[325] Gleichstromdampfmaschinen. Der wesentlichste Dampfverlust einer Kolbendampfmaschine wird durch die an der Zylinderwandung beim Dampfeintritt und im ersten Teil der Expansion erfolgende Abkühlung hervorgerufen, die bei überhitztem Dampf eine Verminderung der Temperatur und des spezifischen Volumens, bei gesättigtem Dampf eine Kondensation und damit ebenfalls eine Verminderung des spezifischen Volumens herbeiführt, so daß die wirkliche Füllungsdampfmenge viel größer als die nach dem Indikatordiagramm zu beurteilende scheinbare Füllungsdampfmenge (Nutzdampfverbrauch) sein muß. Um diesen Nachteil möglichst zu beschränken, ist neben andern Hilfsmitteln (Dampfmantel, Verwendung von überhitztem Dampf u.s.w.) hauptsächlich die stufenförmige Expansion des Dampfes in mehreren hintereinander geschalteten Zylindern, also die Mehrfach-Expansionsmaschine (Verbundmaschine) allgemein im Gebrauch gewesen. Einfach-Expansionsmaschinen kamen bisher nur für kleinere Leistungen und geringere Dampfausnutzung in Frage. Daß aber auch mit der einzylindrigen Einfach-Expansionsmaschine eine hohe Dampfausnutzung erreicht werden kann, die diejenige der besten Verbundmaschinen erreicht, hat Stumpf durch die Konstruktion seiner Gleichstrommaschine bewiesen.
Das wesentlichste Merkmal dieser Maschine ist die Anordnung der Steuerung. Fig. 1 zeigt einen Schnitt durch den dreiteiligen Dampfzylinder. Die Einlaßsteuerung wird durch ein Ventil gebildet, das im Deckel eingebaut und dicht an den Zylinderhubraum herangerückt ist. Die Auslaßsteuerung besteht aus dem Dampfkolben, der in der Totlage Schlitze freilegt, die in der Mitte der Zylinderwand ringförmig angeordnet sind und durch den umlaufenden Kanal mit dem Kondensator in Verbindung stehen. Da hierdurch die Auslaßkanäle für den schädlichen Raum ganz in Wegfall kommen, außerdem der Spielraum zwischen Deckel und Kolben in der Totlage sehr klein gehalten wird, so ergibt sich bei der günstigen Anordnung der Einlaßventile ein sehr kleiner schädlicher Raum, der bis auf etwa 1% des Hubvolumens herabgesetzt werden kann. Der Hauptvorteil der Steuerungsanordnung liegt aber in der Verminderung der schädlichen Flächen. Gegenüber der bei den gewöhnlichen Ventilsteuerungen üblichen Vierteilung der Steuerorgane und Steuerkanäle, die in thermischer Beziehung an sich schon wesentlich besser als die einteilige Anordnung der meisten Schiebersteuerungen ist, hat die Bauart nach Fig. 1 den Vorteil, daß die Steuerteile für Ein- und Auslaß, also die Stellen größter Temperaturdifferenz, am weitesten voneinander entfernt liegen, nämlich an den Enden des Zylinderhubraumes. Vor allen Dingen werden aber die für die Abkühlung des Dampfes gefährlichsten Flächen an den Auslaßkanälen nur kurze Zeit in Berührung mit dem Zylinderinnern gebracht, und zwar nur zu Zeiten, wo die Temperatur des Arbeitsdampfes infolge der Expansion schon stark herabgesetzt ist. Während der Füllung und im ersten Teil der Expansion, also zu Zeiten hoher Dampftemperatur, ist der Dampf nur in Berührung mit den stark geheizten Deckelflächen und den verhältnismäßig heißen ersten Zylinderringflächen, während die kälteren Zylinderflächen in der Nähe der Auslaßschlitze durch den Kolben überdeckt sind. Auch während des Kompressionsvorganges liegen die thermischen Verhältnisse günstig, weil bei steigender Kompression, also zunehmender Dampftemperatur, die kälteren Zylinderwandzonen immer mehr und mehr überdeckt werden, so daß der Dampf, je heißer er wird, um so weniger von kalten Flächen umgeben ist. Im Gegensatz hierzu bleibt bei der sonst üblichen Anordnung der Steuerung der Dampf ständig in Berührung mit den kalten Flächen der Auslaßkanäle.
