Druck [2]

[112] Druck, exzentrischer. Exzentrische Drücke heißen solche resultierende Drücke (s. Druck) auf Stäbe, Prismen u.s.w., die nicht in der Achse dieser Körper wirken. Die gewöhnlichsten Fälle dieser Art betreffen Pfeiler, Widerlager und andre Mauern. Man hat meist festzustellen, daß die Beanspruchungen des Materials nirgends die zulässigen Grenzen überschreiten. Bei Steinkonstruktionen pflegt hierbei von den durch die Belastung eintretenden Formänderungen abgesehen zu werden, und es führen dann die allgemeinen Gleichgewichtsbedingungen der Statik in Verbindung mit der auch in der Biegungslehre gebräuchlichen Annahme zu dem Ziel, daß sich die Druck- und Zugspannungen in einem Querschnitt A B oder einer Lagerfuge A B (die beliebig geneigt sein können) wie ihre Abstände von einer geraden Linie in der Ebene von A B verhalten (Naviersches Verteilungsgesetz). Soll an keiner Stelle Zug entstehen, so muß der resultierende Druck auf A B innerhalb des Kerns dieser Figur angreifen (s. Kern und [7], S. 310; [9], S. 149; [12], S. 73). Soll nur die Reibung etwaigen Verschiebungen längs A B entgegenwirken, so muß der Winkel δ (Fig. 1 und 2) der resultierenden Kraft R auf A B mit der Normalen zur Ebene A B unter dem Reibungswinkel der einander berührenden Materialien bleiben. Einige Versuche über exzentrischen Druck von Steinen hat Bauschinger angestellt,[112] ihre Resultate liehen mit der angenommenen Druckverteilung in Einklang (s. Druckfestigkeit).

Gewöhnlich kann die Untersuchung in der Ebene durchgeführt werden, indem die Verhältnisse in allen Schnitten durch den betrachteten Körper parallel dieser Ebene als gleich gelten. An dem Körperteile I, auf einer Seite von A B, mögen beliebige Kräfte R1 R2, ... angreifen, deren Komponenten senkrecht und längs A B durch N1 N2, ... und T1 T2, ... bezeichnet sind, während r1, r2, ... die Hebelarme jener R in Hinsicht eines Punktes von A B (z.B. A) bedeuten. Die positiven Richtungen der erwähnten Komponenten und der Momente von R1, R2, ... seien denjenigen der vom Körperteil II her wirkenden Widerstände N, T (Fig. 1 und 2) und des Moments von R entgegengesetzt. Dann hat man zur Bestimmung von N, T, der Entfernung d ihres Angriffspunkts in A B vom gewählten Momentendrehpunkt und des Richtungswinkels δ:


Druck [2]

Im folgenden bezeichnen A den am weitesten vom Angriffspunkt der Widerstände N, S entfernten Punkt von A B, z die Entfernung dieser beiden Punkte, b und l die zwei Seiten des Rechtecks A B (Fig. 1 und 2). Dann hat man unter Voraussetzung genügender Widerstandsfähigkeit gegen die vorkommenden Beanspruchungen den größten Druck pro Flächeneinheit, bei B:


Druck [2]

und den kleinsten Druck oder größten Zug pro Flächeneinheit, bei A:


Druck [2]

Sollen nur Druckspannungen auftreten, so muß σ2 positiv oder z < 2/3 b sein, d.h. es muß N im mittleren Drittel von A B angreifen (innerhalb des Kerns). Ist z > 2/3 b und findet gegen Zug kein Widerstand statt, dann verteilt sich der Druck nur auf die Breite 3 (b – z) von A aus, und es treten an Stelle von 3., 4.:


Druck [2]

Andre als die hier in Frage stehenden Fälle findet man u.a. in [2]–[8], [12], [14], [15] und [18] behandelt.

Bei exzentrisch beanspruchten Fachwerkstäben, schlanken Säulen u.s.w. dürfen die Formänderungen nicht vernachlässigt werden, da hier schon bei zentrischem Drucke Biegungen von großem Einflusse auf die Beanspruchungen vorkommen (s. Knickfestigkeit). Solche Fälle hat man bei Erwähnung exzentrischer Druckbeanspruchungen oft allein im Auge.

Ein prismatischer Stab vom anfänglichen Querschnitt F und der anfänglichen Länge L sei durch Kräfte P parallel der anfänglichen Stabachse so gebogen, daß letztere in einer Ebene bleibt. In dieser »Biegungsebene« nehmen wir ein rechtwinkliges Koordinatensystem an, dessen x-Achse in der Wirkungsgeraden der P liegt, während die y sich auf die Punkte der schließlichen Stabachse beziehen (Fig. 3 und 4). Für ein Querschnittselement bei x in Entfernung v von der zur Biegungsebene senkrechten Achsschicht ist die Normalspannung (Druck positiv, Zug negativ gerechnet):


