Dampf [3]

[544] Dampf , überhitzter. Ueber diesen Begriff s. Dampf.

Als Ueberhitzung τ wurde bezeichnet die Erhebung der augenblicklichen Temperatur t über die dem augenblicklichen Drucke p entsprechende Sättigungstemperatur t':


Dampf [3]

Die Zustandsgleichung (allgemeine Beziehung zwischen dem Drucke p, dem Volumen v und der Temperatur t) der überhitzten Dämpfe ist nicht genau bekannt. Diejenigen Gleichungen, die das Verhalten der letzteren möglichst vollständig wiedergeben sollen (s. Gasförmige Körper), sind nacht; vom dritten oder einem durch Versuche festzustellenden Grade, sie liefern bei ihrer Verwendung in den wärmetheoretischen Formeln für technische Zwecke ungeeignete Beziehungen. Man war daher genötigt, nach bequemeren Näherungsgleichungen zu suchen, die das Verhalten der wichtigsten Dämpfe, insbesondere des Wasserdampfes, innerhalb der bei praktischen Fragen in Betracht kommenden Grenzen mit hinreichender Genauigkeit wiedergeben sollten.

So entnahm der Verfasser [5], [16] aus den von Hirn [2] für verschiedene p, t erhaltenen spezifischen Volumen υ und den p entsprechenden Sättigungsvolumen s des Wasserdampfes (Tabelle S. 540) die Zustandsgleichung


Dampf [3]

worin R eine Konstante, nämlich für p in Atmosphären (zu 760 mm) R = 0,004924, für p in Kilogramm pro Quadratmeter R = 50,880. Die genügende Uebereinstimmung mit Hirns Beobachtungen zeigt folgende Zusammenstellung:


Dampf [3]

Gleichung 2. läßt sich auch schreiben:


Dampf [3]

worin f (p) eine zunächst beliebige Funktion des Druckes p bedeutet. Denn subtrahiert man von 2. den bei gleichem Druck dem Sättigungspunkt entsprechenden Ausdruck ps = RT' – f (p), so ergibt sich bei Beachtung von 1. wieder Gleichung 2. Ferner kann man nach 2. mit 1. setzen:


Dampf [3]

und gelten dann in 3. und 4.:


Dampf [3]

so daß auch P nur vom Drucke p abhängt. Für Wasserdampf erhalten wir beispielsweise die in der folgenden Tabelle angeführten Werte.


Dampf [3]

Auf vorstehende Formeln führen auch die übrigen Zustandsgleichungen, die gegenwärtig bei technischen Problemen in Gebrauch sind, sie bilden spezielle Fälle von 2. und 3. Während jedoch f(p) und P durch 5. bereits bestimmt sind, machen diese Zustandsgleichungen noch besondere Annahmen, wodurch mitunter Widersprüche entliehen können.

Nach Zeuner [3], [12] setzt man mit konstanten R, C, μ:


Dampf [3]

wonach in 3. und 4. gewählt werden:


Dampf [3]

Für Wasserdampf soll μ = AR/cp sein, womit auch cp konstant angenommen wird. Auf Grund der Versuche von Hirn und Regnault wären in 6., 7. zu verwenden für p in Atmosphären (zu 760 mm), υ in Kubikmetern pro Kilogramm:


Dampf [3]

für p in Kilogramm pro Quadratmeter, υ in Kubikmetern pro Kilogramm:[544]

R= 50,880, C=189,970, μ = 0,25, womit


Dampf [3]

oder auch die nur wenig davon abweichenden in [12], S. 221, gegebenen Werte. Gleichung 6. läßt sich aus 2. oder 3. ableiten, wenn man cp konstant und eine gewisse Integrationskonstante gleich Null einführt.

Neuerdings wird auch vielfach die von Tumlirz [11] zur Darstellung der umfassenden Versuchsresultate mit Wasserdampf von Battelli [9] gewählte Zustandsgleichung herangezogen:


Dampf [3]

worin R, c konstant. Man setzt damit in 3. und 4.;


Dampf [3]

und erhält dann cp, cv nur von der Temperatur abhängig und cp – cv = AR. Nach Tumlirz sind für Wasserdampf in 8., 9. anzunehmen für p in Atmosphären (zu 760 mm), v in Kubikmetern pro Kilogramm:

R = 0,004520, c = 0,008402, womit P = 1,85885 p,

für p in Kilogramm pro Quadratmeter, v in Kubikmetern pro Kilogramm:

R = 46,700, c = 0,008402, womit P= 0,0001799 p.

