes kam, wie dies namentlich am Dome zu Speyer (Fig. 7) klar zur Darstellung kommt. Der Pfeiler durchbricht im Aufzeigen das Kämpfergesimse und erhebt sich bis zu den Fenstern der Oberwand, wo sich das Kapital ansetzt; von hier aus beginnt der Anfang der Gurtbogen, die sich nach entgegengesetzter Richtung emporschwingen; die einen ziehen sich an der Mittelwand der Längenrichtung der Kirche hin (Längsgurten), während die andern den Raum des Mittelschiffes überspannen und denselben in mehrere Gewölbefelder teilen (Quergurten). Zwischen diesen Gurten spannen sich die Kreuzgewölbe, meist in bedeutender Dicke. Auf diese Weise wurde das Prinzip des Wölbens in streng gebundener Form in allen Teilen und mit großer Folgerichtigkeit durchgeführt. – Ueber den Seitenschiffen kommen manchmal noch obere Geschosse (Emporen) vor (Münster zu Basel), die[557] sich ebenfalls mit Arkaden gegen das Mittelschiff öffnen. Das Aeußere wurde durch die Einführung des Gewölbes nur wenig beeinflußt.

Durch die Kreuzzüge lernten die Völker des Abendlandes die Architektur des Orients und den Spitzbogen kennen, den sie in ihre Bauweise aufnahmen. Dies war für die Gewölbetechnik von einschneidender Bedeutung, weil bei Anwendung des Spitzbogens die Gurtbogen von verschiedener Spannweite in gleicher Höhe durchgeführt werden konnten und man nicht mehr an die Einhaltung quadratischer Gewölbefelder gebunden war. Hieraus erschloß sich die spätere Entwicklung des Gewölbebaus, und bei reichster Entfaltung der Grundrisse eine systematische Ausbildung der Gurten und Rippen, der Gewölbefelder, Pfeilerstellungen, sowie der Strebepfeiler und Strebebogen (s.d.), wie dies in den Basiliken gotischer Zeit, besonders in Nordfrankreich (Fig. 8), England und Deutschland (Fig. 9) in bewundernswerten Beispielen erstanden ist.

Während dies die Entwicklung des Basilikenbaus in den germanischen Ländern war, blieb man in Italien, wo die christliche Basilika zuerst entstanden und in herrlichen Denkmalen erhalten ist, diesem System stets getreu. Sowohl die Beispiele des Mittelalters (S. Miniato, Florenz) als die Frührenaissance weisen dies nach (S. Lorenzo und S. Spirito, Florenz, S. Francesco, Ferrara). Erst in den Zeiten der Spätrenaissance wird die einfache Basilikenanlage durch den Zentralbau (s.d.) mit der wirkungsvollen Anlage Kuppel (s.d.) verdrängt.


Literatur: Guttensohn und Knapp, Denkmäler der christlichen Religion, Rom 1832; Handbuch der Architektur, 2. Teil, Essenwein, Roman. Architektur, Bd. 4; Mothes, O., Baukunst des Mittelalters in Italien, Jena 1884; Lübke, W., Geschichte der Architektur, 6. Aufl., Leipzig 1884. – S.a. Literatur unter Baustil.

Weinbrenner.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Fig. 4.
Fig. 4.
Fig. 5.
Fig. 5.
Fig. 6.
Fig. 6.
Fig. 7.
Fig. 7.
Fig. 8.
Fig. 8.
Fig. 9.
Fig. 9.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 555-558.
Lizenz:
Faksimiles:
555 | 556 | 557 | 558
Kategorien:

Buchempfehlung

Diderot, Denis

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Die Nonne. Sittenroman aus dem 18. Jahrhundert

Im Jahre 1758 kämpft die Nonne Marguerite Delamarre in einem aufsehenerregenden Prozeß um die Aufhebung ihres Gelübdes. Diderot und sein Freund Friedrich Melchior Grimm sind von dem Vorgang fasziniert und fingieren einen Brief der vermeintlich geflohenen Nonne an ihren gemeinsamen Freund, den Marquis de Croismare, in dem sie ihn um Hilfe bittet. Aus dem makaberen Scherz entsteht 1760 Diderots Roman "La religieuse", den er zu Lebzeiten allerdings nicht veröffentlicht. Erst nach einer 1792 anonym erschienenen Übersetzung ins Deutsche erscheint 1796 der Text im französischen Original, zwölf Jahre nach Diderots Tod. Die zeitgenössische Rezeption war erwartungsgemäß turbulent. Noch in Meyers Konversations-Lexikon von 1906 wird der "Naturalismus" des Romans als "empörend" empfunden. Die Aufführung der weitgehend werkgetreuen Verfilmung von 1966 wurde zunächst verboten.

106 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon