[33] Seekabel dient zur telegraphischen Verbindung von durch Wasser getrennten Städten, Ländern oder Erdteilen, auch transatlantisches Kabel genannt, sobald es in einem Ozean verlegt ist.
In den fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts gelang es dem Deutschen Werner Siemens, die Guttapercha (s.d.) zur Isolation von Kupferdrähten zu verwenden und damit die Möglichkeit zu schaffen, ein wirklich brauchbares Seekabel herzustellen. Seit dieser Zeit sind eine große Anzahl transatlantischer Kabel (s. Tabelle I) von den gegenwärtig bestehenden 36 Kabelbetriebsgesellschaften hergestellt und mittels Dampfer verlegt worden. Der erste große Kabeldampfer war der »Great Eastern« (s. Tabelle II), der 18521857 auf der Schiffswerft von Scott Russel nach den Plänen Brunels erbaut wurde und dessen Dimensionen erst in neuester Zeit von den Schnelldampfern der Cunard-Linie »Mauretania« und »Lusitania« übertroffen sind.[33]
Die Herstellung von Seekabeln erfordert peinlichste Sorgfalt. Das wichtigste Rohmaterial der Seekabelfabrikation ist die Guttapercha. Der Wert dieses Isolationsmittels beläuft sich in einem Kabel, wie z.B. das zweite deutsch-atlantische der Deutsch-Atlantischen Telegraphengesellschaft in Cöln, das von der Norddeutschen Seekabelwerke-Aktiengesellschaft in Nordenham hergestellt und von ihrem Kabeldampfer »Stephan« von Borkum über die Azoren nach New York verlegt wurde, und dessen Gesamtwert 20000000 ℳ. beträgt, auf annähernd die Hälfte, das sind 10000000 ℳ.
Eine besondere Abteilung einer Fabrik zur Herstellung von Seekabeln ist die Aderfabrik, in der die Kupferlitzen angefertigt werden, die beim Telegraphieren den elektrischen Strom[34] leiten sollen. Ihr Querschnitt ist von Fall zu Fall, je nach der Entfernung der telegraphisch zu verbindenden Punkte voneinander und der verlangten Sprechgeschwindigkeit des Kabels, verschieden. Dementsprechend werden die Litzen aus einzelnen dünneren Drähten oder einem dickeren Zentral- und mehreren dünneren Außendrähten zusammengeflochten, wobei es auf Hundertstel Millimeter Genauigkeit in den Drahtdurchmessern ankommt.
Die elektrisch geprüften und gut befundenen Litzen werden nun in der Aderfabrik mit der Guttaperchaisolation versehen. Die Kupferlitze tritt in die sogenannte Aderpresse ein, in der sie mit einer ebenfalls auf Bruchteile von Millimetern genau dimensionierten Guttaperchahülle umpreßt wird, und läuft daraus in einen langen Kühltrog mit reinem, eiskaltem Wasser. Es wird angestrebt, die Ader so lang wie möglich in einem Stück, das auf Haspel gewickelt wird, herzustellen, da die Vereinigungen der Adern, die sogenannten Lötstellen, die durch geschulte Spezialarbeiter von Hand ausgeführt werden müssen, auch bei der besten Ausführung die empfindlichsten Stellen des Kabels bilden.
