[618] Gravieren [1] bedeutet, eine Zeichnung, Verzierung oder Schrift in einen Gegenstand einschneiden, eingraben, vertiefen oder auf demselben erhaben ausarbeiten.
Zweck der Gravierkunst ist entweder Verzierung von Gegenständen (Gravieren von Gold-, Silber- und andern Metallarbeiten, von Waffen, Eisen- und Stahlwaren, von Elfenbein, [618] Perlmutter, Schildpatt, Muscheln, Leder, das Schriftstechen und im weiteren Sinne das Gravieren von Linienteilungen auf mathematischen und andern Instrumenten, das Glasschneiden [vgl. Glasschneidewerkzeuge], das Steinschneiden, das Emailgravieren, die Holzschnitzerei, das Intarsienschneiden, das Ziselieren, Guillochieren u.a.m.) oder die Herstellung von Vorrichtungen zum Abdruck oder Abguß in weichen Massen sowie zum Druck mit Farbe (Stempelschneidekunst, das Siegel- und Wappenstechen, die Schriftstempelgravierung, die Stanzengravierung, die Gravierung für Buchbinder- und Ledergalanteriearbeiten, das Ausschneiden von Schablonen, Anfertigung der Platten für Stahl- und Kupferstich, Notenstich u.s.w.).
Für die Flachgravierung wird die beabsichtigte Zeichnung zunächst auf Papier entworfen und nachher auf dem Metalle mittels harter Spitze der Radier- oder Reißnadel (Spitzstichel) eingeritzt, worauf sie mit dem gewöhnlichen quadratischen oder rautenförmigen Grabstichel (Flachstichel) ausgeführt wird. Der Grat oder die rauhe Kante, welche der Grabstichel zu beiden Seiten des gestochenen Striches aufwirft, wird mittels Schabers oder mittels Schleifens u.s.w. beseitigt.
Das Schraffieren, d.h. das Nebeneinanderlegen mehrerer Linien, wird entweder durch die mittels freier Hand geführten Grabstichel oder durch Schraffiermaschinen ausgeführt. Die Maschine wird vorzüglich angewendet zum Kupferstechen (Kupferstechmaschine) [2], Bd. 9, S. 84; zum Eingraben der Schraffierungen in Petschaften u. dergl. [2], Bd. 7, S. 211; zum mechanischen Abbilden von Reliefs als Münzen u.s.w. (Reliefmaschine, Glyptographische Maschine [3]); Graviermaschine, Reduziermaschine der Leipziger Maschinenbaugesellschaft vormals Elektrogravüre [6]. Die Maschinen der letzteren Art bilden den Uebergang zu den Guillochiermaschinen.
Das Guillochieren besteht in dem Hervorbringen seiner oder stärkerer vertiefter Linien mittels einer Grabstichelspitze, welche seitens der Guillochiermaschine [4] in eigenartigen Bahnen geführt wird. S. Guillochieren.
Statt des Abhebens einzelner Späne wird bei den Metallgravierungen auch das Punzen und Rändeln benutzt, welches Teile der bildsamen Metalloberfläche mittels Punzen und Gegenpunzen nach einem andern Orte verdrängt (vgl. Molettieren). Für die Hervorbringung des Musters bei den Kattundruckwalzen hat man in diesem Sinne auch Punziermaschinen ausgeführt ([2], Bd. 8, S. 279), während es zum Gravieren und Guillochieren dieser Walzen mancherlei Maschinen gibt (Pantographengravüre [5]).
Das Punzen wird namentlich verwendet beim Gravieren von Petschaften, Münzprägestempeln u. dergl. sowie bei Verfertigung von Aufschriften auf Metall u.s.w. Die Punzen des Graveurs unterscheiden sich von jenen des Goldarbeiters dadurch, daß sie nicht bloß einfache Glieder einer Zeichnung enthalten, sondern ganze Bestandteile derselben (Kronen, Helme, Sterne, Kreuze, Buchstaben, Zahlen, Tierfiguren u.s.w.), die dann in ihrer Mehrzahl in vollkommenster Gleichheit hervorzubringen sind. Vgl. a. Grabstichel, Edelsteinschleiferei, Glasgravieren.
Literatur: [1] Karmarsch-Fischer, Mech. Technologie, Leipzig 1890, Bd. 2, S. 396; Stahl, Die moderne Gravierkunst, Wien-Leipzig 1906. [2] Prechtl, Technol. Encykl., Stuttgart 183069. [3] Karmarsch, Beschreibung einer Reliefmaschine zur getreuen bildlichen Darstellung von Münzen u.s.w. auf mechanischem Wege, Hannover 1836; Dinglers Polyt. Journ. 1837, Bd. 63, S. 95. [4] Geißlers Drechsler, Bd. 2 u. 3, Leipzig 17961801; Prechtl, a.a.O., Bd. 7, S. 220; Jahrb. d. Wiener Polyt. Inst., Bd. 8, S. 1. [5] Bull, de la soc. ind. de Muth., Bd. 27, S. 484, 491; Polyt. Zentralbl. 1856, S. 1362; Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1888, S. 340; Zipser, Apparate u.s.w. der Wäscherei u.s.w., Leipzig-Wien 1894, S. 96 ff. [6] Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1906, S. 25.
E. Müller-Dresden.