Dampfleitungen für Schiffe

[594] Dampfleitungen für Schiffe gliedern sich in die Hauptdampfrohrleitung, Hilfsdampfrohrleitung und Dampfabgangsrohrleitung.

Die Hauptdampfrohrleitung verbindet die Hauptdampfkessel mit den Hauptmaschinen. Bei mehreren Kessel- und Maschinengruppen wird die Hauptdampfrohrleitung so angeordnet, daß jede Kesselgruppe nach jeder Maschinengruppe Dampf liefern kann. Man erzielt hierdurch neben größerer Betriebssicherheit, namentlich bei Kriegsschiffen, kleinere Rohrdurchmesser und Wandstärken. Die einzelnen Hauptdampfrohre münden mit besonderen Absperrventilen in einen oder mehrere Gruppenventilkasten, die am vorderen Maschinenraumschott befestigt sind und bei Vorhandensein eines Mittellängsschottes durch ein absperrbares Querrohr verbunden sind [3], [4]. Von dem Ventilkasten jedes Maschinenraumes geht das Hauptdampfrohr dann zum Wassersammler (Fig. 1) und zum Manövrier- bezw. Hauptabsperrventil. Letzteres wird meist als Doppelsitzventil ausgebildet und vielfach mit einer Drosselklappe (Fig. 2) verbunden, um bei schlechtem Wetter dem Durchgehen der Maschine vorzubeugen.

Die Hilfsdampfrohrleitung, die den Dampf von dem Hilfskessel bezw. den Hauptkesseln zu den Hilfsmaschinen leitet, ist innerhalb der Kesselräume meist als Ringleitung ausgebildet. Bei Vorhandensein mehrerer Hauptdampfrohrleitungen wird die Hilfsdampfrohrleitung vielfach vom Gruppenventilkasten in den vorderen Maschinenräumen abgezweigt oder man benutzt eines der Hauptdampfrohre mit als Hilfsdampfrohr, um im Hafen die Hilfsmaschinen mit Dampf versehen zu können, ohne den Gruppenventilkasten mit Dampf zu füllen. Mit Ausnahme der Rudermaschine und der Umsteuerungsmaschine der Hauptmaschine, die wegen der ungleichmäßigen Dampfentnahme direkt an die Hauptdampfrohrleitung angeschlossen sind, erhalten[594] sämtliche Hilfsmaschinen sowie die Dampfheizung den Dampf von der Hilfsdampfrohrleitung [3], [4]. Diese wird an den Hilfsmaschinen und an den Hauptabzweigungen mit Absperrventilen versehen.

Die Dampfabgangsrohre gliedern sich gleichfalls in solche für Hauptmaschinen und solche für die Hilfsmaschinen. Die Hauptabgangsrohre von den ND-Zylindern zum Kondensator erhalten Absperrschieber, um im Hafen den Kondensator für die Hilfsmaschinen benutzen zu können. Die Hilfsdampfabgangsrohre führen den Abdampf der Hilfsmaschinen zu den Haupt- bezw. Hilfskondensatoren. Zu diesem Zweck werden die einzelnen Abdampfrohre zu Gruppen vereinigt und in die als Ringleitung angeordnete Hilfsabdampfleitung geführt, die durch Ventile mit den Kondensatoren sowie den Dampfabgangsrohren der Kessel verbunden werden kann. Die Dampfabgangsrohre der Dampfdynamos werden möglichst direkt zum Kondensator geleitet, um den gleichmäßigen Gang dieser Maschinen nicht durch den Abdampf andrer Hilfsmaschinen zu beeinträchtigen.

Auf eine sachgemäße Entwässerung der Dampfrohrleitungen ist besondere Sorgfalt zu legen, da sonst namentlich beim Einlassen des Dampfes in die Rohrleitungen gefahrbringende Wasserschläge entliehen können [7], [9]. Die Hauptdampfleitung wird daher meist vom Absperrventil am Kessel bis zur Maschine mit Fall angeordnet und ist zum Sammeln des Kondenswassers vor dem Manövrierventil ein Wasserabscheider (Fig. 1) angeordnet. An allen wassersackartigen Krümmungen der Rohrleitung müssen Wassersammler mit Hähnen eingeschaltet werden [3], [5], [7]. Das Kondenswasser wird entweder in den Kondensator oder in die Dampfabgangsrohre der Hilfsmaschinen geleitet.

Auf Kriegsschiffen zweigt ferner in jedem Maschinenraum von der Hauptdampfrohrleitung kurz vor dem Manövrierventil das Ueberproduktionsrohr ab, das beim plötzlichen Stoppen der Maschinen den überschüssigen Dampf eventuell nach Reduzierung des Druckes in den Kondensator leitet. Sämtliche Dampfleitungen werden auf Kriegsschiffen unter dem Panzerschutz bezw. unterhalb der Wasserlinie angeordnet.