Die elektrischen Vorschriften erfordern, daß die Durchmesser sowohl der Kupferlitzen als auch der fertigen Adern aufs peinlichste eingehalten werden, und zwar wird für die Ader auf eine bestimmte Länge ein bestimmtes Gewicht an Kupfer und Guttapercha vorgeschrieben; so spricht man von 150/150, 400/280, 600/340 u.s.w. Adern; dies bedeutet, daß auf die englische Seemeile 150, 400, 600 u.s.w. Pfund Kupfer und 150, 280, 340 u.s.w. Pfund Guttapercha entfallen. Die Fabrikation der Guttaperchaadern erfordert die größte Reinlichkeit und Sauberkeit, und es muß unbedingt verhindert werden, daß Staub oder sonstige Fremdkörperchen und selbst Luft in die aufbereitete Guttapercha hineingelangen, da erstere die Entstehungsursache von sich später während des Hin- und Hertelegraphierens entwickelnden Fehlern bilden und etwaige Luftbläschen, nach Versenkung des Kabels auf dem Meeresboden, infolge des auszuhaltenden großen Wasserdrucks platzen und die Isolation aufheben können, so daß das Kabel wieder gefischt, die Fehlerstelle ausgeschnitten und durch neues Kabel ersetzt werden muß, was je nach der Entfernung vom Heimatshafen, der Meerestiefe, den Witterungsverhältnissen u.s.w. außerordentlich kostspielig werden kann.
Die fertigen Adern, die in allen Fabrikationsstadien genau überwacht und nachgesehen werden, gelangen dann in die Prüfungsanstalten. Hier werden sie in besonderen Prüftanks, unter Wasser von 24° C., auf ihre elektrischen Eigenschaften untersucht und, wenn sie für Tiefseekabel bestimmt sind, auch noch in einer besonderen Druckanlage einer hydraulischen Pressung bis zu 700 Atmosphären ausgesetzt, die dem Wasserdruck der Tiefe, in der das Kabel liegen soll, entspricht. Gegen die Angriffe des sogenannten Teredos, eines Bohrwurms, der die Guttaperchaisolation unter Wasser zerstört und in den meisten Meeren in Tiefen bis zu 1000 m vorkommt, werden die Kabeladern durch Umwicklung mit einem Messingbande geschützt.
Die Herstellung des eigentlichen Kabels (s. Fig. 1 und 2), das nach Typen A, B, C, D, E eingeteilt ist, die von den Meerestiefen abhängig sind, erfolgt in einer Kabelfabrik, in welche die Adern nunmehr übergeführt und in der ihre einzelnen Längen aneinander gelötet werden. Auch hier ist der Betrieb ein sehr mannigfaltiger, da die Umspinnungen und die Bewehrung, welche die Adern erhalten, den Wassertiefen, der Beschaffenheit des Meeresgrundes, der Strömungsstärke u.s.w. angepaßt werden müssen. In der Tiefsee sind die einmal verlegten Kabel keinen Beschädigungen außer vulkanischen ausgesetzt; in flacherem Wasser dagegen und in starken Meeresströmungen laufen sie Gefahr, auf Felsen durchgescheuert oder durch Schleppnetze, Schiffsanker u. dergl. beschädigt zu werden. Je nachdem die Kabel in tiefem oder flachem Wasser liegen sollen, wird ihre Bewehrung aus dünnen, aber sehr starken Stahl- oder dickeren verzinkten Eisendrähten von verschiedenem Durchmesser oder in mehrfachen Lagen hergestellt. Um die Guttapercha aber vor jeder Beschädigung durch den Druck der Drahtbewehrung zu schützen, wird sie durch Umspinnung mit einem mehr oder weniger dicken Polster von tannierter Jute versehen.
In der Drahtteererei und -wickelei werden inzwischen die verschiedenen Drähte, auch solche, die später eine Umwicklung aus imprägniertem Band erhalten, mit einem Teerüberzug Versehen und auf Haspel gewickelt; die Haspel werden in die Kabelmaschinen eingelegt und umspinnen die Adern spiralförmig, ähnlich wie bei der Drahtseilfabrikation (s.d.). Den letzten Ueberzug des fertigen Kabels bilden dann meist zwei in entgegengesetzter Richtung um die Schutzdrähte gesponnene Lagen von geteertem Jutegarn, die außerdem noch mit einer schnell erstarrenden Compoundmasse übergossen werden. Durch diesen Ueberzug wird dem Kabel eine rauhere Oberfläche verstehen, so daß die beim Verlegen nötige Reibung auf der Trommel der Auslegemaschine gewährleistet wird.