Die Versuche, auf welchen diese Zahlen beruhen, fanden bei Temperaturen von –6 bis 231° und Drücken von 0,003 bis 28 Atmosphären statt. In der Nähe des Sättigungspunktes führen sie auf Widersprüche mit den Regnaultschen Versuchsergebnissen [11], S. 1064; [15], S. 1883; [16], S.25.

Für die gewöhnlichen Zustandsänderungen der Wärmetheorie, bei denen alle von außen zugeführte oder entzogene Energie nur Wärme oder Arbeit ist, liefert die mechanische Wärmetheorie (s.d.) unter Voraussetzung der Zustandsgleichungen 2.–4. folgende auf 1 kg des Dampfes bezogene Hauptgleichungen [5], [16], in denen d Q die Wärmezufuhr in Kalorien, d L die äußere Arbeit (s.d.) und d U die Aenderung der inneren Energie (Eigenenergie, innere Arbeit) in Meter/Kilogramm, A = 1/W = 1/424 das kalorische Arbeitsäquivalent bedeuten:


Dampf [3]

wozu die Aenderung der Entropie (s.d.) kommt:


Dampf [3]

Bei Verwendung dieser Gleichungen pflegt die Bezeichnung eingeführt zu werden:


Dampf [3]

wonach k mit cp veränderlich ist. Wenn jedoch für cp ein Mittelwert eingeführt wird, so hat dies nach 14. auch für k zu geschehen. Dieser Mittelwert kann entsprechend demjenigen von cp je nach Umständen verschieden sein. Mit Mittelwerten von cp, cv erhält man für einen Uebergang von p1, υ1, t1 in p, υ, t beispielsweise nach 11. die Aenderung der inneren Arbeit:


Dampf [3]

nach 12. die Wärmezufuhr:


Dampf [3]

und nach 13. die Aenderung der Entropie:


Dampf [3]

Während die Gleichungen 10.–16. auch vom Standpunkte der Zustandsgleichungen von Zeuner und Tumlirz aus gelten, kommen auf Grund der Zustandsgleichung 6. von Zeuner weiter hinzu:


Dampf [3]

Solange cp, k nach Zeuner als konstant gelten,: ergibt 18. wie bei Gasen die Aenderung der Energie U proportional der Aenderung des Produkts (aber nicht wie bei Gasen proportional der Temperaturänderung) und die isodynamische Kurve als Hyperbel. Es empfiehlt sich jedoch, auch in 18. je nach Umständen verschiedene Mittelwerte k zu verwenden, wodurch gute Uebereinstimmung mit 11. erreicht werden kann. Bei beliebigem konstanten k liefert 18. für einen Uebergang von p1, υ1 t1 in p, υ, t unter Beachtung von 4.:


Dampf [3]

Auf Grund der Zustandsgleichung 8. von Tumlirz kommen zu 10.–17. die Gleichungen:


Dampf [3]

Nach 12. läßt sich wegen 8. und 21. einfacher schreiben:


Dampf [3]

[545] Alle diese Gleichungen stimmen mit den entsprechenden für Gase überein, nur daß υ + c an Stelle von v getreten ist, wobei zu beachten, daß d(υ + c) = dv. Soweit Mittelwerte von cp, cv, k verwendet werden, liefert 22. die Aenderung der Energie U wie bei Gasen proportional der Temperaturänderung (aber nicht wie bei Gasen proportional der Aenderung des Produkts ) und die isodynamische Zustandsänderung übereinstimmend mit der isothermischen Zustandsänderung. Für einen Uebergang von p1, υ1, t1 in p, υ, t hat man nach 22. bei beliebigem konstantem k:


Dampf [3]

Die vorstehenden Zustandsgleichungen und wärmetheoretischen Hauptgleichungen können nun wie die entsprechenden Beziehungen für Gase (s.d.) und gesättigte Dämpfe (s. S. 539) auf besondere Zustandsänderungen angewandt werden. Bei den meisten Anwendungen derselben interessieren in erster Linie die Werte der spezifischen Wärmen. Wir fassen im folgenden speziell den Wasserdampf ins Auge.

Nach Versuchen von Regnault [1], S. 167, bei Temperaturen von 122–231° konnte man für p = 1 Atmosphäre im Mittel setzen:

cp = 0,48.