Die Bezeichnung Gleichstrommaschine ist gewählt, weil der Dampf beim Auslaß nicht nach dem Deckel zurückzuströmen braucht, sondern in gleicher Richtung wie beim Einlaß ausströmen kann. Die sonst übliche Bauart könnte im Gegensatz hierzu als Wechselstrommaschine bezeichnet werden. Mantelheizung kommt bei der Gleichstrommaschine gewöhnlich[325] ganz in Wegfall, oder der Dampfmantel erstreckt sich nur von den Deckeln aus etwa auf ein Drittel der Zylinderlänge. Den Dampfmantel bis an den Auslaßkanal heranzuführen, würde mit dem ganzen Prinzip der Gleichstrommaschine in Widerspruch stehen. Bezüglich des Dampfzustandes im Zylinder vertritt Stumpf die Ansicht, daß infolge der starken Deckelheizung die unmittelbar daran haftende Dampfschicht auch während der Expansion im überhitzten oder trockenen Zustande erhalten bleibt, während nach dem Kolben hin die Dampfnässe immer größere Werte annimmt. Da nun beim Beginn des Vorauslasses der Dampf nicht wieder zurückzuströmen braucht, so wird in erster Linie der nasse Dampf aus dem Zylinder entfernt und die wertvolle heiße trockene Dampfschicht am Deckel erhalten, während beim Wechselstrom gerade diese Dampfschicht zuerst aus dem Zylinder entfernt wird. Bei der Gleichstrommaschine wird deshalb die Eintrittskondensation sehr gering sein. Zahlreiche Versuche an Gleichstrommaschinen haben auch die thermischen Vorteile dieser Bauart Zweifellos erwiesen. Nachteilig ist der erforderliche lange Kolben, der etwa die Länge des Hubes erhalten muß. Hierdurch wird der Zylinder sehr lang, so daß fast der gleiche Raum wie bei einer Verbund-Tandemmaschine erforderlich wird. Ferner kann die Auslaßperiode nicht beliebig lang gewählt werden, da sie stets gleich der Vorauslaßperiode sein muß; denn in derselben Kolbenstellung, in der die Schlitze beim Hinlauf geöffnet werden, müssen sie beim Rücklauf geschlossen werden. Für den Auslaß selbst entstehen hierdurch zwar keine Nachteile, denn die Zeit, die zum Vorauslaß und Auslaß zur Verfügung steht, entspricht nicht dem Kolbenwege, sondern dem Kurbelwege; dieser ist aber hinreichend groß, um bei den weiten Auslaßkanälen einen vollständigen Druckausgleich mit dem Kondensator herbeizuführen. Der Nachteil liegt nur darin, daß der sehr kurze Auslaß von etwa 7 bis 10% eine Kompression von 93 bezw. 90% des Kolbenweges zur Folge hat. In Verbindung mit dem sehr kleinen schädlichen Raum ergibt sich hierdurch ein sehr bedeutendes Kompressionsverhältnis. Die Gleichstrommaschine erfordert deshalb eine sehr niedrige Anfangsspannung der Kompression, also eine sehr niedrige Auslaßspannung und wird in erster Linie als Kondensationsmaschine zu bauen sein. Dabei übt die Kondensatorspannung einen sehr wesentlichen Einfluß auf den Verlauf der Kompressionslinie aus. Wird der Vorauslaß zu 10%, also die Kompression zu 90% und der Voreinlaß zu 1% bei 1% schädlichem Raum gewählt, so liegt ein Kompressionsverhältnis 91 : 2 vor, das bei 0,1 kg/qcm Kondensatordruck und rein adiabatischer Kompression einen Enddruck von 14,3 kg/qcm herbeiführen würde. Hieraus ist die ausschlaggebende Bedeutung des Kondensatordruckes zu erkennen. Es können nur Kondensatoren verwendet werden, die ein hohes Vakuum liefern, also in erster Linie Oberflächenkondensatoren. Ferner wird die Beschaffung kalten Kühlwassers von Wichtigkeit sein und endlich wird die Verbindung von Kondensator und Zylinder derartig sein müssen, daß das Vakuum des Kondensators sich möglichst ohne nennenswerten Verlust dem Zylinder mitteilt. Stumpf verbindet deshalb nach den Fig. 2 und 3 den Oberflächenkondensator unmittelbar mit dem Zylinder, wobei auf reichlich bemessene Stromquerschnitte Wert gelegt ist. Die Querschnitte im Kondensator nehmen[326] nach dem Ende der Kühlfläche ab, entsprechend der Verminderung der Dampfmenge.
Da infolge von Zufälligkeiten mit einer, wenn auch nur vorübergehenden Erhöhung der Kondensatorspannung gerechnet werden muß, so sind Sicherheitsvorrichtungen nötig, die bei zu hohem Ansteigen der Kompressionsspannung selbsttätig in Wirkung treten. Es sind dies entweder Sicherheitsventile oder zusätzliche schädliche Räume.
