[731] Observatorium, ein zu astronomischen und physikalischen Beobachtungen eingerichtetes Gebäude, in ersterem Falle auch Sternwarte genannt.
Die Lage ist so zu wählen, daß die Beobachtungen keine Störungen erfahren, sei es durch Erschütterungen, Wagenverkehr u. dergl., sei es durch aufzeigende Dünste, Schornsteinrauch u.s.w.; in letzter Zeit wird deshalb eine Lage auf Bergeshöhe, in Waldgebiet weitab vom Verkehr bevorzugt. Aus demselben Grunde wird das Gebäude meist nur einstöckig auf hohem Unterbau erstellt. Hierbei ist Bedacht zu nehmen, daß die Grundmauern tief angelegt und durch einen Graben von dem umliegenden Gelände isoliert, die Beobachtungsinstrumente aber auf ringsum freistehenden Grundpfeilern aufgesetzt seien. Alle Feuchtigkeit ist sorgfältig abzuhalten. Die Dächer über den Fernrohren sind leicht drehbar oder mit zu öffnenden Schlitzen herzustellen; die geeignetste Art ist die Kuppelform in Eisenkonstruktion auf Quaderunterbau. Die meisten Kulturstaaten haben solche Anstalten eingerichtet; in Nordamerika bestehen auch reichdotierte private Anstalten, wie die Lick-Sternwarte bei San Francisco.
Unter den zehn Anstalten Deutschlands ist die größte das Kgl. Observatorium auf dem Telegraphenberge bei Potsdam, 1893 fertiggestellt und aus drei getrennten Instituten bestehend:
I. Astrophysikalisches Observatorium mit drei Drehkuppeln für Refraktoren im Hauptbau und einem getrennten Bau für photographische Aufnahmen; Laboratorien für optische, physikalische, spektralanalytische, für photographische und chemische Arbeiten und mechanischer Werkstätte; einem Sammlungssaal und Raum für die Normaluhr, ferner vier Wohngebäuden für Vorstand, Assistenten, Diener und Hauswart (s. die Figur).
II. Meteorologisch-magnetisches Observatorium zur Beobachtung der Temperaturen des Bodens und der Atmosphäre, der Niederschläge, der Luftelektrizität, der Winde u.s.w., mit vielen gesonderten Arbeitsräumen und Wohnungen in einem Hauptgebäude und gesondertem magnetischen Beobachtungshaus, ferner einem offenen Wiesenplan zur Aufstellung von Meßapparaten für Feuchtigkeit, Wärme u.s.w. in »Hütten«.
III. Geodätisches Institut. Dieses besteht in einem Hauptbau mit Arbeitsräumen zur Untersuchung der Basisapparate, Meßstäbe u. dergl., dem sogenannten Komparationssaal, Beobachtungsräumen für Gestirne und irdische Gegenstände, einem Saal für Winkelmessungen mit zugehöriger Meßbahn, einem Pendelsaal zur Aufstellung der Pendelapparate, Prüfung von Instrumenten u.s.w. Außerdem gehören zur Gesamtanlage noch umfassende Bauten für Gas- und Wasserversorgung u.s.w.
Literatur: [1] Das Kgl. Observatorium der Astrophysik, Meteorologie und Geodäsie bei Potsdam, Berlin 1890. [2] Zeitschr. für Bauwesen 1879 und 1894, S. 6, 205 und 343; Spieker, Observatorium bei Potsdam. [3] Ders., Jahrg. 1865; Scherzer, Sternwarte zu Gotha, S. 11 ff. [4] Zentralbl. der Bauverw. 1882, Kirchenpauer, Dienstgebäude der Deutschen Seewarte zu Hamburg, S. 62, 70 ff. [5] Eisenbahn, Schweiz. Bauztg. 1880; Lasius, Die Sternwarte in Zürich von G. Semper.
Weinbrenner.