Druck [2]

worin J das Trägheitsmoment des Querschnitts in Hinsicht jener Achsschicht (s. Biegung, Bd. 1, S. 794) und v nach innen, d.h. nach der Seite der P hin negativ, nach außen positiv. Für einen bestimmten Querschnitt x erreicht σ nach 6. seinen größten positiven Wert in dem am weitesten nach innen gelegenen Querschnittselement, nämlich mit v = – e:


Druck [2]

seinen größten negativen Wert (oder kleinsten positiven Wert) in dem am weitesten nach außen gelegenen Querschnittselement, mit v = e':


Druck [2]

Die größten der Beanspruchungen 7., 8. am ganzen Stab, d.h. die größte vorkommende Druckspannung σ und größte vorkommende Zugspannung (oder kleinste Druckspannung) σ' treten an der Stelle des größten y ein, das durch h bezeichnet sein soll, womit diese äußersten Werte nach 7., 8. ausgedrückt sind:


Druck [2]

In allen diesen wie in den folgenden Gleichungen bedeutet P/F die mittlere Normalspannung oder auch nach 6. die Normalspannung im Schwerpunkt des Querschnitts unter der Last P.[113]

Bezeichnet c die anfängliche Exzentrizität von P, so hätte man ohne Biegung überall h = c, bei Berücksichtigung der Biegung hängt h von der Anordnung des Stabes ab. Mit


Druck [2]

erhält man in den praktisch wichtigen Fällen Fig. 3 (beiderseits frei drehbare Enden) und Fig. 4 (einerseits festgespanntes, anderseits freischwebendes Ende):


Druck [2]

oder bei Verwendung der Kosinusreihe:


Druck [2]

worin schon die beiden ersten Glieder der Reihe zu genügen pflegen. In diesen Gleichungen ist mit L Stablänge im Falle von Fig. 3 l = L, im Falle von Fig. 4 l – 2 L (vgl. Knickfestigkeit). Die vorgehenden Gleichungen gestatten, innerhalb der Proportionalitätsgrenze für beliebige Lallen P die Normalspannungen in beliebigen Querschnittselementen und ihre Grenzwerte zu berechnen, wenn der Querschnitt bereits bekannt ist. Doch weiß man damit noch nicht, mit welcher Sicherheit diesen Spannungen widerstanden wird und wie der Querschnitt für eine bestimmte Sicherheit berechnet werden kann. Diese Ermittlungen beruhen gegenwärtig fast ausschließlich auf den Versuchen von Tetmajer, weshalb wir dessen Verfahren zuerst vorführen [16], [17].

Würden obige Gleichungen bis zum Bruche gelten, so hätte man nach 9. und 10. mit B Bruchlast, b Wert von h beim Bruche und d, z maßgebende Druckfestigkeit oder Zugfestigkeit, je nachdem der Bruch durch Druckspannungen oder Zugspannungen erfolgt:


Druck [2]

worin nach 12. und 11.:


Druck [2]

oder entsprechend 13.:


Druck [2]

Da jedoch die Voraussetzungen der Gleichungen 14. nicht erfüllt sind, so kann man zur Anpassung an die Wirklichkeit mit je einem Erfahrungskoeffizienten multiplizieren und setzen:


Druck [2]

Hierin soll auf Grund des vorliegenden Versuchsmaterials bis zu dessen erwünschter Ergänzung nach Tetmajer angenommen werden:


Druck [2]

ferner für Gußeisen, wenn der Trägheitshalbmesser


Druck [2]

und für Weißtanne mit demselben Ausdruck von r:


Druck [2]

Für Steine liegen geeignete Versuche überhaupt nicht vor. In Gleichung 16. verwendet Tetmajer drei Glieder der Reihe, es genügen jedoch auch zwei Glieder.

Zur Feststellung des Querschnitts auf Grund vorstehender Gleichungen für eine Belastung P wäre nach Tetmajer wie folgt zu verfahren. Man wählt einen vorläufigen Querschnitt F oder setzt entsprechend einem vorläufigen Werte σs der mittleren Beanspruchung pro Flächeneinheit Querschnitt (Normalspannung im Schwerpunkt) beim Bruche für m-fache Sicherheit:


Druck [2]

Nachdem dieser Querschnitt in geeigneter Weise angeordnet ist, können b und w oder w' nach 15. oder 16. und 9. oder 10. berechnet werden. Die F, σs entsprechende maßgebende Kantenspannung beim Bruche wäre nach 9. oder 10.:


Druck [2]

Die Berechnung kann als beendigt gelten, wenn diese Spannung gemäß 17. genügend mit:

d/μ bezw. z/μ'

[114] übereinstimmt, andernfalls ist die Berechnung mit anderm F oder σs zu wiederholen. Beispiele solcher Berechnungen s. [17], S. 370. Nachdem der Querschnitt festgestellt ist, können nach 6. bis 13. auch die wirklichen Spannungen, insbesondere nach 9. die größte Druckspannung und nach 10. die größte Zugspannung ermittelt werden.

