[91] Schiffe, Schifffahrt. Als Geßner's, des lieblichen Idyllendichters, »erster Schiffer« auf leichter Barke sich nur wenige Schritte vom Ufer in das Meer gewagt, und glücklich zurückkehrend, über seine Kühnheit selbst erschrocken, in die Arme der für sein Leben zitternden Schäferin stürzte, welcher Prophet hätte aus diesem kleinen idyllischen Anfange die Entwickelung jenes Epos geweissagt, dessen Heros ein neuer Neptun mit dem Dreizack des Ruders, der Steuermann, dessen Genien und Dämonen die Winde und Wogen, die Segel und Sterne, dessen Chorag der geheimnißvolle Magnet, dessen Bühne der unermeßliche Ocean ist?! Wie der Aeolus so buhlerisch sich in dem Segel- und Mastenwalde wiegt! Wie so stolz die Fregatte einhergleitet wie ein königlicher Schwan, unter dem Gesange der Oceaniden! Es staunen die Geister über den Wassern: Thetis erzittert in ihrem unterirdischen Reiche; denn welcher der Götter wäre noch sicher vor dem Alles wagenden Geschlechte des Prometheus, vor dem leichten, geflügelten Gedanken, der neue Welten schafft, alte zertrümmert? Hohle Baumstämme waren die ersten Fahrzeuge; Steine vertraten die Stelle der Anker; alle Schifffahrt beschränkte sich nur auf die Küsten. Erst die Bewohner der Insel Tafos, an der Küste von Macedonien, baueten Schiffe, welche diesen Namen verdienten. Es entstanden Fahrzeuge mit 2, dann 4 und endlich mit 12 Reihen Ruderbänken. Die Phönizier beschifften den arabischen und persischen Meerbusen bis nach Indien. Die Karthager und Griechen, weniger die Römer, wagten sich immer weiter[91] in den Wogengürtel der gewaltigen Atlantis: der lockende Gesang der Sirenen verstummte vor der nüchternen Erkenntniß, welche später den Aeolus in die Saiten der Harfe bannte (s. Aeolsharfe), den jungfräulichen Kranz der Windsbraut an das stolze Segel fesselte, und in den adriatischen Ocean den Ring der Vermählung warf (s. Doge). Der Keim des neuen Seewesens bildete sich im Norden von Europa. Die Friesen, Franken und Sachsen, vor Allem die abenteuerlichen Normannen, steuerten mit unbegreiflicher Kühnheit mitten in die Wellenthürme bes Oceans: die Hanseaten geboten später über alle Wasser nördlich von der Mündung der Schelde und des Rheines. Von nun an wurde das Meer mit den geheimnißvollen Stimmen seiner krystallenen Tiefen, dem melodischen Säuseln seiner Fluthen und dem Wehen des unermeßlichen Aethers über sich, ein heiliger Accord, der aus allen Weisen der Dichter mit glühender Sehnsucht hervorklang, der Grundton einer neuen Welt von Hoffen und Wagen, von Träumen und Sehnen. Die Völker ergriff flammende Sehnsucht nach unbekannten fernen Küsten; der dunkelblaue Schleier des Oceans ist ja von tausend träumerischen Sternen durchwebt! Sagen von einer wunderbaren Mährchenwelt klangen aus weiter, weiter Ferne herüber. Ebb' und Fluth wand sich zum lieblichen Kranz wechselnder Stanzen, die Brandung ward zum Ritornell, Wind und Woge, Sonn' und Duft zum Lied, und was sind die Wallfahrten der Portugiesen nach dem fernen Indien, die Abenteuer der Bukanier und Flibustier (s. d.), des Columbus und Magelhaen etc. anders als Romanzen, die bald wild in Tönen wühlend, bald leis klagend, unruhig wie der Ocean und das Herz, welches liebt von jener angestammten Sehnsucht singen und sagen, die seit Jahrtausenden den Blick der Sterblichen zu den Sternen emporhebt, oder sie in die weite Ferne treibt?... Doch das neue Jahrhundert hat das süße Räthsel von weitentlegenen Mährchenwelten gelöst; der Poesie folgte die Erkenntniß; alles Unbekannte wurde zum Bekannten; und die mühsamen Flügel des Dädalus erstarkten zu Dampfsittigen, [92] (s. die Artikel Dampf-), die Alles wagend, Jedem trotzend, alle Mährchen und Abenteuer verscheuchten, und nur noch die Gefahr selbst zum Mährchen machen werden! Man kann jetzt das künstliche Bauwesen eines Schiffes nicht betrachten, ohne die Fortschritte, die das menschliche Geschlecht in allen Zweigen der Gewerbe, der Künste und der Wissenschaften gemacht hat, zu bewundern. Ein Schiff ist eine wunderbare Combination von tausend Erfindungen und Entdeckungen! Schiffe sind entweder dem Kriegsdienste oder dem Dienste des Handels und der Fischerei gewidmet. Die erste Gattung Kriegsschiffe nennt man Linienschiffe, weil durch sie die Schlachtlinie gebildet wird, wenn ganze Flotten in's Treffen kommen. Die größten derselben führen 100 Kanonen und darüber, mit einer Mannschaft von 850 Köpfen. Kriegsschiffe mit einer Reihe Kanonen heißen Fregatten; die kleinste Gattung sind die Kanonenbote. Man unterscheidet die Sch. auch nach der Anzahl der Masten und Verdecke, d. i. der innere Schiffsraum oder ein Theil desselben, welcher oben durch eine Decke geschlossen ist: daher spricht man von Drei-, Zwei-, und Eindeckern. Unter den Handelsschiffen gibt es Dreimaster von verschiedener Größe, Briggs, Schaluppen, Kutter, Schooner und Segelbote. Die größten unter den Dreimastern sind die Ostindienfahrer, die von 10001400 Tonnen halten, also ungefähr 20 bis 30,000 Centner. Briggs sind die Fahrzeuge mit 2 aufrechtstehenden Masten, deren Segel an Querstangen befestigt sind, wie bei den Dreimastern. Schaluppen und Kutter haben nur einen Mast und ein Bugspriet oder einen vorwärts gelehnten Mast, und führen nur 4 Segel, die alle in der Linie des Kiels liegen. Beim Kutter sind diese Segel größer als bei der Schaluppe; erstere werden meist als Schnellsegelbote gebraucht. Wenn Schiffe zwei Masten haben, wie die Briggs, und mit Segeln versehen sind, wie die Kutters, so nennt man sie Schooner. Ein Bot ist ein Fahrzeug ohne Verdeck und wird entweder durch Segel oder durch Ruder in Bewegung[93] gesetzt. Seine Form und Größe ist unendlich verschieden: unter diese Gattung gehört das schmale, lange Canot des Indianers, das nur 1½ F. breit, aber 2025 F. lang ist, wie das große Bot, die Barke oder Pinasse des Linienschiffes, worin 40 Mann mit aller nöthigen Armatur und Provision auf kurze Expeditionen ausgehen. Unter den Masten unterscheidet man den großen oder Mittelmast, welcher unmittelbar auf dem Kiele ruht, den vordern oder auch Fockmast, Focke, und den hintern, Besan oder Besanmast, wozu noch das schief vorwärts hinausliegende Bugspriet kommt. Die Segel des Fockmastes und des Bugsprietes heißen die Haupt- oder Vordersegel, und die S. des großen und Besanmastes, Hintersegel. Die erstern ziehen, die hintern steuern das Schiff. Auf einem Linienschiffe erster Größe, um von diesem beispielsweise zu reden, gibt es 4 Verdecke, die von dem Hintertheil bis zum Vordertheil reichen. Unter denselben erstreckt sich der Raum, wo die Lebensmittel, die Munition etc. aufbewahrt werden. Auf dem ersten Verdecke oberhalb des Raumes, dem Orlogdeck, befinden sich die Vorräthe an Tauen, Segeln und sonstigen Schiffserfordernissen, das Lazareth, das Speisezimmer der Seecadetten und die Vorrathskammern der Officiere. Auf diesem, sowie dem zweiten und dritten, da, wo die Kanonen stehen, schläft, wohnt und speist die Mannschaft. Oberhalb des vierten befindet sich vorn das Vorderkastell, welches den geschicktesten Matrosen zum ausschließlichen Aufenthalt angewiesen ist, und hinten am Schiffe das Quarterdeck mit der Staatskajüte und unter derselben die Wohn- und Speisezimmer der Offiziere, des Kaplans etc. So setzt die Erbauung nicht allein eines solchen, sondern selbst des kleinsten Segelschiffes eine größere Bekanntschaft mit den Künsten und Wissenschaften und mit den Gesetzen der Natur voraus, als die Errichtung aller Kunstwerke der Aegyptier, der Griechen und Römer. Im Laufe des verflossenen Jahrhunderts haben die Engländer wie in der Schifffahrt und Seemacht, so in der Kunst Schiffe zu bauen, alle anderen Nationen[94] übertroffen. Jetzt aber scheint ihnen in der letzteren Nordamerika den Preis streitig machen zu wollen.
B.