[470] Lafette, Lafettierung. Die Fortschritte in der Konstruktion und dem Bau der Geschützlafetten im allgemeinen sowie für die Lafetten der Schiffsgeschütze im besonderen erstrecken sich in der Hauptsache auf die Steigerung der Feuergeschwindigkeit und damit der Trefferdichte in der Zeiteinheit.
Die Feuergeschwindigkeit ist abhängig nicht allein von der Zeit für das Laden des Rohres mit Geschoß und Kartusche und der Bedienung des Verschlusses, sondern auch von der [470] Zeit für das Einstellen der Seiten- und Höhenrichtung nach einer meist einheitlichen Feuerleitung und von dem rechtzeitigen Heranbringen der Munition von den Munitionskammern bis an den Geschützverschluß.
Während diese Manöver bei der leichten und mittleren Artillerie sich durch reinen Handbetrieb schnell und zuverlässig bewerkstelligen lassen, muß man für die schweren Geschütze bei den gewaltigen Kräften und Gewichten auf den Maschinenbetrieb zurückgreifen unter Aufrechterhaltung einer möglichen Reserve durch Handbetrieb. Und so ergibt sich für die Bedienung der schweren Geschütze ein außerordentlich vielseitiger Betrieb für die Lade-, Richt- und Munitionsförderungseinrichtungen, welcher überdies durch die Raumbeschränkung der nur in gepanzerten Türmen aufgestellten schweren Geschütze wesentlich erschwert wird. Nach Einführung der Dreadnought-Linienschiffe und großen Kreuzer mit einer größeren Zahl von schweren Geschützen wurde daher in allen Marinen danach getrachtet, die Lafettierung dieser Geschütze ständig zu verbessern und sie allmählich für einen Schnellfeuerbetrieb umzugestalten. Während die Grundlagen der Lafettenkonstruktion Wiegelafette mit hydraulischen Rücklaufbremsen und automatischer Ausrennvorrichtung im allgemeinen beibehalten sind, haben die Munitionsfördereinrichtungen sowie besonders die Hilfsmittel zum Richten der Geschütze eine weitgehende Verbesserung erfahren (vgl. [1][5]). Für die Seiten- und Höhenrichtung der schweren Geschütze halten sich hydraulische und elektrische Kraftübertragung zunächst noch die Wage. Während in Frankreich, Deutschland und Oesterreich der elektrische Antrieb vorherrschend ist, hat England noch fast durchweg an der alten hydraulischen Kraftübertragung festgehalten, während in den Vereinigten Staaten mit dem gemischten Betriebe unter Einschaltung eines hydraulischen Wechsel- und Wendegetriebes; des sogenannten »Universal gear«, günstige Erfolge erzielt worden sind. Für die Munitionsförderung hat sich jedoch der elektrische Betrieb mehr und mehr eingebürgert und damit auch den elektrischen Antrieb der Richtmaschinen befördert, zumal derselbe auch für die Umschaltung im Handbetrieb in einfachster Weise durchzuführen ist. Es ergibt sich hierdurch bei elektrischem Antrieb der Vorteil einer Zentralisation der Kraftquellen des Geschützstandes und damit einer genügenden Reserve sowie einer Ersparnis an Personal. Bei dem Fortfall der hydraulischen Kraft muß die Vorholvorrichtung durch Preßluft oder mehrere Sätze von starken Spiralfedern betätigt werden. Die hydraulische Rücklaufbremse erfordert keine Kraftquelle.
