Eisenlegierungen

[367] Eisenlegierungen, Mischungen und Verbindungen des Eisens mit andern Stoffen. Betreffs der Legierungen des Eisens mit seinen gewöhnlichen Nebenbestandteilen in den im regelmäßigen Hüttenbetriebe ihm zugeführten Mengen s. Eisen, Roheisen, Flußeisen, Schweißeisen. Hier sollen nur die Legierungen mit nicht allgemein in ihm auftretenden Stoffen und mit besonders großen Mengen der regelmäßigen Nebenbestandteile aufgeführt werden.

Zwei Zwecke sind es vorwiegend, für die solche Legierungen hergestellt werden, die Desoxydation und die Veränderung der mechanischen Eigenschaften insbesondere des Stahles; sie finden deshalb fast ausschließlich in der Flußeisenerzeugung Anwendung. Nachdem man die desoxydierende Wirkung der Nebenbestandteile des Roheisens, Mangan und Silicium, erkannt hatte, lag es nahe, deren Menge immer mehr zu steigern und die Wirkung des begleitenden Kohlenstoffes möglichst abzuschwächen. So gelangt man vom manganreichen weißen Roheisen und dem Spiegeleisen mit 5–20% Mangan zum Manganeisen (Ferromangan) mit 30–80% Mangan, zum Rohmangan mit 90%, in dem das Eisen nur noch die Rolle eines Nebenbestandteils spielt, und endlich mit Hilfe neuerer Reduktionsverfahren zum reinen Manganmetall. Der Kohlenstoffgehalt des Manganeisens ist hoch (bis 7%) und die Absorptionsfähigkeit für Gase sehr bedeutend; im erstarrten Zustande treten die Gase zum Teil wieder aus und verursachen ein Zerfallen der häufig aus nadelförmigen Kristallen aufgebauten Stücke. Die Herstellung erfolgt wie die des Roheisens im Hochofen. Derselben Entwicklung unterlag die Siliciumlegierung; von der Erzeugung siliciumreichen Gießerei- oder Bessemerroheisens ging man unter Fortschritten in der Führung des Hochofenprozesses zu der von Siliciumeisen (Ferrosilicium) mit 10–15% Silicium über; heute kommen Legierungen mit 50–80% Silicium und auch reines Silicium in den Handel. Siliciumeisen enthält im Gegensatz zum Manganeisen nur wenig Kohlenstoff bis herunter zu 1%. Bei 8–10% Silicium hat es noch das Aussehen von grauem, bei 12 und mehr Prozent das von hellerem Roheisen mit luckigem Bruche. Außer zur Desoxydation dient es auch zur Aufbesserung von Gießereiroheisen sowie zur Verhinderung von Gasausscheidungen, also zur Erzielung dichter Güsse. An die vorgenannten schließt sich das Siliciummanganeisen (Silikospiegel) mit 10–25% Silicium neben 18–30 und 60% Mangan, das ebenfalls im Hochofen dargestellt wird. Chromeisen (Ferrochrom) wird erzeugt aus Chromeisenstein durch reduzierendes Schmelzen mit Flußmitteln und Kohle, anfangs in Tiegeln, seit etwa 1878 in Boucau und Terre Noire [1] auch im Hochofen mit sehr verschiedenem Chromgehalt (50–75%) und sehr hohem Gehalt an Kohlenstoff (8,5–12%) unter Aufwand von sehr viel Brennstoff (3 t auf 1 t Erzeugnis [2]). Die Legierung ist zinnweiß, zeigt bei hohem Chromgehalt eigentümlich kristallinisches Gefüge, ist sehr spröde und sehr strengflüssig; sie findet ausschließlich Verwendung zur Erzeugung des Chromstahles, wird aber mehr[367] und mehr durch reines Chrommetall, das frei von Kohlenstoff erhalten werden kann (s. unten), verdrängt. In gleicher Weise kann auch Chromeisenmangan erzeugt werden. – Wolframeisen (Ferrowolfram) stellt man aus Wolframiten nach vorhergegangenem Rösten behufs Austreibung von Schwefel und Arsen durch Reduktion mit Kohle in Tiegeln her. Der Schwerschmelzbarkeit wegen erzeugt man auf diesem Wege nur selten reichere Legierungen als mit 40% Wolfram. Nach Kerpely [1] hat man in Terre Noire auch im Hochofen Wolframeisen mit 24% Wolfram erzeugt. In der Neuzeit kommen reichere Legierungen mit 50–85% Wolfram in den Handel. Das Wolframeisen dient ausschließlich zur Herstellung von Wolframstahl. – Zu den im Hochofen erzeugbaren Eisenlegierungen gehören noch Nickeleisen (Ferronickel) und Nickelspiegeleisen, die früher zur Erzeugung von Nickelstahl dienten; da aber hierbei die Verunreinigungen der Erze zum Teil in die Legierung eingehen und die Eigenschaften des Stahles schädigen, zieht man jetzt vor, an ihrer Stelle möglichst reines Nickel zu verwenden. – Die Erzeugung immer neuer Stahlsorten hat auch die Herstellung der entsprechenden Eisenlegierungen mit hohen Gehalten an den Zusatzstoffen veranlaßt. Hierher gehören Boreisen mit 20–25% Bor, Molybdäneisen mit 50 und 70–90% Molybdän, Titaneisen mit 20–25% Titan, Uraneisen mit 30–40% Uran und Vanadiumeisen mit 20–27% auch 40–50% Vanadium. Alle diese Legierungen können mit Hilfe des elektrischen Stromes durch Kohlenstoff aus den entsprechenden Oxydgemischen reduziert werden. Da aber auf diesem Wege die Aufnahme von Kohlenstoff nicht zu verhindern ist, der dann den Kohlenstoffgehalt des Stahles in unerwünschtem Maße erhöhen würde, so bedient man sich zur Erzeugung kohlenstofffreier Legierungen bezw. der in ihnen enthaltenen reinen Metalle der Reduktion mittels Aluminiums (s. Aluminothermie). – Als Desoxydationsmittel kommen noch Aluminium- und Natriumeisen in Anwendung; beide werden auf elektrischem Wege erzeugt. Ersteres ist jedoch so gut wie vollständig durch reines Aluminium verdrängt worden.


Literatur: [1] Kerpely, A. v., Eisen und Stahl auf der Weltausstellung zu Paris im Jahre 1879, S. 78. – [2] Hadfield, Journ. of the Iron and Steel Inst. 1892, II, S. 42.

Beckert.

Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 3 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 367-368.
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