Zum Verlegen der Kabel dienen die Kabeldampfer (Tabelle II). Die beiden ersten in Deutschland erbauten Kabeldampfer sind der »Stephan« (vgl. Hildebrandt, Der Doppelschraubenkabeldampfer »Stephan«, Zeitschr. d. Ver. deutsch. Ing. 1903, Nr. 44) und der »Großherzog von Oldenburg«. Die Entwürfe hierfür sind von Schiffbauingenieur Joh. Schütte gemäß den Angaben und Erfahrungen der Norddeutschen Seekabelwerke aufgestellt. Der eigentlichen Verlegung geht eine Lotungsexpedition voran, um die Meeresprofile der zu verlegenden Strecke genau festzustellen und um eventuell ungeeignete Meeresregionen zu umgehen. Ein Kabeldampfer hat eine Reihe großer, runder Tanks, in denen das Kabel aufgeschossen ist. Von hier aus läuft es über Führungsrollen durch die Kabelauslegemaschine am Heck des Dampfers über [35] Bord. Während der ganzen Verlegung steht das Kabel unter ständiger Kontrolle; Isolation und Leitung werden dauernd gemessen. Der auslegende Kabeldampfer ist unter normalen Verhältnissen mit dem Lande in ununterbrochener Verbindung. Diese Kontrolle hat den Zweck, etwaige Fehler, die beim Verladen oder während des Lagerns in der Fabrik in der Isolation oder in der Kupferlitze entstanden sind, sofort festzustellen und auszuschalten. Wird ein solcher Fehler nicht gleich entdeckt, so ist eine spätere Reparatur mit hohen Unkosten verknüpft, da es nicht leicht ist, das Kabel in großen Meerestiefen vom Boden aufzufischen, hochzuholen, aufzubojen und zu reparieren. Am Bug des Schiffes befindet sich eine Kabeleinholmaschine. Von den Norddeutschen Seekabelwerken sind Kabel in 7000, ja 8000 m Meerestiefe in der Südsee verlegt worden.
Zur Kabelreparatur und zum Kabeleinholen sei noch folgendes bemerkt: Obwohl ein Tiefseekabel stets so verlegt wird, daß es nicht straff, sondern mit der nötigen Lose auf dem Meeresboden liegt, würde es unmöglich sein, mit einem Greifanker einfach unter das Kabel zu fassen und es nach oben zu bringen. Der so entstehende Bogen würde viel länger sein als die Linie des Kabels auf dem Meeresboden, und das Kabel würde infolgedessen reißen, ehe es der Anker nach oben bringen könnte. Man muß daher das Kabel vor dem Herausholen zerschneiden, was mittels eines sehr sinnreich konstruierten Ankers (System Lucas) erfolgen kann. Es ist dieser Anker ein Gerät, bei dem sich zwei Backen um einen Mittelpunkt drehen. Hat der Anker das Kabel gefaßt, so bewirkt der Zug, den das Kabel ausübt, das Schließen der Backen. Diese klemmen das Kabel fest, während gleichzeitig die vorn an den Backen sitzenden Messer es durchschneiden. Das festgeklemmte Ende wird jetzt mittels der Kabeleinholmaschine am Bug des Dampfers herausgezogen; der Zug wird dauernd durch ein Dynamometer gemessen und kontrolliert. Es ist nicht gesagt, daß dieser Patentanker das Kabel bereits auf dem Meeresgrund zerschneidet; ein Zerschneiden tritt erst ein, wenn der Zug in dem Kabelaufholapparat so stark wird, daß die an einem Hebel sitzenden Messer die Armierung des Kabels und seine Litzen zerstören können. Das nicht eingeklemmte Ende gleitet auf den Meeresboden zurück und muß später nochmals gefischt werden. Die Fehlerstelle im Kabel wird durch einen Widerstandsmeßapparat festgestellt.
Lueger-1904: Seekabel [2]
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