Baugrund

[580] Baugrund, die natürliche Bodenschicht, auf die das Fundament eines Bauwerkes gesetzt wird; er heißt auch Untergrund.

Bezüglich Fertigkeit oder Tragfähigkeit, d.i. Widerstandsfähigkeit gegen den vom Bauwerk ausgeübten Normaldruck, unterscheidet man preßbaren und unpreßbaren Baugrund; zu letzterem gehören alle Bodenarten, die gleiche oder größere Druckfestigkeit haben wie das Fundamentmauerwerk; alle übrigen Bodenarten werden preßbar genannt. Unpreßbarer Baugrund wird auch als sehr guter bezeichnet. Die preßbaren Boden werden unterschieden als: 1. guter Baugrund, der sich nur in geringem Maße zusammenpressen läßt (grober und festgelagerter Kies, Gerölle, fester Mergel, zerklüfteter Felsen, fester Lehm und Ton u.s.w.); 2. ziemlich guter Baugrund, der zwar preßbarer als der gute Baugrund ist, dessen Nachgiebigkeit jedoch für den Bestand des Bauwerkes meist unschädlich ist (fester Lehm, wasserfreier, festgelagerter Sand u.s.w.); 3. schlechter Baugrund, der zwar nicht knetbar ist, aber jedem etwas stärkeren Drucke nachgibt, dabei zum Teile seitlich ausweicht (seiner Sand, nasser Lehm und Ton, Damm- und andre vegetabilische Erde, aufgefüllter Boden u.s.w.); 4. sehr schlechter Baugrund oder ganz weicher, meist knetbarer Boden, der seitlich ausweicht, sobald er beladet wird (Torf, Moorboden, Humus, Flugsand, Triebsand u.s.w.). – Auf die Beschaffenheit des Baugrundes sind außer seiner Fertigkeit auch noch von Einfluß: die Mächtigkeit der betreffenden Bodenschichten; die Neigung derselben, je nachdem dadurch ein Abgleiten begünstigt wird oder nicht; das Fehlen, bezw. Vorhandensein von Wasser (Grundwasser, offenes, flehendes, fließendes oder wellenschlagendes Wasser), welches das Bodenmaterial erweichen, dasselbe auswaschen kann u.s.w.; die Möglichkeit, daß später nachteilige Veränderungen in den Bodenschichten eintreten können (Rutschungen, unterirdische Baue, wie Bergwerke, Stollen u.s.w.). – Nur in sehr seltenen Fällen bildet die oberste Erdschicht einen brauchbaren Baugrund; bloß vollständig frost- und wetterbeständiger Felsen gehört dazu. Auf dem flachen Lande ist es häufig die sogenannte Mutter- oder Ackererde, welche die oberste Erdschicht bildet und die unter allen Umständen als Baugrund ungeeignet ist. Bei den meisten Bauausführungen muß man demnach die lockeren, nicht genügend festen Bodenschichten abgraben, bis man, wenn möglich, auf eine ausreichend tragfähige Schicht gelangt. Ist dieses Verfahren nicht zulässig, so muß durch entsprechende Konstruktion und Ausführung des Fundamentes selbst dem Bauwerk die erforderliche Standfestigkeit verliehen werden. Bisweilen kann schlechter Baugrund innerhalb gewisser Grenzen verbessert werden. Auf ziemlich guten Baugrund können Bauwerke ohne weiteres gesetzt werden, wenn sie nur geringen Druck ausüben und einiges Setzen des Bauwerkes für seinen Bestand unschädlich ist. Der gute Baugrund ist imstande, die meisten vorkommenden Bauwerke mit Sicherheit zu tragen; bei sehr gutem Baugrund ist die Grenze der Tragfähigkeit noch niemals erreicht worden. Da hiernach die Kenntnis der Baugrundverhältnisse von großer Wichtigkeit ist, füllten stets, wenn sie nicht von vornherein genügend bekannt sind, sorgfältige und sachgemäße Baugrunduntersuchungen (s. unten) vorgenommen werden. Bei Gebäuden, die zum Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen, kommen zu den technischen Bedingungen, die der Baugrund zu erfüllen hat, auch noch die hygienischen Anforderungen. Diese beziehen sich im wesentlichen darauf, daß die Innenräume solcher Gebäude durch den Baugrund nicht feucht gemacht werden sollen und daß er an diese[580] Räume keine gesundheitsschädlichen, von der Verwesung organischer Stoffe hauptsächlich herrührenden Gase abgeben darf.

Baugrundentwässerung. Manche Bodenarten, die an und für sich genügend tragfähig wären, sind es nicht oder doch in geringerem Maße, weil Wasser vorhanden ist, das sie erweicht oder Rutschungen veranlaßt. Handelt es sich dabei um vielfach verteilte Wasseradern, die den Baugrund durchziehen, so entwässere man denselben durch eine sogenannte Drainage; dies geschieht entweder mit Hilfe von Sickergräben (s.d.) oder mittels der zur Wiesendrainage verwendeten Drainrohre oder durch beide Mittel zugleich. Sind Quellen vorhanden, so fasse man sie oberhalb des Fundamentes derart ab, daß ihr Abfluß keine Störung erleidet.