Für Auspuffbetrieb ist die Gleichstrommaschine weniger gut geeignet, da hier der schädliche Raum sehr groß gewählt werden müßte; allerdings kann man auch einen Hilfsauslaß verwenden und dadurch zu hohe Kompressionsspannungen vermeiden: doch wird dann die Maschine komplizierter, auch gehen die guten thermischen Eigenschaften teilweise verloren. Aus dem gleichen Grunde kann die Gleichstrommaschine auch nicht gut als Verbundmaschine gebaut werden. Höchstens der Niederdruckzylinder könnte als Gleichstromzylinder ausgeführt werden.
Die sonstige, aus Fig. 4 ersichtliche Ausführung der Gleichstrommaschine ist für die thermische Beurteilung weniger von Wichtigkeit. Hervorgehoben sei noch die einfache Durchbildung der Steuerung. Die beiden Einlaßventile, Fig. 5, werden durch eine Kurvenschubstange gesteuert. Diese wird von einer Schwinge bewegt, die durch ein verstellbares Exzenter angetrieben wird; Exzenter und Achsenregler sitzen auf der Kurbelwelle.
Bei dem großen Erfolge, welchen die Stumpfsche Gleichstrommaschine ohne Zweifel erzielt hat, ist es natürlich, daß auch von andrer Seite Konstruktionen geschaffen wurden, welche die gleichen Erfolge erstrebten. Dabei war vielfach der Gedanke leitend, die Nachteile der Stumpfschen Bauart (langer Zylinder, hohe Kompression) möglichst zu vermeiden oder zu beschränken. Allerdings ist dieser Zweck bisher nur unter Preisgabe wichtiger thermischer Vorteile der Stumpfschen Bauart erzielt worden. Von den vielen Konstruktionen dieser Art sind nachstehend nur zwei behandelt, um diese Bestrebungen zu erläutern.[327]
Die Fig. 6 bis 9 zeigen die Gleichstrommaschine der Sächsischen Maschinenfabrik. Die Auslaßschlitze liegen auch hier in der Mitte des Zylinders, werden aber nicht durch den Arbeitskolben, sondern durch einen besonderen Kolbenschieber gesteuert. Der Arbeitskolben hat die bei der gewöhnlichen Bauart übliche kurze Baulänge. Die Verwendung eines selbständigen Auslaßorgans soll die Möglichkeit einer Veränderung der Kompressionsgröße ergeben. Der Kompressionsweg kann bis auf etwa 50% vermindert werden, so daß die mit der hohen Kompression der Stumpfschen Gleichstrommaschine verbundenen Schwierigkeiten allerdings vermieden sind. Andrerseits ist aber eine Vergrößerung des schädlichen Raumes und der schädlichen Flächen für die zweite Hälfte des Hubes vorhanden, auch ist der Gleichstrom nicht mehr völlig gewahrt, da beim Beginn der Vorausströmung die Auslaßschlitze etwa in der Mitte der Dampfmasse liegen. Die beiden Stellen der größten Temperaturdifferenz liegen nur etwa halb so weit auseinander wie bei der Stumpfschen Bauart. Wegen der Verkleinerung der Baulänge kann die durch die Fig. 6 bis 9 dargestellte Maschine auch als verkürzte Gleichstrommaschine bezeichnet werden.
Auf ähnlichen Erwägungen beruht die Gleichstrommaschine, Bauart Hunger, Fig. 10, die von der Maschinenfabrik J.E. Christoph in Niesky (Oberlausitz) ausgeführt wird. Es sind hier zwei Reihen Auslaßschlitze vorhanden, die durch besondere Auslaßventile abgesperrt werden können. Ueberschleift der Kolben auf der Expansionsseite die erste Schlitzreihe freigebend, so ist das zugehörige Ventil geschlossen. Der Vorauslaß beginnt erst beim Freigeben der zweiten Schlitzreihe. Mach Umkehrung der Hubrichtung des Kolbens ist auch die erste Schlitzreihe geöffnet; der Auslaß kann so lange vor sich gehen, bis der Kolben diese Schlitze überdeckt bezw. bis das zugehörige Ventil schließt. Auch hier wird die Verkürzung der Baulänge und die Verkleinerung der Kompression durch Vergrößerung des schädlichen Raumes und der schädlichen Flächen und Vermehrung der Steuerungsteile erkauft. Bei hohem Gegendruck kann die verkürzte Gleichstrommaschine unter Umständen eine bessere konstruktive Lösung als die Verwendung großer zusätzlicher schädlicher Räume darstellen.
O. Herre.
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