Erckmann-Chatrian

[900] Erckmann-Chatrian (spr. schatriang), Kollektivname zweier gemeinsam arbeitender französischer Romanschriftsteller, die, dem Elsaß entstammend, in der zweiten Hälfte des Kaiserreichs glänzende Erfolge nicht nur bei ihren französischen Landsleuten, sondern namentlich auch in Deutschland und in der Schweiz erzielten, indem ein gewisser gemütvoller Zug in ihren Dorfgeschichten etwas wie verwandtschaftliche Gefühle weckte, die freilich dem Kriege von 1870, wo auch Erckmann und Chatrian nach ihrer Option für Frankreich ins chauvinistische Lager gerieten, nicht standhielt. Emile Erckmann, geb. 20. Mai 1822 in Pfalzburg, gest. 14. März 1899 in Lunéville, Sohn eines Buchhändlers, hatte 1842 in Paris das Studium der Rechte begonnen und dasselbe nach verschiedenen längern Unterbrechungen 1858 endlich erledigt, als er sich ein Jahr später mit seinem Freund Alexandre Chatrian, geb. 18. Dez. 1826 in Soldatenthal, gest. 3. Sept. 1890 in Villemomble bei Paris, aus einer alten Familie von Glashüttenbesitzern der Meurthe stammend und damals als Lehrer am College seiner Vaterstadt angestellt, zu gemeinsamer literarischer Tätigkeit verband. Ihre ersten Arbeiten: »Le sacrifice d'Abraham«, »Le bourgmestreen bouteille« etc., die in dem neugegründeten »Démocrate du Rhin« erschienen, gingen unbemerkt vorüber. Auch zwei dramatische Versuche: »Le chasseur des ruines« und »L'Alsace en 1814«, aus jener[900] Zeit gelangten nicht zur Ausführung. Erst der in der »Revue nouvelle« veröffentlichte Roman »L'illustre docteur Mathéus« (1859) gewann ihnen die Gunst des Publikums, und nun wuchs mit jedem neuen Werk der Erfolg des Schriftstellerpaars, das in ununterbrochener Folge eine lange Reihe von Romanen und Erzählungen erscheinen ließ: »Contes fantastiques« (1860); »Contes de la montagne« (1860); »Maître Daniel Rock« (1861); »Contes des bords du Rhin« und »L'invasion, ou le fou Yégof« (1862); »Le joueur de clarinette« und »La taverne du jambon de Mayence« (1863); »Madame Thérèse«, »L'ami Fritz« und »L'histoire d'un conscrit de 1813« (1864), mit Fortsetzung: »Waterloo« (1865); »Histoire d'un homme du peuple« (1865); »La maison forestière« und »La guerre« (1866); »Le blocus« (1867); »Histoire d'un paysan« (1868 bis 1870, 4 Bde.); »Histoire d'un sous-maître« (1869) u.a. Meist im Elsaß oder in der benachbarten Pfalz spielend, zeichneten sich diese Erzählungen durch behagliche Detailmalerei, geschickte Charakteristik der handelnden Personen und einen gesunden, manchmal derben Humor aus und empfahlen sich dadurch, daß alles Lüsterne und Anstößige darin vermieden war, noch ganz besonders zur Familienlektüre, während anderseits die entschieden kaiserreichfeindliche Richtung der Autoren vor 1870 nicht wenig dazu beitrug, sie populär zu machen. In den spätern, nach dem Krieg entstandenen Werken, wie: »L'histoire d'un plébiscite, racontée par un des 7,500,000 Oui« (1872), »Le brigadier Frédéric« (1874), »Maître Gaspard Fix« (1876), »Souvenirs d'un chef de chantier à l'isthme de Suez« (1876), »Contes vosgiens« (1877), »Le grand-père Lebigre« (1880) etc., tritt die zweite, oben angedeutete chauvinistische Richtung der Verfasser stark hervor. E. verlor jedoch mit der Zeit seinen Deutschenhaß so sehr, daß er nach Pfalzburg zurückkehrte. Chatrian blieb unversöhnlich und machte dem bisherigen Freunde bittere Vorwürfe; Erckmann siedelte nach Chatrians Tode nach Lunéville über, wo er starb und wo ihm 1903 ein Denkmal gesetzt wurde. Auf der Bühne ernteten vier Stücke von E.: »Le juif polonais« (1869), die dramatische Bearbeitung des »Ami Fritz« (1876), »Les Rantzau« (1882) sowie das Militärschauspiel »Madame Thérèse« (1882), stattliche Erfolge. Über die Autorrechte an den Dramen kam es zum Bruch und 1890 zu einem Prozeß, den Erckmann gewann. Erckmann schrieb noch einige Romane geringern Wertes allein, nachdem Chatrian gestorben. Die bekanntern Werke erschienen mehrfach in deutscher Übersetzung (Auswahl von L. Pfau, Stuttg. 1882, 12 Bde.).

Quelle:
Meyers Großes Konversations-Lexikon, Band 5. Leipzig 1906, S. 900-901.
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