Straßenwalzen

[361] Straßenwalzen dienen sowohl bei Neubauten als auch bei Unterhaltungsarbeiten zur künstlichen Dichtung des für die Befestigung der Straßen Oberfläche benutzten Schottermaterials. Außerdem benutzt man sie noch zur Dichtung des Untergrundes und der Bettungsschichten, auch wohl statt der Rammen zum Eindrücken der Pflastersteine, wenn Erschütterungen vermieden werden sollen.[361]

Schon 1787 gab de Cessart die Anregung zur Anwendung gußeiserner Zylinder zu solchen Zwecken [1], S. 307, und [2], jedoch erst in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden hölzerne, entsprechend belastete und mit Eisen beschlagene oder steinerne Walzen verwendet [1], S. 308, [3], S. 197, und [4], S. 7, die sich aber zu rasch bezw. ungleichmäßig abnutzten, so daß man schließlich auf die gußeisernen Walzen zurückkam und diese anfangs mit Pferden bespannte, neuerdings jedoch, seit Anfang der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts, als Dampfwalzen ausbildete, als welche sie dem Straßenbau die bellen Dienste geleistet haben.

1. Handwalzen werden nur zum Ebnen von Kieswegen in Parkanlagen und von Asphaltbahnen benutzt und haben ein geringeres Gewicht als die übrigen Straßenwalzen [4], S. 6.

2. Die Pferdewalzen bestehen in der Regel aus einer einzigen gußeisernen Walze von 1,2–1,8 m Durchmesser, 1,1–1,3 m Breite und 0,05–0,075 m Wandstärke, an deren Achse sich ein eiserner Rahmen befindet, an welchem die Karten oder Tröge zur Aufnahme der Belastung, die Bremse, die Schabeisen zum Abschaben des hängenbleibenden Materials sowie die Deichsel für die Bespannung angebracht sind. Statt in den Kalten wird häufig die Belastung auch in das Innere des Zylinders in Form von Paßstücken, Sand oder Wasser eingebracht, wofür in letzterem Falle eine dicht schließende seitliche Oeffnung vorhanden sein muß. Um das beschwerliche Wenden der Walzen zu vermeiden, kann die Deichsel umlegbar, oder beidseitig, oder mittels Wendering mit der Bespannung drehbar angebracht werden. In den beiden ersten Fällen wird ein Umspannen erforderlich. Das Gewicht der unbelasteten Walze schwankt zwischen 3 und 5 t, das der künstlich belasteten zwischen 6 und 81, so daß die Bespannung 6–8 Pferde erfordert. Die Notwendigkeit der Gewichtsveränderlichkeit hat ihren Grund darin, daß der frisch eingebrachte Schotter mit leichteren, also unbelasteten Walzen befahren werden muß, worauf ein Nachwalzen mit der künstlich belasteten Walze erfolgt [1], S. 308, [4]. Einen Unterschied in der Bespannung hat dies jedoch nicht zur Folge, da der lose Schotter eine größere Zugkraft erfordert. Eine von der Firma Jul. Wolff & Cie. in Heilbronn [5] und [6], S. 36, gebaute Walze mit zwei Deichseln zeigt nebenstehende Figur, deren patentierte Bremsvorrichtung darin besteht, daß an den Seiten des Walzzylinders 70 mm breite, an die Stirnscheibe der Walzen angegossene Bremsscheiben von 500 mm Durchmesser vorstehen, an welchen das Bremsen mittels Stahlbändern, welche durch die Bremsspindeln a angezogen werden, bewirkt wird. Auch mit einem Kutschbock sind Straßenwalzen versehen worden, unter anderm von Thomas Carlins Sons in Alleghany [6], S. 36, und [7], bei welch letzteren die aus mehreren Scheiben bestehende Walze in einem Gestell gelagert ist, das vorn auf einer den Kutschersitz tragenden Achse mit zwei Rädern auf ruht. Die Beschwerung erfolgt durch Belastung der vor und hinter der Walze angehängten Tröge.