Dieser Wert wurde bisher meist auch für andre Drücke verwendet. Indessen liefern die wärmetheoretischen Hauptgleichungen auf Grund der Zustandsgleichung 2., 3. und der Versuchsresultate von Hirn und Regnault [5], [16], S. 27:


Dampf [3]

worin beispielsweise:


Dampf [3]

und für beliebige Drücke aus den bekannten Tabellen für gesättigte Dämpfe zu erhalten:


Dampf [3]

Im Ausdrucke ps ist p in Atmosphären einzusetzen. Die Beziehung 26. ist unabhängig von 25. und wäre also unter den erwähnten Voraussetzungen auch bei andern Ausdrücken von cp zulässig.

Versuche von Mallard und Le Chatelier [6] über die Verbrennung explosibler Gasgemische bei Temperaturen bis 3000° ergaben:


Dampf [3]

welche Formel später infolge nochmaliger Berechnung mit Berücksichtigung andrer Resultate wie folgt abgeändert wurde [7], [10], S. 394:


Dampf [3]

Auf ähnliche Weise wie Mallard und Le Chatelier hat Langen [14] ermittelt:


Dampf [3]

während Grindley und später Grießmann [15] bei Drosselversuchen noch stärkere Zunahmen von cp mit der Temperatur erhielten, jedoch innerhalb zu enger Grenzen, um Formeln daraus abzuleiten. Die Resultate der drei letzten Ausdrücke stimmen mit denjenigen von 25. gut überein, wie folgende Zusammenstellung zeigt:


Dampf [3]

Doch ist zu beachten, daß bei Ableitung von a., b., c. vom Boyle-Gay-Lussacschen Gesetze (s.d.) und vom Avogadroschen Gesetze (s. Gase) Gebrauch gemacht wurde, die für Wasserdampf nur bei sehr hohen Temperaturen genügend zutreffen, nicht bei solchen, wie sie beispielsweise bei Dampfmaschinen vorkommen.

Während nach obigen mit den gebräuchlichen Zustandsgleichungen im Einklang stehenden Ausdrücken die spezifische Wärme cp bei konstantem Drucke unabhängig von diesem Drucke mit zunehmender Temperatur fortdauernd wachsen würde, haben neue Versuche von Lorenz [17] bei gewöhnlichen Ueberhitzungen eine Abnahme von cp mit wachsender Temperatur und eine Zunahme mit wachsendem Druck ergeben. Seine Resultate ließen sich annähernd durch folgende Formel darstellen [19]:


Dampf [3]

worin p in Kilogramm pro Quadratzentimeter (Neuatmosphären) einzusetzen, wie die nebenstehende Zusammenstellung zeigt.


Dampf [3]

Den Versuchen von Lorenz ist insofern besonderes Gewicht beizulegen, als die Werte von cp unmittelbar nach dem Begriffe der spezifischen Wärme (s.d.) durch Messung zusammengehöriger Werte der Wärmezufuhr und Temperaturerhöhung erhalten wurden. Dieterici [20] fand die Beobachtungen von Lorenz im allgemeinen bestätigt, indem er auf Grund der Versuche von [546] Ramsay und Young [8] und verschiedener empirischer Ausdrücke die Energie U des überhitzten Wasserdampfes bei mehreren konstanten Temperaturen berechnete, die entsprechenden U-Isothermen für v als Abszisse, U als Ordinate graphisch auftrug und aus dem Verlaufe dieser Kurven Schlüsse auf die Art der Veränderlichkeit von cp, cv zog. Empirische Formeln für die spezifischen Wärmen haben sich bei diesem Verfahren bis jetzt nicht ergeben.

Zu beachten ist, daß 25. und 28. die wirkliche spezifische Wärme bei konstantem Druck in irgendeinem Zustand p, υ, t ausdrücken sollen, während die mittlere spezifische Wärme bei konstantem Drucke zwischen zwei Zuständen p1, υ1, t1 und p, υ, t nach 25. allgemein:


Dampf [3]

und nach 28. beispielsweise für eine Zustandsänderung bei konstantem Drucke p:


Dampf [3]

und bei konstanter Temperatur T:


Dampf [3]

Um bei konstantem Drucke p 1 kg überhitzten Dampf von der Temperatur t oder Ueberhitzung T aus ebensoviel Flüssigkeit von 0° zu erzeugen, ist eine Wärmemenge λ nötig, welche die Gesamtwärme des Dampfes heißt. Sie läßt sich ausdrücken:


Dampf [3]

worin die Gesamtwärme des gesättigten Dampfes vom Drucke p (s. Dampf, gesättigter):


