Avaren

[195] Avaren (Awaren; sinisch: Šo šo oder Žu žu, pers.: Âbas oder Awar), tatar. Volk, das 400 die Uiguren, 402 die westlichen Hunnen, dann die hunnischen Sabiren am Irtisch besiegte und um 460 unter dem Namen Ogoren am Don und am Asowschen Meer wohnte. Als diese von den Türken bedrängt wurden, zog der Rest, der seitdem A. hieß, nach dem Kaukasus und bot 557 dem Kaiser Justinian seine Dienste an; dieser trug ihnen auf, die Slawen und Bulgaren an der untern Donau zu bekriegen. Nachdem sie diese unterworfen hatten, siedelten sie sich unter ihrem »Chagan« (Zerspalter) in Pannonien an, halfen den Langobarden 566 das Gepidenreich zertrümmern und verbreiteten sich unter Bajan über das Donaugebiet von den Alpen bis zum Schwarzen Meer. Das Land zerfiel in sieben Hagane, denen in »Ringen« wohnende Tarchane unter der Oberhoheit des Chagans vorstanden; der einflußreiche Oberpriester hieß Bokal Abras. Den Byzantinern (seit 575), den Franken (571 und 596) und den Langobarden (seit 610) fiel das räuberische Nachbarvolk höchst beschwerlich;[195] während des letzten byzantinisch-persischen Krieges plünderte es im Juni 619 die Vorstädte von Konstantinopel und umlagerte 29. Juni bis 3. Aug. 624 die Hauptstadt. Nach Bajans Tode (630) ausgebrochene Unruhen erleichterten zwar den Bulgaren 635 die Wiedererlangung der Selbständigkeit, nachdem bereits die Tschechen und Moraver (Mährer) unter dem Franken Samo, dann auch die Sorben unter Der van und andre slawische Stämme sich befreit hatten. Dennoch suchten die A. noch im 8. Jahrh. Italien und Deutschland wiederholt durch Plünderungen heim. Erst Karl d. Gr. drang in das Gebiet der A., die den aufständischer Tassilo von Bayern unterstützt hatten, 790 bis zur Raab vor; sein Sohn Pippin stürmte 796 den Hauptring zwischen Donau und Theiß und erbeutete an Schätzen, was die A. seit 300 Jahren den Griechen abgenommen hatten. Ihr Herzog (»Tudun«, althochd. Zodan) ließ sich in Aachen taufen und schwur Karl Treue; wiederholte Aufstände (799 und 802–807) wurden unterdrückt. Selbst der Name der A. erlosch in den Donaugegenden, indem der über die Theiß zurückgehende Teil sich mit den Bulgaren verband, der diesseitige sich unter der slawischen Bevölkerung verlor; nach 873 verschwinden sie aus der Geschichte. Wahrscheinlich hat sich ein Uberrest der A. im Kaukasus in der lesghischen Völkerschaft Awariens (s. d.) erhalten.

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 2. Leipzig 1905, S. 195-196.
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