3. Die Dampfwalzen bestehen aus mehreren Walzen, die durch einen Rahmen zusammengehalten werden, auf welchem die Dampfmaschine mit Kessel, der Kohlen- und Wasserbehälter sowie der Führerstand angeordnet sind. Eine Lenkvorrichtung ermöglicht das Wenden und Umkehren. Man unterscheidet im wesentlichen zwei Arten: a) die mit zwei gleichbreiten Walzen von gleichem oder verschiedenem Durchmesser versehenen französischen Walzen, die zuerst 1859 von Lemoine und 1862 von Ballaison in Paris gebaut wurden [1], S. 311; [3], S. 199; [4], S. 8 und 17; [11], S. 172. Der Durchmesser und die Breite der Walzen betrug etwa 1,5 m, und das Gewicht in dienstfähigem Zustand 17,5–22,54 t. Neuere, verbesserte Walzen nach französischem System wurden von Gellerat in Paris und von Massel in München gebaut, b) Die mit vier räderartigen Walzen der Straßenlokomotive nachgebildeten englischen Walzen, von denen die erste von Aveling und Porter in Rochester 1871 gebaut wurde, welcher später mit einigen Aenderungen diejenigen von John Fowler & Cie. und von Green & Sons, beide in Leeds, folgten. Die englische Walzenanordnung ist beweglicher, weil nur die rückwärts gelegenen größeren Walzen als Triebwalzen unmittelbar von der Maschine in Bewegung gesetzt werden, während die meist kleineren, weniger belasteten Vorderwalzen als Lenkwalzen dienen. Die Kräfteübertragung auf die Triebwalzen erfolgt nicht wie bei den französischen Dampfwalzen durch Ketten, sondern durch Zahnräder mit doppeltem Vorgelege. Die neueren Walzen von Aveling und Porter haben Gewichte von 10, 15 und 20 t, jedoch werden auch leichtere und schwerere gebaut. Die gebräuchlichsten sind die zu 15 t. Diese haben Triebzylinder von je 0,52 m Breite bei 1,5 m Durchmesser, auf denen ein Gewicht von 8,5 t ruht, und Lenkzylinder von je 0,607 m Breite, die 6,5 t zu tragen haben. Die Breite der bestrichenen Fahrbahn beträgt 1,9 m [1], S. 312, [3], S. 202, [4], S. 20. In neuerer Zeit haben sich die englischen Walzen immer mehr Eingang verschafft, und die meisten deutschen Fabriken (Kuhn in Berg bei Stuttgart, Krauß & Cie. in München, Mehlis & Behrens in Berlin, die Maschinenfabrik Cyklop in Berlin, die Maschinenbaugesellschaft Heilbronn, die Lokomotivfabrik Hohenzollern in Düsseldorf) bauen mit kleinen Aenderungen nach diesem System. Ausnahmsweise ist von der Berliner Maschinenbau-Aktiengesellschaft [3], S. 205, eine Maschine mit drei Walzen gebaut worden, bei welcher statt der sonst üblichen zwei Lenkwalzen vorn nur eine breitere Walze angeordnet ist. – Das Verhältnis der Lastverteilung auf die Lenk- und Triebwalzen sowie die Ermittlung des günstigsten Durchmessers für die Lenkwalzen mit Rücksicht auf die Belastung hat neuerdings zu Versuchen und Erörterungen geführt, da bei zu kleinem Durchmesser und verhältnismäßig zu großer Belastung der Lenkwalzen diese zu tief in den losen Schotter einsinken und den letzteren in hohen Wellen vor[362] sich herschieben. Unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte sind nach den Angaben des Landesbaurats Dreling [8] von der Lokomotivfabrik Hobenzollern in Düsseldorf Straßenwalzen gebaut worden [3], S. 215, bei denen die Trieb- und Lenkwalzen gleichen Durchmesser von 1,2–1,6 m und gleiche, bei 2,4 m Arbeitsbreite auf 90 kg anzunehmende Belastung auf 1 cm Walzenbreite erhielten, die bis zu 140 kg auf den Zentimeter Walzenbreite gesteigert werden konnte. Später wurde als zweckmäßig erkannt, den Walzendruck auf 75–120 kg für 1 cm Walzenbreite zu ermäßigen und damit bei 2,2 m Arbeitsbreite das Gesamtgewicht der Walzen von 26–40 t (bei 2,6 m Arbeitsbreite) auf 18–29 t herabzusetzen. Die Vergrößerung der Belastung erfolgt durch das Einschieben keilförmiger Gußplatten in die Walzmäntel. Die Walzen sind, der Wölbung der Steinbahn entsprechend, kegelförmig mit nach innen gerichteter Neigung von 1 : 20 abgedreht. Die Verteilung der Last auf Trieb- und Lenkwalzen erfolgt im Verhältnis von 3 : 2. Erstere überdecken die Spur der Lenkwalzen um 10 cm. Zur Besprengung des Steinschlags enthält der Tender 1,5 cbm Wasser. Die Geschwindigkeit beträgt 0,75 m für die Sekunde, kann jedoch auf 1 m für die Sekunde gesteigert werden. Ueber die Leitungen von Dampfwalzen, namentlich im Vergleich zu den Pferdewalzen, liegen eingehende Beobachtungen von Voiges [9], [3], S. 208, [5], S. 320, in Wiesbaden und von Leibbrand [10], [3], S. 209, [1], S. 317, in Stuttgart vor. Ersterer Stellt seit, daß, wenn auch die Dampfwalzen nicht unter allen Umständen billiger arbeiten als die Pferdewalzen, die Straße haltbarer wird, also die Unterhaltungskosten und der Widerstand für die Fuhrwerke geringer werden. Für die Arbeitsstunde beträgt nach v. Leibbrand die Mehrleistung der Dampfwalzen bei hartem Geschläg 21%, bei weichem Geschläg 41%, wobei die Kosten für 1 cbm fertig gewalzten Materials bei hartem Gestein 30%, bei weichem 31% geringer ausfallen als bei Pferdewalzen [6], S. 39.