Dampf [3]

und cp die mittlere spezifische Wärme bei konstantem Drucke, während des Ueberhitzens von t' bis t. Von der Gesamtwärme λ wird ein Teil zu äußerer Arbeit verbraucht, ausgedrückt bei Berücksichtigung von 2.:


Dampf [3]

wovon Apu bis zum Beginn des Ueberhitzens, ARτ während des Ueberhitzens, der Rest


Dampf [3]

[5], [16] dient zur Erhöhung der Eigenenergie U der Flüssigkeit und des Dampfes und heißt nach Zeuner die Dampfwärme. Die Werte von q, ρ, Apu, λ' für Wasserdampf lassen sich aus der Tabelle S. 540 entnehmen, doch können auch empirische Formeln verwendet werden (s. Dampf, gesättigter), beispielsweise nach Regnault:


Dampf [3]

Aus Beobachtungen der Gesamtwärme λ kann nach 32. auch die mittlere spezifische Wärme cp von t' bis t erhalten werden. So fand Bach [13] bei Versuchen über die Wärmeabgabe des überhitzten Wasserdampfes durch zwei von Kühlwasser umspülte Spiralen von je ca. 50 m Länge und 6 qm Oberfläche:


Dampf [3]

während sich ergeben würde:


Dampf [3]

Mit Rücksicht auf die bei den Temperaturen des Kühlwassers und des Versuchsraums trotz der angewandten starken Wärmeschutzschicht nicht ganz zu vermeidende Wärmeabgabe nach außen war anzunehmen, daß der erste Versuchswerk etwas zu groß, die drei weiteren Werte etwas zu klein seien.


Literatur: [1] Regnault, Relation des expériences etc., II, Paris 1862, S. 167. – [2] Hirn, Theorie mécanique de la chaleur, Paris 1865, S. 202. – [3] Zeuner, Theorie der überhitzten Wasserdämpfe, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1867, S. 41. – [4] Hirn et Cazin, Mémoire sur la détente de la vapeur surchauffée, Annales de chimie et de physique 1867, X, p. 349. – [5] Weyrauch, Von den überhitzten Dämpfen, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1876, S. 1, 71, 193; 1877, S. 241. – [6] Mallard et Le Chatelier, Sur les températures des combustions et les chaleurs spécifiques des gaz aux températures élevées, Annales des mines 1883, IV, p. 379 (insbesondere S. 528). – [7] Wiedemanns Annalen, Beibl. 1890, S. 364. – [8] Ramsay und Young, On some of the Properties of Water and of Steam, Philosophical Transactions, A, 1892, S. 107. – [9] Battelli, Sulle proprietà termiche dei vapori, IV: Studio del vapor d'aqua, Memorie della reale accademia delle scienze di Torino, Serie II, Bd. 43, 1893, S. 63. – [10] Winkelmann, Handbuch der Physik, II: Wärme, Breslau 1896, S. 389, 839. – [11] Tumlirz, Die Zustandsgleichung des Wasserdampfes, Sitzungsber. d. Akad. d. Wissensch. in Wien, 1899, Bd. 108, Abt. II a, S. 1058. – [12] Zeuner, Technische Thermodynamik, II, Leipzig 1901, S. 187. – [13] Bach, Zur Frage des Wärmewerts des überhitzten Wasserdampfes, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1902, S. 729. – [14] Langen, Untersuchungen über die Drücke, die bei Explosion von Wasserstoff und Kohlenoxyd in geschlossenen Gefäßen entstehen, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1903, S. 622. – [15] Grießmann, Die Erzeugungswärme des überhitzten Wasserdampfes und sein Verhalten in der Nähe der Kondensationsgrenze, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1903, S. 1852, 1880. – [16] Weyrauch, Ueber die spezifischen Wärmen des überhitzten Wasserdampfes, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1904, S. 24, 50. – [17] Lorenz, Die spezifische Wärme des überhitzten Wasserdampfes, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1904, S. 698. – [18] Lorenz, Technische Wärmelehre, München 1904, S. 273. – [19] Lorenz, Neuere Versuche über die spezifische Wärme des überhitzten Wasserdampfes, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1904, S. 1189. – [20] Dieterici, Die kalorischen Eigenschaften des Wassers und seines Dampfes bei hohen Temperaturen, Zeitschr. des Vereines deutscher Ingen. 1905, S. 362.

Weyrauch.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 544-548.
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