Goldpressung [1]

[593] Goldpressung. Eine gravierte oder geätzte Metallplatte, die Verzierung oder Schrift im Negativ enthält, wird mit größerer oder geringerer Gewalt im erhitzten Zustande gegen den zu pressenden Gegenstand gedrückt, nachdem derselbe mittels eines Vergoldemittels präpariert und mit Blattgold belegt wurde. Dabei entsteht ein flacherer oder tieferer Abdruck der Platte, und es löst sich oder gerinnt das Vergoldemittel unter der Einwirkung der Hitze, wodurch das Blattgold an den betreffenden Stellen haftet.

In der Buchbinderei gelangt fast ausschließlich echtes Blattgold zur Verwendung; für billige Massenartikel verwandter Branchen wird auch Kompositionsgold, Aluminium und Silber[593] verarbeitet. Die Vergoldemittel werden teils trocken in Form von feinstzerriebenem Puder, teils feucht auf den Gegenstand gebracht. Das wichtigste dieser Mittel ist das Albumin. Dasselbe gelangt als frisches mit Essigwasser verdünntes Hühnereiweiß oder als Blutalbumin in Pulverform zur Verwendung. Außerdem bestehen die Vergoldepuder zumeist aus Harzen wie Kopal, Sandarak, Schellack in verschiedenen Mischungen. Für die dickeren Blattmetallsorten wird häufig eine dünne Lösung von Gelatine, Gummi oder Fischleim aufgetragen. Man unterscheidet zwei Arten von Goldpressung: Handvergoldung und Preßvergoldung.

Bei der Handvergoldung sind die betreffenden Gravüren mit Angel und Heft versehen; sie werden auf einer Heizvorrichtung (Fig. 1) erwärmt und durch kräftigen Druck der Hand, eventuell durch Anstemmen der Schulter gegen das Holzbett abgedruckt. Schriftzeilen werden dabei in eine Schraubvorrichtung, den Schriftkasten (Fig. 2), eingesetzt und mit dieser erwärmt. Kleinere Ziermotive, aus deren wiederholtem Abdruck die verschiedenartigsten Muster entstehen, heißen Stempel; Linien, Bänder, Bordüren zur Rückenvergoldung werden mit der Filete gedruckt, einem halbmondförmigen Metallstück mit Heft, an dessen schmaler Kante ein ca. 10 cm langes Stück der Zeichnung aufgraviert ist. Zum Druck von Ornamenten bedient man sich der Rolle, einer Metallscheibe von 11/2–8 cm Durchmesser, deren Achse in einer ebenfalls mit Holzbett versehenen Gabel läuft und deren Peripherie das Dessin endlos wiedergibt. Außerdem sind zum Druck von Kurven und Kreisbogen noch Bogen nötig, die in verschiedenen Krümmungs- und Dickenverhältnissen satzweise geordnet vorhanden sein müssen. Die Handvergoldung erfordert ein geübtes Auge, um Stellung und Richtung des Werkzeugabdrucks zu normieren, dauernde Aufmerksamkeit, um den richtigen Hitzegrad zu beobachten, und eine sichere Hand, um den Druck in gleichmäßiger Stärke und ohne Verletzung des überaus seinen Goldblättchens zu vollziehen, so daß derselbe rein, blank und allseitig tief eingepreßt erscheint.

Bei der Preßvergoldung gelangen 7 mm starke Platten aus Rotguß zur Verwendung, die teils mit Maschinen, teils von Hand graviert sind, oder aus Zink mit hochgeätzter Zeichnung. Sie sind entweder für Flach- oder Reliefdruck eingerichtet; im letzteren Falle erfolgt der Druck mit Unterlage einer genau passenden Gegenmatrize. Neben den für ganz bestimmte Verzierungen gearbeiteten größeren Platten werden von den Gravieranstalten auf Gehrung geschnittene Linien- und Rahmensätze sowie Ornamentteile jeder Art, besonders aber Lettern in obenangegebener Kegelhöhe geliefert, aus denen durch Aufkleben mittels Roggenmehlkleister auf festen Schrenz die mannigfachsten Kombinationen und Schriftzeilen gebildet werden. Diese werden dann an der geheizten Anhängeplatte der Prägepresse (Fig. 3) angeklebt, der grundierte, mit Blattgold belegte Gegenstand eingelegt und der Druck mit einemmal ausgeführt. Das Auflegen des Goldes geschieht mittels Goldmesser oder Tampon; das überschüssige Gold wird nach dem Druck sorgfältig abgefegt, wozu in großen Betrieben spezielle Apparate dienen, und behufs Abgabe an die Scheideanstalten gesammelt.

Außer in der Buchbinderei und den ihr verwandten Branchen findet die Goldpressung noch in der Tapeten- und Möbelfabrikation sowie in der Luxuspapierbranche Verwendung.


Literatur: Adam, Die Kunst des Blinddrucks, der Handvergoldung u.s.w., Leipzig 1892; Tonndorf, Die Arbeiten an der Vergoldepresse, Stuttgart 1891. – Ueber die theoretisch-ästhetischen Grundzüge der Dekoration verbreiten sich: Adam, Lehr- und Handbuch der Buchbinderei u.s.w., Dresden 1885, sowie die Vorlagewerke: Maul, Deutsche Bucheinbände der Neuzeit, Leipzig 1888; Feldegg, Wiener Kunstbuchbinder- und Lederarbeiten, Wien 1890; Stockbauer, Abbildungen von Mustereinbänden aus der Blütezeit der Buchbinderkunst; Michel, L'ornementation des reliures modernes, Paris 1889; Zähnsdorf, The art of bookbinding, London 1891; Adam, Der neue Stil in der deutschen Buchbinderei, Halle 1899; Bube, Anleit. z. Preßvergolderei, Leipzig 1902.

Saalfeld.

Fig. 1.
Fig. 1.
Fig. 2.
Fig. 2.
Fig. 3.
Fig. 3.
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 4 Stuttgart, Leipzig 1906., S. 593-594.
Lizenz:
Faksimiles:
593 | 594
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