Einfacher als das vorstehende Verfahren ist die Berechnung nach v. Emperger und Ostenfeld [1.0], [11], [13]. Berücksichtigt man im Nenner von 13. nur die beiden ersten Glieder der Kosinusreihe und führt das entsprechende h in 9. ein, so ergibt sich durch geeignete Umformung und Vernachlässigung die mit einer größten Kantenpressung σ verbundene mittlere Normalspannung oder Schwerpunktsspannung im betreffenden Querschnitt:


Druck [2]

Diese Formel mit α = σ/8 E gilt zunächst nur innerhalb der Proportionalitätsgrenze, sie kann jedoch auch für den Bruch verwendet werden, wenn man geeignete Korrektionen anbringt, beispielsweise die Werte σ und α aus Versuchsergebnissen bestimmt. Für letzteren Fall liefert 22. die mittlere Bruchspannung, wenn σb die Kantenpressung beim Bruche bezeichnet:


Druck [2]

Wird von dieser mittleren Beanspruchung behufs Erzielung m-facher Sicherheit nur der m-te Teil zugelassen, so ergibt sich die zulässige mittlere Beanspruchung pro Flächeneinheit Querschnitt beim Drucke P:


Druck [2]

In 23., 24. setzt Ostenfeld auf Grund der Versuche von Tetmajer:


für Schweißeisen σb = 3030 kg pro Quadratzentimeter, α = 0,00018,

für Flußeisen σb = 3363 kg pro Quadratzentimeter, α = 0,00018.


Die mit diesen Zahlen aus 23. folgenden B/F ergaben gegen die Versuchsresultate mit Schweißeisen und Flußeisen mittlere Abweichungen von nur 21 kg und 29 kg pro Quadratzentimeter [11], S. 1464, [13], S. 1859. Auf Grund vorstehender Gleichungen kann für eine gegebene Belastung P die Sicherheit m bei bekanntem Querschnitt F ohne weiteres und der Querschnitt F bei m-facher Sicherheit durch Probieren ermittelt werden. Erleichterung in letzterer Hinsicht und entsprechendes Beispiel s. [11], S. 1469, [13], S. 1860.


Literatur: [1] Grashof, Theorie der Elastizität und Festigkeit, Berlin 1878, S. 155. – [2] Keck, Exzentrische Druckbelastung eines zylindrischen Mauerkörpers außerhalb des Kerns, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1882, S. 301. – [3] Keck, Exzentrische Druckbelastung außerhalb des Kerns bei Mauerwerkkörpern ringförmigen Querschnitts, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1882, S. 627. – [4] Mohr, Ueber die Verteilung der exzentrischen Druckbelastung eines Mauerwerkkörpers, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1883, S. 169 (graphisch). – [5] Barkhausen, Druckverteilung im rechteckigen Mauerquerschnitte, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1883, S. 470 (graphisch). – [6] Hüppner, Zur Ermittlung der Druckverteilung in Mauerwerkquerschnitten, Civilingenieur 1885, S. 39 (graphisch). – [7] v. Ott, Vorträge über Baumechanik, I, Prag 1888, S. 78; II, Prag 1880–91, S. 357, 372. – [8] Heinemann, Exzentrische Druckbelastung außerhalb des Kerns bei Mauerwerkkörpern ringförmigen Querschnitts, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Vereins zu Hannover 1891, S. 157. – [9] Keck, Vorträge über Elastizitätslehre, Hannover 1893, S. 143. – [10] v. Emperger, Die Bruchlasten und die zulässigen Beanspruchungen gußeiserner Säulen, Zeitschr. d. Vereines deutsch. Ingen. 1898, S. 1114. – [11] Ostenfeld, Exzentrische und zentrische Knickfestigkeit mit besonderer Berücksichtigung der für schmiedbares Eisen vorliegenden Versuchsergebnisse, Zeitschr. d. Vereines deutsch. Ingen. 1898, S. 1462. – [12] Müller-Breslau, Die graphische Statik der Baukonstruktionen, I, Leipzig 1901, S. 55, 73, 86. – [13] Ostenfeld, Einige Bemerkungen über die Bestimmung der Abmessungen exzentrisch und zentrisch beanspruchter Säulen, Zeitschr. d. Vereines deutsch. Ingen. 1902, S. 1858. – [14] Jöhrens, Beitrag zur Berechnung von Querschnittsspannungen in Schornsteinen, Zeitschr. f. Architektur- und Ingenieurwesen 1903, S. 413. – [15] Preuß, Beitrag zur statischen Untersuchung von Schornsteinen, Zeitschr. f. Architektur- und Ingenieurwesen 1903, S. 413. – [16] v. Tetmajer, Die Gesetze der Knickungs- und der zusammengesetzten Druckfestigkeit der technisch wichtigsten Baustoffe, Leipzig und Wien 1903, S. 19, 186. – [17] Ders., Die angewandte Elastizitäts- und Festigkeitslehre, Leipzig und Wien 1904, S. 349, 357, 362, 369. – [18] Preckwinkel, Die Druckverteilung im rechteckigen Mauerquerschnitte bei Ausschluß von Zugspannungen, Zeitschr. f. Architektur- u. Ingenieurwesen 1904, S. 47.

Weyrauch.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3., Fig. 4.
Fig. 3., Fig. 4.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 112-115.
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