Fig. 1 und 2 zeigen die Lafettierung für zwei 30,5-cm-Geschütze der Vereinigten-Staaten-Marine mit elektrischem Antrieb, und zwar für die Höhenrichtung mittels Schraubenspindel und für die Seitenrichtung unter Einschaltung des Universal gegr. Von besonderem Interesse bei dieser amerikanischen Lafette sind die Fernrohrvisiereinrichtungen für die Seitenrichtungen unten im Turme zwischen den Wiegen liegend und die Frontpanzerplatte durchdringend sowie für die Höhenrichtung Wiegenvisier neben den Schildzapfen, deren Prismenfernrohre durch den Seitenpanzer in Verlängerung der Schildzapfen hindurchgeführt und deren äußere Enden durch je eine Schutzkappe gesichert sind. Durch diese Anordnung können die Geschützführerhauben in den Turmdecken entbehrt werden, was bei den amerikanischen Etagentürmen von Bedeutung ist, und haben die Stückmeister einen geschützten Stand hinter schwerem Panzer. Zur Steigerung der Treffsicherheit und Feuergeschwindigkeit ist ferner bei allen Schiffsgeschützen eine Feuerleitungsanlage vorgesehen, welche von dem Stande des Entfernungsmessers auf dem Mars des Fockmastes oder einem andern geschützten Stand die Befehle durch elektrische Kommandoelemente zu den Geschütztürmen bezw. der Kasematte der Mittelartillerie überträgt. An Stelle der Befehlsübermittlung tritt bei dem Scottschen Firing director eine elektrische Kraftübertragung derart, daß von der Feuerleitungsstation im Fockmars und im Kommandoturm durch besondere Apparate die elektrischen Motoren in den Geschütztürmen direkt betätigt werden und damit die Geschützrohre im Einklang mit der Bewegung der Apparate in der Feuerleitungsstation schwenken, erhöhen und abfeuern, so daß die individuellen Fehler der Richtnummern ausgeschaltet werden. Eine andre, von Armstrong konstruierte Elektro-Hydro-Aufsatzfernbewegung bezweckt die Einstellung aller Aufsätze für die Erhöhung und Seitenverschiebung von einer Leitstelle aus; dieselbe gestattet, gleichzeitig Korrekturen für[471] Tageseinfluß und Pulvertemperatur u.s.w. an jedem Aufsatz vorzunehmen (vgl. [1], [3][5]). Da bei den schweren Geschützen der meisten Marinen die Beutelkartuschen Verwendung finden die deutsche und die österreichische Marine haben auch bei den schweren Geschützen an der Hülsenkartusche festgehalten , wird die Seele derselben, um vorzeitige Entzündung der Kartuschen durch Rückflammer zu vermeiden, vor dem Oeffnen des Verschlusses durch Preßluft ausgeblasen und damit gereinigt- Auch bringt dieses Ausblasen des Rohres den Vorteil mit sich, daß nach dem Oeffnen des Verschlusses keine Pulvergase in den Turm eindringen und die Bedienungsmannschaft belästigen können [1].
Der Munitionstransport von den Munitionskammern zünden schweren Geschützen erfolgt neuerdings durchweg stufenweise unter Einschaltung einer Umladekammer, um die Feuergeschwindigkeit ohne weitere Steigerung der Fahrgeschwindigkeit der Aufzüge zu erhöhen. Der Munitionsaufzugsschacht erstreckt sich von den Munitionskammern bis in die Umladekammer hinein und dreht sich mit der Lafette. Von hier gelangt die Munition durch einen zweiten kurzen Aufzug hinter das Geschütz, und zwar für alle Höhenlagen des Rohres. Die Umladekammer dient zugleich als Depot für Bereitschaftsmunition. Als Ansetzer dient eine Gliederstange, welche durch einen mit der Wiege verbundenen Arm geführt und durch einen Elektromotor angetrieben wird. Durch alle diese mechanischen Hilfsmittel konnte eine Feuergeschwindigkeit der schweren Geschütze von 68 Schuß in 2 Minuten erreicht werden [1], [3], Wesentlich schwieriger gestaltet sich der Munitionstransport bei den neuerdings eingeführten Drillingstürmen mit je drei schweren Geschützen in einem Turm, auch sind besonders starke Bremsvorrichtungen vorzusehen, um beim Schießen einzelner Geschütze das Drehmoment aufzunehmen und ein Ausweichen des Turmes beim Feuern zu vermeiden. Voraussetzung für eine gute schießtechnische Ausnutzung der Drillingstürme bildet die Möglichkeit, Turmsalven zu geben und hierfür die Rohre miteinander zu kuppeln. Auch sind Versuche mit einer gemeinsamen Wiege für alle drei Rohre gemacht Worden. Ungeachtet der Schwierigkeit des Problems sind die Franzosen zu dem Vierlingsturm übergegangen, bei dem diese Störungen in erhöhtem Maße auftreten müssen [3]. Um die Schnellfeuergeschütze der leichten und mittleren Artillerie schneller richten zu können, ist neuerdings eine Schildzapfenentlastung eingeführt worden (Fig. 3). Der Schildzapfen A erhält nach außen einen konzentrischen Zapfen B, welcher auf der beweglichen oberen Kugelbahn C aufliegt, während die untere Kugelbahn mittels eines nachstellbaren [472] Zapfens sich auf eine federnde Platte H aufstützt. Bei Aenderung der Höhenrichtung wandert die obere Kugelbahn auf den beiden Kugeln hin und her, während beim Schuß die Platte H federt und der Schildzapfen im Lager zum Tragen kommt [3][5].