Baugrunduntersuchungen können in verschiedener Weise vorgenommen werden: 1. Durch Aufgraben des Bodens, was das beste und sicherste Verfahren ist, da man die Lage und Beschaffenheit der Bodenschichten, sowie ihre Neigung und Mächtigkeit vor Augen hat; dieses Verfahren ist meist sehr teuer, weil man bei größeren Tiefen die Gruben auszimmern und vorhandenes Wasser ausschöpfen muß. 2. Durch Anlage von Probe- oder Versuchsschächten, ein Vorgang, der mit dem vorhergehenden nahe verwandt ist; bei größeren Tiefen nimmt die Grube die Form eines Schachtes an, der dann in bergmännischer Weise abzuteufen und auszubauen ist. 3. Durch Anlage von Probe- oder Versuchsstollen, ein Verfahren, das dann in Anwendung kommen kann, wenn die Baustelle an einem Abhang gelegen ist; auch hier ist bergmännisch vorzugehen. 4. Durch Verwendung des Sondiereisens oder das sogenannte Sondieren; aus dem geringeren oder größeren Widerstand beim Eindringen in den Boden, ferner aus dem Gefühl beim Hineinstoßen des Eisens, endlich aus den Bodenteilchen, die nach dem Herausziehen des Eisens daran haften, kann man auf die Beschaffenheit der durchstoßenen Bodenschichten schließen. 5. Durch Einschlagen von Probepfählen, wodurch man nur über die Widerstandsfähigkeit, nicht aber über die Schichtung des Baugrundes Kenntnis erhält; das Verfahren empfiehlt sich, wenn voraussichtlich eine Pfahlgründung notwendig werden wird. 6. Durch Erd- oder Tiefbohrungen (s. Tiefbohren), bei großen Tiefen anzuwenden; die Bohrarbeiten werden meist mit steifem Gestänge ausgeführt. 7. Durch Probebelastungen. 8. Durch Mayers Fundamentprüfer (s.d.).

Verbesserung schlechten Baugrundes erfolgt durch: 1. Aufbringen einer größeren toten Last, bestehend aus großen Steinen, Eisenbahnschienen u.s.w.; Erfolg sehr gering. 2. Abrammen der Sohle der Baugrube; Erfolg nicht bedeutend. 3. Lose ausgeschüttete Schichten von grobem Sand oder feinerem Kies können dadurch widerstandsfähiger gemacht werden, daß man Wasser zuführt. 4. Einrammen mehrerer Lagen von Bauschutt oder Steinschlag; hierdurch entsteht sogenannter Rammbeton; Erfolg befriedigend. 5. Einrammen größerer Steine oder, noch besser, hochkantig auf die Baugrubensohle gestellter Steine, wodurch ein Rollschichtpflaster entsteht; Erfolg noch befriedigender. 6. Einschlagen von Holzpfählen, sogenannten Verdichtungspfählen, von 1–2 m Länge; Erfolg günstig, große Kosten. 7. Einrammen von Holzpfählen, Wiederausziehen derselben und Ausfüllen der zurückgebliebenen Hohlräume mit reinem Sande; hierdurch entstehen Füll- oder Sandpfähle (s.d.); Erfolg günstig. 8. Nach Neukirchs Verfahren kann man Sand unter Wasser durch Einführen eines staubförmigen Bindemittels (Zementpulver) versteinern [1], und Harris empfiehlt das Einpumpen von dünnflüssigem Zementmörtel in lockeren Baugrund [2]. 9. Um Triebsand tragfähig zu machen, wurde auch schon der Gedanke angeregt, durch Zuführen geeigneter Flüssigkeiten den Sandboden auf chemischem Wege in eine steinartige Masse zu verwandeln [3]. 10. Mancher Baugrund ist nur deshalb nachgiebig, weil er durch Wasser erweicht ist; alsdann entwässere man denselben durch Sickergräben oder Drainage (s.d.).

Die Tragfähigkeit des Baugrundes nimmt man im allgemeinen nicht größer als 1/10 seiner Druckfestigkeit an. Bei ganz widerstandsfähigem Felsen kann man die Tragfähigkeit gleich der größten zulässigen Pressung im Fundamentmauerwerk, also = 7–10 kg für 1 qcm, setzen; sonst nimmt man sie bei Felsen zu 5–6 kg für 1 qcm an. Bei Gründungen auf Gerölle sowie auf kompaktem Ton- und Lehmboden, grobem und festgelagertem Kies sind 3,5–4,5 kg, bei Gründungen auf kleinkörnigem Kies und festem Sand 3–4 kg für 1 qcm zu rechnen. Bei Interimsbauten können diese Ziffern um 40–50% höher angenommen werden; ebenso kann man eine Vermehrung um ca. 25% eintreten lassen, wenn die größte Belastung des Baugrundes nur von Zeit zu Zeit und nicht stoßweise oder mit Erschütterungen verbunden wirksam ist. – Die Berechnung der Größe der Tragfähigkeit des Baugrundes ist zurzeit noch nicht in genügender Weise gelöst. Einschlägige ältere theoretische Untersuchungen rühren von Schwedler, neuere von Engesser [4] her.


Literatur: [1] Gesundheitsingen. 1890, S. 609. – [2] Engineering news 1891, 14. März. – [3] Zentralbl. d. Bauverwaltung 1884, S. 344. – [4] Engesser, F., Zur Theorie des Baugrundes, Zentralbl. d. Bauverwaltung 1893, S. 306.

Schmitt-Darmstadt.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 1 Stuttgart, Leipzig 1904., S. 580-581.
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