Die Dampfrohrleitungen für Schiffe bestehen im allgemeinen aus gezogenen oder genieteten Kupferrohren, die mittels bronzener Winkelflansche durch eiserne Bolzen miteinander verbunden werden. Bei stärkeren Rohren werden die Flanschen aufgenietet und neuerdings mit fingerartigen Lappen – Fingerflanschen – versehen, bei schwächeren Rohren nur hart gelötet. Die Dichtung zwischen je zwei Flanschen erfolgt durch runde Schnur in Dreiecknute, durch gewellte Kupferringe oder metallene Ringe von linsenförmigem Querschnitt mit geschliffenen Kugelflächen (s. Fig. 2) [11]. Die Wandstärke S von nahtlos gezogenen Kupferrohren ergibt sich aus δ = d · p/400 + 1,5 mm für Rohre bis 100 mm Durchmesser und δ = d · p/400 für Rohre von 125 mm Durchmesser und darüber, wobei d den lichten Durchmesser in Millimetern und p den Dampfdruck in Atmosphären Ueberdruck angibt. Gebogene Kupferrohre erhalten eine um 1 mm größere Wandstärke [5], [11], Kupferrohre von mehr als 120 mm Durchmesser erhalten zur [595] Sicherung gegen Rohrbrüche eine Stahldrahtumwicklung [8]. Da Kupferrohre bei größerer Erwärmung erheblich an Fertigkeit verlieren, kommen für den Schiffsbetrieb mehr und mehr nahtlose Stahlrohre zur Einführung in Verbindung mit Krümmern aus Stahlguß, da stählerne Rohre von über 80 mm Durchmesser sich schwer biegen lassen. Die Wandstärke δ für nahtlose Stahlrohre berechnet sich aus δ = d ∙ p/700 + 2,5 mm [5]. Die Beteiligung der Flanschen aus Stahlguß auf den stählernen Rohren erfolgt meist durch Aufwalzen nach den Normen des Vereins deutscher Ingenieure [11].

Bei den auf größeren Schiffen sich ergebenden langen Dampfrohrleitungen sind besondere verschiebbare RohrverbindungenKompensationsvorrichtungen – erforderlich, um der Ausdehnung und Zusammenziehung der Rohre bei Temperaturänderungen durch die Wärme des Dampfes Rechnung zu tragen und zugleich die durch das Arbeiten des Schiffsrumpfes in See hervorgerufenen wechselnden Spannungen auszugleichen und die Flanschenverbindungen zu entlasten. Diese bestehen in Kompensationslinsen, Trompetenrohren, Rohrkrümmern und Rohrstopfbuchsen. Erstere beiden Vorrichtungen genügen nur für kurze Leitungen, da sie sonst zu sehr beansprucht werden. Bei Anwendung von Rohrstopfbuchsen ist darauf zu achten, daß die Rohre entlastet oder durch besondere Schrauben gesichert sind, damit sie sich nicht aus der Stopfbuchse herausziehen können; bei Rohrkrümmungen sind dieselben daher gefährlich. Hier wendet man entlastete Rohrstopfbuchsen von Dehne (D.R.P. Nr. 57756) an (Fig. 3) [3].

Für Schiffsmaschinen sind folgende Werte der mittleren Dampfgeschwindigkeit gebräuchlich, woraus sich der Durchmesser der Röhren berechnen läßt [5].


Im Hauptdampfrohr υ = 30–40 m pro Sekunde.

In den Dampfkanälen des HD-Zylinders υ = 25–30 m pro Sekunde.

In den Dampfkanälen des MD-Zylinders, υ = 30–36 m pro Sekunde.

In den Dampfkanälen des ND-Zylinders. υ = 36–42 m pro Sekunde.

In den Ausströmungskanälen des HD-Zylinders υ = 20–24 m pro Sekunde.

In den Ausströmungskanälen des MD-Zylinders υ = 24–28 m pro Sekunde.

In den Ausströmungskanälen des ND-Zylinders υ = 29–34 m pro Sekunde.


Seaton gibt im allgemeinen größere Werte an [6].


Literatur: [1] Busley, C., Die Schiffsmaschinen, Kiel 1898, 1886. – [2] Busley, C., und Haack, R., Die Entwicklung des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft, Berlin 1893. – [3] Klamroth, Leitfaden für den Unterricht in der Maschinenkunde, Berlin 1902. – [4] Dick, C., und Kretschmer, O., Handbuch der Seemannschaft, Berlin 1902. – [5] Bauer, G., Berechnung und Konstruktion der Schiffsmaschinen und Kessel, München-Berlin 1904. – [6] Seaton, A manual of marine engineering, London 1904. – [7] Bertin, L.E., Chaudières marines, Paris 1902. – [8] Köhn von Jaski, Versuche mit Umwicklungen von Kupferrohren, Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingen. 1895, S. 780. – [9] Versuche über die Ursachen der Rohrbrüche an Bord S.M. Schiffe, Marine-Rundschau 1894, S. 77. – [10] Milton, Remarks on steam pipes, Inst. of Nav. Arch., London 1895. – [11] Normalien zu Rohrleitungen für Dampf von hoher Spannung, Zeitschr. d. Vereins deutscher Ingenieure 1900, S. 1481.

T. Schwarz.

Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Fig. 1., Fig. 2., Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 2 Stuttgart, Leipzig 1905., S. 594-596.
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594 | 595 | 596
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