Zur Abwehr von Luftschiffen und Flugzeugen finden in fast allen Marinen leichte Geschütze von 5 cm bis 10,5 cm Kaliber Anwendung mit automatischem Verschluß. Fig. 4 zeigt eine Ballonabwehrkanone der Rheinischen Metallwarenfabrik. Brems- und Ausrennvorrichtung bestehen aus zwei hydraulischen Bremszylindern und einem Luft- und Federvorholer. Bei der Visiereinrichtung wird der Einfluß des Ueberhöhungswinkels auf die gemessene Entfernung durch eine Kurvenführung ausgeschaltet. Die Fernrohrvisiereinrichtung ist für feststehendes Okular eingerichtet und gestattet daher auch bei größter Erhöhung horizontalen Einblick. Fig. 5 und 6 zeigen ein Kruppsches 7,5-cm-Schnellfeuergeschütz für gleiche Zwecke an Bord eines Unterseebootes. Der Pivotsockel ist mit seinem unteren Teil um einen Zapfen drehbar gelagert und kann nach Lösen eines Bolzens durch einen Federpuffer aufgerichtet werden; er wird in der vertikalen Stellung durch Federklinken gehalten. Das Aufrichten und Niederlegen des Sockels mit Geschütz erfordert je 20 Sekunden. Der Bremszylinder in Verbindung mit der Ausrennfeder ist auf dem zylindrischen Wiegekörper gelagert. Das Richten des Geschützes erfolgt mit Hilfe eines Schulterstückes [3], [6], [12]. Vgl. a. den Art. Geschütze zur Abwehr von Luftzielen, S. 316.
Die Entwicklung der Feldlafette umfaßt die weitere Ausgestaltung der modernen Feldgeschütze zu Schnellfeuerkanonen unter Festhaltung eines unbeweglichen Feuerstandes, so daß ein Schnellfeuer von 20 Schuß in der Minute erzielt werden kann. Dies wurde erreicht durch Steigerung der Güte des Konstruktionsmaterials, durch Anwendung der Wiegelafette mit hydraulischer Bremse und unabhängigem Federvorholer, durch eine geringe Seitenrichtbarkeit der Wiege, durch Verbesserung der Visiereinrichtungen und durch Vereinfachung des Munitionstransportes. Die Konstruktionsgrundlagen der Feldlafette nähern sich daher mehr und mehr den Konstruktionseinzelheiten der Schiffsgeschütze. Wie bei diesen kommt bei den Feldgeschützen das Visierfernrohr in Gebrauch. Die unabhängige Visierlinie gestattet das Ziel im Auge zu behalten, während die Verschlußnummer mit Hilfe einer zweiten Richtmaschine die Entfernungseinstellung besorgt. Die Ausschaltung des Einflusses schiefen Räderstandes kann durch Verschiebung des Aufsatzgehäuses herbeigeführt werden. Eine weitere Vervollkommnung der Visiereinrichtung bildet das Panoramafernrohr namentlich bei Schildbatterien. Zum Schutz gegen Infanteriegeschosse und auch Schrapnellkugeln finden Spezialschilde nicht allein für die Lafette, sondern auch für Munitionswagen Verwendung [7], [8].
In England ist ferner ein automatisches Maschinengewehr mit zerlegbarem Dreibein als Gestell und von so geringem Gewicht eingeführt, daß es von einem Pferde oder von drei Soldaten getragen werden kann [11].
Auch für die Belagerungsartillerie, d.h. für die Geschütze der Fußartillerie, ist das Streben nach Erhöhung der Feuergeschwindigkeit maßgebend gewesen und hat sich das Rohrrücklaufgeschütz sowohl für die Flachbahngeschütze als auch für die Steilfeuergeschütze, Haubitzen und Mörser eingebürgert. Eine gleiche Entwicklung weist die Gebirgsartillerie auf [9], [10].
Literatur: [1] A.T. Dawson, The Engineering of Ordnance; Engineering 1909, II, S. 28. [2] Die Steigerung der Wirkung der Schiffsartillerie in den größeren fremden Marinen, Nauticus 1910. [3] Artillerie und Panzer in ihren jüngsten Fortschritten. Nauticus 1912. [4] L. Jacob, Artillerie navale, Paris 1909. [5] Brassey, The Naval Annual, Portsmouth 1912. [6] Krupp gun for Submarine-Boots. Engineering 1913, I, S. 333. [7] S Wille, Waffenlehre, Berlin 1905. [8] W. Heidenreich, Das moderne Feldgeschütz, Sammlung Göschen, Leipzig 1906. [9] Mammenhoff, Die modernen Geschütze der Fußartillerie, Sammlung Göschen, Leipzig 1907. [10] Klusmann, Die Entwicklung der Gebirgsartillerie, Sammlung Göschen, 1911. [11] Vicker's automatic rifle calibre gun, Engineering 1911, I, S. 540. [12] Kruppsche Unterseebootsgeschütze, Artilleristische Monatshefte 1913.
T. Schwarz.
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