Als besondere Vorteile der Dampfwalzen gegenüber den Pferdewalzen sind anzuführen, daß bei ihnen die stets aufs neue erfolgende Auflockerung der Schotterdecke durch die Pferdehufe fortfällt, daß sie wegen der Leichtigkeit des Wendens ohne Schwierigkeit Straßenstrecken vorwärts und rückwärts zu walzen gestatten, daß auch stärker ansteigende Strecken (bis zu 10%), auf denen Pferdewalzen nicht mehr verwendet werden können, gut mit ihnen zu walzen sind, daß die Decke bedeutend dichter und glatter wird und daß der Verkehr bei Neueindeckungen kürzere Zeit gestört wird. Nur bei kleineren Ausführungen und bei Anwendung weicherer Gesteinsarten für die Schotterdecke könnte hinsichtlich der Kosten bezw. der zu starken Zerdrückung der Steine durch die schwerere Dampfwalze die Pferdewalze den Vorzug verdienen.


Literatur: [1] Loewe, Straßenbaukunde, Wiesbaden 1895, S. 307–325. – [2] Ann. des ponts et chaussées, 1844, I, S. 134. – [3] Nessenius, Der Straßenbau, Handb. d. Bank., Abt. 3, Heft 4, Berlin 1892, S. 196–220. – [4] Sonne, Maschinen für den Bau und die Unterhaltung der Straßen, Handb. d. Ing.-Wiss., Bd. 4, Abt. 3, Kap. 16, Leipzig 1888, S. 6–34. – [5] Zentralbl. d. Bauverw., 1892, S. 160. – [6] Willmann, L. v., Straßenbau, Fortschr. d. Ing.-Wiss., 2. Gruppe, 4. Heft, Leipzig 1895, S. 36–41, daselbst auch die neuere Literatur über Straßenwalzen. – [7] Zeitschr. f. Transportw. u. Straßenb., 1891, S. 363. – [8] Dreling, F., Ueber Konstruktion und Leistung von Dampfstraßenwalzen, Deutsche Bauztg. 1889, S. 248 u. 263; 1893, S. 319. – [9] Voiges, Das Walzen der Chausseen mit Pferdewalzen und Dampfwalzen, Deutsche Bauztg. 1884, S. 329 u. 341; 1886, S. 161 u. 170; 1888, S. 602. – [10] v. Leibbrand, Die Verwendung von Dampfstraßenwalzen auf den Staatsstraßen Württembergs, Zeitschr. d. Arch.- u. Ingen.-Ver. zu Hannover, 1890, S. 621. – [11] Laißle, Straßenbau, Handb. d. Ing.-Wiss., Bd. 1, Abt. 4, 3. Aufl., Leipzig 1903, Kap. VIII, S. 163–188; 4. Aufl., 1907; Literaturzusammenstellung daselbst, S. 425.

L. v. Willmann.

Straßenwalzen
Quelle:
Lueger, Otto: Lexikon der gesamten Technik und ihrer Hilfswissenschaften, Bd. 8 Stuttgart, Leipzig 1910., S. 361-363.
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